Nachruf auf Charles Pasqua: Ein Gaullist bis auf die Knochen
Charles Pasqua, Frankreichs früherer Innenminister und der letzte große Pate der Afrika-Netzwerke, ist im Alter von 88 Jahren gestorben.
Aber Pasquas politisches Selbstverständnis war vielschichtiger. Es entstand mit der Waffe, im Zweiten Weltkrieg an der Seite der französischen Résistance. „Mein politisches Leben begann unter General de Gaulle und ich vergesse nicht, dass sich die Republik des freien Frankreichs in Afrika befand“, sagte er vor wenigen Jahren in einem Interview.
Sein Leben lang verkörperte Pasqua das gaullistische Staatsverständnis in Frankreich. Danach steht zwar der Staat über allem, und notfalls muss man ihn außerhalb der Legalität gegen den inneren Feind verteidigen. Auf die ehemaligen französischen Kolonien in Afrika nach der Unabhängigkeit übertragen, sollte dieses Staatsverständnis verheerende Auswirkungen haben.
Zunächst fand es seinen Ausdruck in Frankreich, bei der von Pasqua mitverantworteten Gründung der gaullistischen Miliz „Service d’Action Publique“ (SAC). Die trieb ab 1959 als nicht rechenschaftspflichtige parallele Polizeitruppe in der Schlussphase des Algerienkrieges ihr Unwesen und half 1968, die 68er-Bewegung zu zerschlagen. Später hievte sich Pasqua an die Spitze der außerhalb öffentlicher Kontrolle agierenden Afrika-Netzwerke der französischen Politik, die als „Francafrique“ berühmt wurden.
Afrikanische Staaten als rechtsfreier Raum
Das Francafrique-Prinzip, bei dem Gaullisten wie Sozialisten mitspielten, hieß: afrikanische Staaten als rechtsfreien Raum nutzen. Zusammen mit befreundeten afrikanischen Präsidenten, insbesondere im atlantischen Ölgürtel von Kamerun über Gabun nach Kongo-Brazzaville, wurden Gelder hin- und hergeschoben, auf obskure Deals fette Provisionen abgeschöpft und damit Kontakte gepflegt, Waffen gekauft, Sicherheitsapparate unterhalten und Politiker und Parteien finanziert – in Afrika und auch in Frankreich.
Als langjähriger Präsident des Départements Hauts-de-Seine bei Paris sorgte Pasqua jahrelang dafür, dass 1 Prozent des Département-Haushalts als „dezentrale Entwicklungshilfe“ über die von ihm gegründete Firma „Coopération 92“ nach Afrika floss. Lieblingsempfänger waren Regierungen wie die von Gabuns Altpräsident Omar Bongo, die eigentlich genug Geld hatten und die mit Pasquas Überweisungen gemeinsame Freunde beglückten.
„Coopération 92“ wurde 2008 nach Pasquas Rückzug aus der Politik abgewickelt. Auch ein anderes von Pasqua gern genutztes Mittel funktioniert heute, in Zeiten des globalen Drucks für mehr Transparenz in der Finanzwelt, nicht mehr so gut: der Aufbau von Wettbüros und Kasinos in Afrika, über die große Mengen Gelder gewaschen werden konnten.
Solche Einrichtungen betrieben auch Angehörige der korsischen Mafia. Der neueste afrikanische Präsident, dem eine verdächtig enge Freundschaft zu einem solchen Korsen nachgesagt wurde, ist der 2013 in Mali gewählte Ibrahim Boubacar Keita – sein Land ist der derzeitige Haupteinsatzort des französischen Militärs in Afrika.
Francafrique als Geschäftsmodell gilt heute als tot. Dafür sorgte unter anderem die Privatisierung des staatlichen französischen Ölkonzerns Elf ab 1994 und die darauffolgenden spektakulären Afrika-Korruptionsprozesse in Frankreich. Ab dann führte Pasqua nur noch Rückzugsgefechte, vor allem vor Gericht.
Die Ära der „Paten“ in der französischen Politik, zu denen Pasqua zweifellos zählte, ist ohnehin vorbei. Bei jeder Neugründung gaullistischer Parteien in Frankreich war Pasqua beteiligt. Noch Ende Mai saß Pasqua in der ersten Reihe, als Nicolas Sarkozy, Pasquas politischer Ziehsohn erst in Hauts-de-Seine und dann in Frankreich insgesamt, die Republikaner als neueste Version des französischen Gaullismus aus der Taufe hob. Es sollte sein letzter Auftritt werden. Am Montagabend ist Charles Pasqua im Alter von 88 Jahren gestorben.
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