Nachrichten in der Coronapandemie: Erstmals über 300.000 Neuinfektionen

Wieder ein Höchstwert: Erstmals in der Pandemie sind binnen eines Tages mehr als 300.000 neue Infektionen an das Robert Koch-Institut übermittelt worden.

Zwei Coronaschnelltests nebeneinander

Positiv? Negativ? Immer mehr Menschen sehen den zweiten Strich in diesen Tagen Foto: Sebastian Gollnow

Heimbewohner hatten nach coronabedingter Klinikweinweisung hohes Sterberisiko

Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen haben nach einer coronabedingten Krankenhausweinweisung ein Sterberisiko von über 50 Prozent gehabt. Im Durchschnitt starben 58 Prozent der Eingelieferten innerhalb von 90 Tagen, wie eine am Donnerstag veröffentliche gemeinsame Auswertung des Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Berliner Charité und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK ergab. Das Sterberisiko war demnach innerhalb der zweiten Infektionswelle mit 59 Prozent am höchsten.

In der ersten und dritten Welle lag es mit 53 Prozent beziehungsweise 52 Prozent etwas niedriger. Ursächlich für diese Unterschiede könnten den Studienautoren zufolge die verschiedenen Krankenhaus-Aufnahmewahrscheinlichkeiten in den einzelnen Wellen gewesen sein. Für die Analyse wurden die Abrechnungsdaten von mehr als 440.000 AOK-versicherten Pflegebedürftigen ab 60 Jahren ausgewertet.

Ein besonders hohes Sterberisiko hatten laut Auswertung Bewohnerinnen und Bewohner mit Niereninsuffizienz, Demenz, Blutkrebserkrankungen, immunsuppressiven Therapien und vorausgegangener Organtransplantation. Zudem war das Sterberisiko bei Männern größer als bei Frauen.

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Da Pflegeheimbewohner am Ende ihres Lebens stehen und im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ohnehin ein erhöhtes Sterberisiko aufweisen, verglichen die Wissenschaftler die Gruppe der Eingelieferten mit Stichproben aus Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern ohne coronabedingten Krankenhausaufenthalt. Bei diesen lag die Rate der Verstorbenen demnach unter zehn Prozent.

„Die Pandemie hat viele Verliererinnen und Verlierer“, teilte die Charité-Projektleiterin Adelheid Kuhlmey mit. Die Auswertung belege erneut, dass zu ihnen insbesondere die Alten und Pflegebedürftigen in den Heimen zählten. Das sei „ein ethischer Auftrag“, aus den Ergebnissen seien Lehren für die zukünftige Ausgestaltung der Versorgung in den Pflegeeinrichtungen zu ziehen.

„Die Infektion bei den Hochbetagten möglichst zu verhindern, ist die beste Chance, Leben zu retten“, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, zu der Auswertung. Immer wieder werde bei Berichten über Sterbefälle in Heimen nachgeschoben, dass die Menschen hochbetagt und „multimorbid“ gewesen seien.

Damit räume die Studie auf. Denn erst die Infektion steigere bei Pflegebedürftigen das Sterberisiko signifikant. „Diese Fakten zeigen das Versagen der deutschen Corona-Politik mehr als deutlich“, erklärte Brysch. Konsequente Maßnahmen könnten „das verheerende Sterben“ eindämmen. (afp)

Lauterbach wirbt weiter für Corona-Impfpflicht

Trotz herrlichen Frühlingswetters steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland auf immer neue Rekordwerte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht nur eine Möglichkeit, die Pandemie zu beenden: eine allgemeine Impfpflicht, für die er am Donnerstag eindringlich im Bundestag warb. Sonst drohten im Herbst erneut Corona-Beschränkungen und Schließungen, warnte er.

Das Robert-Koch-Institut meldete am Donnerstag erstmals über 300.000 Neuinfektionen an einem Tag. Binnen 24 Stunden wurden demnach 300 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert.

„Das ist keine Situation die wir akzeptieren können“, sagte Lauterbach dazu im Bundestag. Er forderte dabei die Länder auf, die noch möglichen Beschränkungen im neuen Infektionsschutzgesetz auch zu nutzen.

Das überarbeitete Gesetz sieht nur noch Basisschutzmaßnahmen wie eine Maskenpflicht in medizinischen und Pflege-Einrichtungen sowie im öffentlichen Nahverkehr vor. Die Länder haben aber die Möglichkeit, über gesonderte Beschlüsse in „Hotspots“ schärfere Maßnahmen zu verhängen. Lauterbach ging allerdings nicht auf die Länder-Kritik ein, dass diese Möglichkeit kaum umsetzbar sei.

Den eigentlichen Hebel sieht der Minister in der von ihm angestrebten Corona-Impfpflicht für alle ab 18 Jahren. „Beenden wir die Pandemie in diesem Jahr“, sagte er bei der Debatte des Gesundheitsetats im Bundestag. „Wir sollten diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“

Sonst werde im Herbst erneut die Debatte über Corona-Schutzmaßnahmen beginnen: „Reicht das Infektionsschutzgesetz aus? (…) Was müssen wir schließen? Müssen die Kinder Masken tragen?“, sagte Lauterbach. „Der einzige zuverlässige Weg aus der Pandemie heraus ist die allgemeine Impfpflicht.“

Lauterbach appellierte ausdrücklich an CDU und CSU, dieser zuzustimmen. Der eigene Vorschlag der Unionsfraktion für ein Impfvorsorgegesetz, das erst später einen Beschluss über eine mögliche Impfpflicht vorsieht, reiche nicht. „Wenn wir zu spät beginnen mit der Impfpflicht, dann haben wir die Impfpflicht erst durchgezogen für das nächste Frühjahr. Das wäre zu spät.“

Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge kritisierte, dass Lauterbach seine Redezeit in der Haushaltsdebatte praktisch ausschließlich für das Werben für die Impfpflicht nutzte. „Das zeigt mir wieder mal mehr, dass offensichtlich eine sehr hohe Nervosität bei ihnen herrscht“, sagte er. Die allgemeine Impfpflicht „hat in diesem Haus keine Mehrheit“.

Die Ampel-Koalition hat keinen eigenen Vorschlag für die allgemeine Impfpflicht vorgelegt. Grund ist Widerstand aus der FDP. Die Abgeordneten sollen im April über sogenannte Gruppenanträge aus dem Parlament befinden, ohne dem Fraktionszwang unterworfen zu sein.

Lauterbach forderte angesichts der Rekordinfektionszahlen auch alle Ungeimpften auf, sich wenigsten einmal impfen zu lassen. Schon dies reduziere deutlich das Risiko, „intensivmedizinisch versorgt zu werden oder sogar zu sterben“, betonte der Minister. „Ein großer Teil der 300 Menschen, die jetzt pro Tag versterben, sind Ungeimpfte.“

Der Minister warnte auch vor den langfristigen „Kosten“ durch Long Covid, also noch lange nach der Infektion auftretenden Symptomen wie Erschöpfungszuständen. „Long Covid wird zu den wichtigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland gehören“, sagte Lauterbach. Und dies gelte „insbesondere auch bei denjenigen der mittleren Lebensphase.“ (afp)

Innenministerin Faeser: Stärkung des Katastrophenschutzes wichtig

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine Stärkung des Katastrophenschutzes zugesichert. Es sei ihr sehr wichtig, dem Bevölkerungs- und Zivilschutz mehr Unterstützung zukommen zu lassen, sagte sie am Donnerstag bei einem Besuch einer großen Notunterkunft für ukrainische Flüchtlinge auf dem früheren Berliner Flughafen Tegel. „Wir sehen, dass die Krisenlagen zugenommen haben: erst die Corona-Pandemie, dann das Hochwasser im Ahrtal und jetzt Flüchtlinge, die versorgt werden müssen.“

Faeser dankte besonders den Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), dem Technischen Hilfswerk (THW) und den ehrenamtlichen Helfern und lobte die Notunterkunft für 1000 Flüchtlinge, die mit eigener Strom-, Wasser- und Essensversorgung sowie einer mobilen Arztpraxis ausgestattet sei. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU komme voran – seit zwei Tagen gebe es direkte Züge von Ankunftsstellen in Polen und Deutschland nach Frankreich in die Städte Bordeaux, Lyon und Dijon. Man müsse die Menschen aber überzeugen, auch in andere Gebiete zu ziehen als nur in deutsche Großstädte.

Die Innenministerin versprach erneut Schutz für ankommende Flüchtlinge durch starke Polizeipräsenz an Bahnhöfen, „damit Menschenhandel und Zwangsprostitution keine Chance haben“. Gleichzeitig sei es nötig, die Einreisenden durch die Bundespolizei zu kontrollieren und später auch Fingerabdrücke zu registrieren. Dafür gebe es zusätzliche Unterstützung für die Ausländerbehörden.

DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt und ihr Generalsekretär Christian Reuter forderten eine „Zeitenwende“ im zivilen Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz. Die Sicherheit der Menschen in Deutschland in Krisensituationen dürfe „nicht vernachlässigt oder gar vergessen“ werden, sagte Hasselfeldt. Es gehe nicht nur um die Unterbringung von Flüchtlingen, sondern um eine Neuaufstellung des Bevölkerungsschutzes angesichts vieler Krisen- und Notlagen. Reuter wiederholte eine kürzliche Forderung nach einer Erhöhung der Ausgaben für den zivilen Bevölkerungsschutz von derzeit 700 Millionen auf zwei Milliarden Euro im Jahr. (dpa)

Wieder neuer Höchstwert

Die Coronazahlen steigen auf neue Höchstwerte: Das Robert-Koch-Institut (RKI) verzeichnete am Donnerstag erstmals mehr als 300.000 Neuinfektionen. Binnen 24 Stunden wurden 318.387 positive Coronatests gemeldet. Das sind 23.456 mehr als am Donnerstag vor einer Woche, als 294.931 Neuinfektionen verzeichnet wurden.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 1.752,0 von 1.734,2 am Vortag. Das ist ebenfalls ein neuer Höchstwert. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich je 100.000 innerhalb einer Woche nachweislich mit dem Virus angesteckt haben. Die höchste Inzidenz weist Mecklenburg-Vorpommern mit 2.422,5 auf. Weitere 300 Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Seit Beginn der Pandemie wurden damit 127.822 Coronatote registriert. Die Zahl der In­ten­siv­pa­ti­en­t*in­nen in Krankenhäuser lag am Mittwoch bei 2.296.

Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten ungeachtet der Kritik aus den Reihen der 16 Bundesländer ein abgespecktes Infektionsschutzgesetz beschlossen, das die rechtlich möglichen Coronamaßnahmen der Länder trotz steigender Infektionszahlen in Deutschland und vielen EU-Nachbarländern deutlich beschränkt. Begründung ist, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems derzeit nicht drohe.

Die Länder behalten die bisherigen Regeln angesichts der hohen Infektionszahlen aber bis zum Ende der erlaubten Übergangszeit Anfang April bei. Niedersachsen und Hamburg beispielsweise wollen eine Maskenpflicht auch danach anordnen. Weitergehende Schutzmaßnahmen sollen nach dem Willen der Ampel-Koalition nur noch in sogenannten Hotspots mit hohen Infektionszahlen möglich sein, wenn dort gleichzeitig das Gesundheitssystem überlastet ist. Die Länder halten die Regeln für nicht praktikabel.

Weltweit haben sich mehr als 473,4 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus angesteckt. Das ergibt eine Reuters-Zählung auf Basis offizieller Daten. Mehr als 6,47 Millionen Menschen starben mit oder an dem Virus, seit dieses im Dezember 2019 erstmals im chinesischen Wuhan nachgewiesen wurde. Die Dunkelziffern dürften Ex­per­t*in­nen zufolge aber weitaus höher sein. Die höchsten Zahlen weltweit weisen die USA auf. Dort starben bislang fast 979.000 Menschen in Zusammenhang mit dem Virus, rund 79,9 Millionen Ansteckungsfälle wurden registriert. (rtr)

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