Nachruf auf Peter Bogdanovich: Vorsicht vorm Eruptivgestein
Durchdachte Leichtigkeit: Peter Bogdanovich war ein großer Regisseur des New Hollywood. Nun starb er im Alter von 82 Jahren in Los Angeles.
In den ersten drei Minuten von Peter Bogdanovichs Film „Is was, Doc?“ gibt es sechs gespielte Witze: Ein mit einer Golftasche getarnter Agent entledigt sich bei einer Verfolgung seiner Golfschläger, indem er sie in einen Mülleimer stopft. Eunices herrisches Verhalten gegenüber ihrem Verlobten, dem Musik-Archäologie-Professor Howard, wird vom Kofferträger am Flughafen kommentiert. Die hungrige Judy verwirrt einen teigknetenden Pizzabäcker derartig, dass sein Teig beim Hochwerfen an der Decke kleben bleibt.
Als Judy die Straße überquert, stoßen erst zwei Motorräder zusammen, später zwei Autos. Wegen ihr stoppt auch das Taxi abrupt, in dem Eunice und Howard sitzen. „Hoffentlich ist meiner Eruptivgesteinskollektion nichts passiert“, sorgt sich Howard. Da dreht sich der Taxifahrer zu ihnen um. „Ich kann Sie verstehen“, sagt er. „Ich hasse es, wenn man mein Eruptivgestein auch nur anrührt.“
Der Regisseur, Autor, Produzent und Filmkritiker Peter Bogdanovich, der am Donnerstag mit 82 Jahren nach langer Parkinson-Erkrankung starb, bescherte der „New Hollywood“-Welle der 1970er eine unfassbare Witzdichte. Aber auch tiefe Dramen wie „The Last Picture Show“, sein Debüt von 1971. Die schwarz-weiße Romanadaption spielt Anfang der 1950er. Sie analysiert verlorene Hoffnungen und verletzte Gefühle von Menschen in einer texanischen Kleinstadt. Seinen Regisseur machte der Film über Nacht zu einem authentischen Vorreiter „New Hollywood“, das mit den traditionellen Erzählweisen brach.
Bogdanovich, geboren in Kingston/New York, stammt einer vor den Nazis geflüchteten, serbisch-österreichischen Familie. Er begann zunächst als Filmfan, war Filmkurator für das Museum of Modern Art, Kritiker (unter anderem für den Esquire) und schaute bis zu 400 Filme pro Jahr. Er erforschte Symbolik und Filmsprachen des US-amerikanischen und europäischen Kinos, um sie selbst zu verändern. Im „Regiekommentar“ zu „Paper Moon“ von 1972 erklärt er die Bedeutung der Hintergründe für jede Szene und legt die Vielschichtigkeit der so leicht wirkenden Komödie offen.
The Directors Company
In den 1960ern hatte Bogdanovich beschlossen, Regisseur zu werden, und setzte seinen Plan in Los Angeles in die Tat um. Er arbeitete mit Roger Corman, freundete sich mit Orson Welles an und inszenierte „The Last Picture Show“ mit Welles’ Tipps im Hinterkopf. Dem Erfolg folgten Streitereien in seiner zusammen mit Francis Ford Coppola und William Friedkin gegründeten Produktionsfirma „The Directors Company“.
Bogdanovich durchlief danach eine schwierige Phase. Viele Filme, die er in den 1970ern mit dem Ex-Model Cybil Shepherd inszenierte (wegen der er 1971 seine Frau und Mutter seiner beiden Töchter verließ), floppten an den Kinokassen.
Seiner neuen Freundin Dorothy Stratton gab er 1981 die Hauptrolle in der Komödie „They All Laughed“, deren Erscheinen vom Mord an Stratton durch deren Ex-Mann überschattet wurde. Der Regisseur meldete Konkurs an. Erst das sensible Drama „Mask“ um einen durch eine Knochenkrankheit entstellten Jungen konnte 1985 wieder viele überzeugen.
Bogdanovich wandte sich nun verstärkt der filmjournalistischen Arbeit zu. Er heiratete 1988 die fast 30 Jahre jüngere Louise, Dorothy Strattons Schwester, und drehte 1993 den am Rande des Kitsch schwimmenden Country-Liebesfilm „The Thing Called Love“. In dem 2018 entstandenen „She’s Funny That Way“ versuchte er es ein letztes Mal mit durchdachter Leichtigkeit. Der Film wirkte zwar wie ein müdes Echo seiner Vorläufer. Bogdanovichs genuiner Humor und seine Wärme schimmern dennoch zart durch.
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