Nachruf auf Nutella-Erfinder: Eine Creme für die Ewigkeit
Jedes Jahr produziert Ferrero 400.000 Tonnen der zarten Nussnougat-Creme. Nun ist ihr Erfinder, der Lebensmittelchemiker Francesco Rivella, gestorben.
Nein, prominent war Francesco Rivella nicht. So gut wie niemandem in Italien sagte sein Name etwas. So unbekannt er selbst immer war und blieb, so berühmt ist das Produkt, das er vor gut 60 Jahren kreiert hat: Nutella.
Nutella, die zarte Nussnougatcreme, die sich rund um den Erdball jeden Tag Kinder (und auch Erwachsene) aufs Brot schmieren – am besten natürlich ohne Butter – oder auch pur aus dem Glas löffeln. Pro Jahr werden rund 400.000 Tonnen produziert.
Ferrero war im Nachkriegsitalien nur eine von diversen Firmen, die in der Nussregion Piemont ein Produkt mit Nougat herstellte, als dort im Jahr 1952, mit 25 Jahren, Francesco Rivella anfing. Der junge Mann hatte gerade sein Studium als Lebensmittelchemiker abgeschlossen, und Ferrero war schon auf der Erfolgsspur, mit einem Brotaufstrich, der „Giandujot“ hieß, also „Nougatcreme“. Schon damals öffnete die Firma eine Dependance in Deutschland, in Stadtallendorf, einen kleinen Laden mit 60 Beschäftigten, in dem eine „Creamalba“ und „Mon Chéri“ hergestellt wurden.
So richtig startete Ferrero – und auch Francesco Rivella durch, als im Jahr 1957 Michele Ferrero, der Neffe des Gründers Pietro Ferrero, das Ruder übernahm. Das Reich Rivellas war jener Ort, der im Betrieb nur „la stanza della chimica“, das „Zimmer der Chemie“, genannt wurde. Dort rührten er und sein Team immer neue Mixturen zusammen, verkosteten sie und verwarfen sie oft genug wieder.
Mit Nutella das Ausland erobern
Nicht verworfen haben sie jene Creme, mit der sie den schon auf dem Markt platzierten Nougataufstrich verfeinerten und verbesserten. 1964 war sie dann marktreif, mit neuer Rezeptur und neuem Namen: Nutella. Mit ihr wollte Michele Ferrero nicht bloß Italien, sondern die ganze Welt erobern, deshalb der Name, in dem das englische „Nut“ (Nuss) steckt.
Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ging die Rechnung umgehend auf: Dort machte die süße Creme seit Mitte der sechziger Jahre Millionen Menschen froh, auch wenn bis heute keiner weiß, was eigentlich der richtige Artikel ist: „die“, „das“ oder gar „der“ Nutella. Der Duden erlaubt alle drei, die Firma selbst lässt wissen, es sei ein Fantasiewort, das in der Regel „ohne Artikel verwendet wird“, ansonsten gelte, dass es „jedem selbst überlassen“ bleibe.
Rivella hatte als Chefentwickler zu diesem Erfolg entscheidend beigetragen, nicht umsonst blieb er immer bei Ferrero, von 1973 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1993 als Vizedirektor der chemischen Grundlagenforschung, als Freund auch des Patrons Michele Ferrero. Mit ihm war, wie das Buch „Mondo Nutella“ berichtet, Rivella oft auch auf Reisen quer durch Europa. „Sie kauften Schokolädchen, Cremes, Schokotafeln, süße Snacks, nicht um sie nachzuahmen, sondern um sie selbst besser zu machen. Sie wollten aus Ersatzstoffen aussteigen und den Kakao selbst rösten“.
Doch im Scheinwerferlicht stand Rivella nie, ganz anders als Schöpfungen wie „Ferrero Rocher“, an denen er auch mitwirkte. Über sein Privatleben ist so auch nicht viel bekannt, außer dass er vier Kinder und sieben Enkel hatte. Er war eng befreundet mit dem Auschwitz-Überlebenden und weltberühmten Schriftsteller Primo Levi, ebenfalls ein studierter Chemiker. Außerdem begeisterte Rivella sich für Faustball und befasste sich auch nach seiner Verrentung weiter intensiv mit Trockenobst aller Sorten.
Wie jetzt bekannt wurde, starb Rivella am 14. Februar im Alter von 97 Jahren – auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Firmenpatriarchen Michele Ferrero.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung stand, dass Ferrero 400 Millionen Tonnen Nutella in 770 Millionen Gläsern im Jahr produziert. Unzählige Nutella-Fans haben uns drauf hingewiesen, dass das nicht stimmen könne. Richtig ist rund 400.000 Tonnen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden