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Nachruf auf Herbert AchternbuschDas bayerische Gespenst

Zu seiner bayerischen Heimat pflegte Herbert Achternbusch zeitlebens eine Hassliebe. Nun ist der Filmemacher und Grantler gestorben.

Bekannt für seine skurrilen Filme: Herbert Achternbusch in „Ab nach Tibet“, 1994 Foto: Unitede Archives/TBM/imago

München dpa/taz | „In Bayern mag ich nicht mal gestorben sein“, schrieb Herbert Achternbusch 1977 in einem seiner Bücher. Mit dem Freistaat verband den Filmemacher, Schriftsteller, Maler und Schauspieler zeitlebens eine Hassliebe. Und doch gibt es gerade auch viele Bayern, die froh sind, dass, wenn man an Bayern denkt, eben auch an Achternbusch denkt. Und jetzt ist er halt doch im Alter von 83 Jahren in Bayern gestorben.

Achternbusch kam als unehelicher Sohn einer Sportlehrerin und eines Zahntechnikers in München zur Welt und wuchs im Bayerischen Wald auf. Nach dem Abitur in Cham studierte er an den Kunstakademien in München und Nürnberg und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bevor er mit dem Schreiben begann.

Schon mit seinem ersten Roman „Alexanderschlacht“ sicherte er sich einen festen Platz in der Literatur-Avantgarde der siebziger und achtziger Jahre. Mit seinen in rascher Folge entstandenen Theaterstücken errang er zweimal den Mülheimer Dramatikerpreis. Sein Zwei-Personen-Stück „Gust“ (1986) mit Sepp Bierbichler als aus der Zeit gefallenem Bauern, der im Begriff ist, seine Frau zu verlieren, lief jahrelang erfolgreich an den Münchner Kammerspielen. 2017 wurde am Münchner Volkstheater „Dogtown Munich“ uraufgeführt, abermals ein Bekenntnis zu seiner Heimatstadt und vielleicht so etwas wie ein Vermächtnis.

Doch bekannt ist er vor allem für seine skurrilen Filme wie „Andechser Gefühl“, „Servus Bayern“ oder „Das Gespenst“. Schon in den 70er Jahren kam Achternbusch in Kontakt zur Szene der deutschen Autorenfilmer um Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta. Seine oft mit geringem Aufwand gedrehten Filme nahmen regelmäßig die so unangepasst-subversive wie obrigkeitshörige und bigotte bayerische Volksseele aufs Korn. In „Der Depp“ (1983) ließ er seinen Lieblingsfeind Franz Josef Strauß vergiften, im halbdokumentarischen „Bierkampf“ rechnet er mit einem bayerischen Heiligtum ab: dem Oktoberfest.

„Du hast keine Chance, aber nutze sie“

Als er in „Das Gespenst“ Jesus Christus vom Kreuz herabsteigen lässt, um mit Maria eine Kneipe zu eröffnen, war für den damaligen CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann das Maß voll. Er verweigerte dem unbotmäßigen Regisseur die Auszahlung der letzten Förderrate, weil dieser das „religiöse Empfinden großer Teile der Bevölkerung“ verletzt habe. Längere Zeit bekam Achternbusch daraufhin im Fernsehen kein Bein mehr auf den Boden.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Zu seinem 80. Geburtstag hatte ihm das Münchner Filmmuseum eine Hommage mit acht seiner Spielfilme sowie einem Filmporträt gewidmet. Und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte Achternbusch nach seinem Tod als bayerischen „Heimatkünstler im allerbesten Sinne“. Nicht nur seine Filme und Theaterstücke, Bücher und Bilder würden bleiben, „sondern auch seine Sponti-Sprüche, von denen manche fest in den deutschen Sprachschatz übergangen sind: „Du hast keine Chance, aber nutze sie.““

Das war so etwas wie sein Lebensmotto. Einer seiner lustigsten Filme heißt „Die Atlantikschwimmer“ und zeigt zwei ziemlich normal gebaute Männer, nur mit Badehose und lächerlichen Schwimmbrillen bekleidet, wie sie in den oberbayerischen Walchensee hüpfen, um von dort aus Amerika zu erreichen.

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4 Kommentare

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  • In Herbert Achternbusch Theaterstück "Das letzte Loch" (1981) lässt er die Hauptfigur Versuch wagen, Erinnerungen, Gedenken an sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden zu ertränken, indem er sich unerbittlich vornimmt, für jeden ermordeten Juden ums eigene Verrecken bis ins Koma einen Schnaps zu trinken. Weil er mit seinem Verhaben scheitert, stürzt sich der Mann bei einem Italien Urlaub in den puliserenden Stromboli Vulkan, lebend zu Asche zu verglühen.



    Welch ein Gleichnis, welch eine Metapher unsäglicher Vorhabens, unsäglichen Scheiterns stellvertretend für seine Generation der Kriegs-, Nachkriegskinder ab sog 67er/68er Jahrgänge 1938 Hüben und Drüben im Kalten Krieg 1948-89 im Nachkriegseuropa, in Bayern im Verstummen, Verschwinden, angesichts alltäglich elektrisch aufblitzend spürbaren Gespenstern mentalen Stolpersteinen Dunkeldeutschlands, Dunkeleuropas, Dunkelabendlandes und andernorts über 1941-45 deutschbesetzte Gebiete Europas hinaus bis nach Spanien, Kolonie Marokko, Vichy Regime Kolonien Tunesien, Algerien mit seinen willig kollaborierenden Holocaust Vollstreckern*nnen in Ämtern, Polizei, Militär, Justiz, Finanzen, Logistik, Wirtschaft eben auch in Bayern zu entrinnen.



    Einer/e, wie Du und ich ist gegangen, einfach so? Hoffentlich Ja und nicht nach langer Krankheit, dass Herbert Achternbusch nicht einmal das Heimgehen, Verschinden leicht erleben durfte, ich bin nicht weg, nur woanders, bergraben mit dem skurril sinnigen Grabspruch

    "Hier liegen meine Gebeine,



    ich wünschte, es wären deine"

  • Herbert Achternbusch hat auch festgestellt, dass es in Bayern 60% Anarchisten gibt, die alle CSU wählen.



    Diese Anarchisten können auch anders!

    R.I.P.

  • Gute Reise Herbert Achternbusch!

    Wer sammelt jetzt als Jesus mit Schnapsglas in der Hand in der Fußgängerzone Scheiße für die Polizei?

    Eine Sammlung seiner Theaterstücke heißt: "Es ist ein leichtes, beim Gehen den Boden zu berühren."

    Das ist fein gesagt, er war ja auch ein feiner Mensch.

    • @Jim Hawkins:

      Danke. Anschließe mich •