piwik no script img

Nachruf auf Solarpionier Wolf von FabeckDer Vater des Aachener Modells

Nach Tschernobyl gab Wolf von Fabeck seine Offizierskarriere auf und wurde Ökopionier. Sein Aachener Modell war der Startschuss für den Solarboom.

Wolf von Fabeck bei einem Streitgespräch bei der taz am 24.09.2015 Foto: Wolfgang Borrs

Freiburg taz | Bekannt geworden ist er als Vater der kostendeckenden Einspeisevergütung für Solarstrom. Zunächst war Wolf von Fabeck aber vor allem ein entschiedener Gegner von Kernenergie. Als Anfang der 1970er Jahre das Atomkraftwerk Biblis gebaut wurde, war er Ende Dreißig.

Dass man das Projekt wirklich realisierte, habe er nicht glauben können, sagte er später einmal. Zu groß schien ihm das Risiko in dieser Phase des Kalten Krieges: „Wie soll eine Armee ein Land verteidigen, das Atomkraftwerke betreibt?“

Vielleicht liegen solche Bedenken nahe, wenn man Offizier bei der Bundeswehr ist und zugleich Maschinenbauingenieur. Von Fabeck lehrte damals an der Fachhochschule des Heeres in Darmstadt, nicht weit entfernt von Biblis.

Zum Thema Umweltschutz brachte ihn 1984 ein Urlaub auf Baltrum, als er mit der damals praktizierten Giftmüllverbrennung auf hoher See konfrontiert wurde – und mit der Vertuschung durch die Behörden.

Nach Tschernobyl war alles anders

Zwei Jahre später wurde die Katastrophe von Tschernobyl zum Wendepunkt in seiner Biografie: Von Fabeck schied bei der Bundeswehr aus, um sich ganz dem Umweltschutz zu widmen.

Noch im gleichen Sommer kaufte er sich ein erstes Solarmodul – 50 Watt für mehr als 1.000 Deutsche Mark. Um gemeinsam weitere Module zu erwerben, gründete er im November 1986 in Aachen den Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), der fortan an sonnigen Tagen auf Plätzen in der Stadt vorführte, wie Solarstrom eine Bohrmaschine antreiben kann. Zu dieser Zeit war das noch spektakulär. Später schickte der Verein die Module per Bahn bundesweit auf Tournee und ermöglichte damit zahlreichen Umweltgruppen, die Kraft der Sonne in die Fußgängerzonen zu bringen.

Doch von Fabeck wollte mehr – nämlich die Preise der Photovoltaik senken. Er erkannte, dass dafür ein Massenmarkt entstehen muss. Seine Idee: Anlagenbetreiber müssen eine Vergütung erhalten, die ihre Investition betriebswirtschaftlich rentabel macht. Damit war die kostendeckende Einspeisevergütung geboren.

Aachener Modell

Nach einem langen kommunalpolitischen Kampf führten die Stadtwerke Aachen im Juni 1995 eine Vergütung von 1,89 D-Mark pro Kilowattstunde ein. Auch zahlreiche andere Städte ließen sich inspirieren. Schon bald jedoch wurden lokale Förderprogramme obsolet: Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde das „Aachener Modell“ der kostendeckenden Vergütung im April 2000 bundesweit eingeführt.

Von Fabeck, der später in Magdeburg lebte, engagierte sich auch weiterhin für die Energiewende und spielte eine führende Rolle bei der Verfassungsbeschwerde gegen die deutsche Klimapolitik, die im Frühjahr 2021 Erfolg hatte.

Am Dienstag verstarb Wolf von Fabeck in seiner neuen Heimatstadt. Er wäre im Mai 90 Jahre alt geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!