Die Wahrheit: Nutella für alle allealle

Ist Nutella lecker? Was für ein Kopfkino aber auch, wenn einem im Supermarkt die neueste Masche des Nussnougat-Riesen begegnet …

Saßen Sie früher, ganz früher, als Sie ganz klein waren, auch des Öfteren in einem Ställchen? Ich behaupte, mich zu erinnern an ein wohliges Gefühl des Nichtgefordertwerdens, des eingehegten Abhängens, des herrlich infantilen Nichtstuns, des sinnlosen Puppe-A-nach-Klötzchen-B-Schiebens. Ohne großartige Kommentare von helikopternden Artverwandten, denn die hatten anderes zu tun, nicht selten ging es dabei um materielle Familiengrundsicherung.

Das Ställchen also, in der heutigen aufgeklärten bis überstrapazierten und mehr als gestressten Erziehungswelt ein formidables No-go. Damals, so geht die Familienställchensaga bei uns, damals soll ich in meiner analen jungschen Hochphase einst beschlossen haben, die hölzernen Einfriedungsstäbchen des streng quadratischen Ställchens mit schmierigen persönlichen Exkrementen, auch Scheiße genannt, gekonnt zu verzieren.

An diese Kacka-Chose wurde ich assoziativ abrupt erinnert, als ich jüngst eine nigelnagelneue Palette voller „750g-Städteliebe-Aktionsgläser“ von Nutella im Discounter meines Misstrauens entdeckte. „Deutschland ist reich an schönen Plätzen. Plätze, an denen wir zuhause sind, wo wir uns wohlfühlen und uns inspirieren lassen. Plätze, die uns immer wieder aufs Neue faszinieren“, heißt es vollmundig in der Aktionswerbung dazu.

Kacke, Scheiße, Pisse! Ich fühlte mich also auf der Stelle und noch im Discounter an mein einstiges Ställchen, ich glaube, es war in Nussbaumfurnier gehalten, gemahnt. „Entdecke deine Stadt, deinen Kiez durch die Augen von Nutella“, so oder so ähnlich verkündet mir im weiteren Verlauf das Nutella-Mutterhaus Ferrero dieser Tage seine schmierig-süße Offenbarungsgeschichte.

Kacken stammt etymologisch vom lateinischen cacare ab. Im alten Rom soll es dafür öffentliche Latrinen gegeben haben, so wusste es meine muffige Lateinfibel. Voll cacaristisch drauf, sehe ich mich nun bewaffnet mit braunen Häufchen alias Nutella durch Großberlin laufen, noch schlimmer mit Durchfall alias Nutella durch meinen Kiez, der da ist Neukölln, streunen.

Die sogenannte Heimat durch die verkackten Augen von Nutella erleben, durchleben, erleiden, das ist nicht lecker, das ist unschön, keine appetitliche Vorstellung. Da hilft nur noch im weiteren Verlauf groß- und kleinflächig Nutella überall hinzustreichen, hinzuschmieren, ja, das könnte schnafte funktio­nieren, das kenne ich noch aus meiner Ställchenzeit.

Denn dann, und nur dann, wird durch ganz Deutschland, das ja so reich ist an schönen Plätzen, und gesegnet ist mit Orten, an denen wir uns cacaristisch inspirieren lassen dürfen oder gar müssen, nur dann wird an Plätzen, an denen wir zuhause sind und die dann völlig verschissen und verkackt durch jene überall hinverteilte Nussnougatcreme sind, also nur dann wird einst durch alle Fluren und Auen hierzulande die Losung hallen: Nutella für alle ist allealle! Oder noch kürzer und verkackter: Going nuts? Going Nutella!

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Seit 2013 bei der taz-Wahrheit, zeitweise auch Themenchefin in der Regie und Redaktionsrätin. Außerdem Autorin mit Schwerpunkt Frankreich-Themen

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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