piwik no script img

+++Nachrichten im Nahost-Krieg+++Prekäre Waffenruhe

Trotz Waffenruhe sagt das israelische Militär, es habe „Terroristen“ getötet. Hunderte fliehen aus dem Norden des Gazastreifens.

Warten oder sofort zurück nach Hause? Vor dieser Frage stehen viele aus dem Süden des Libanons geflohene Familien Foto: ap, dpa

afp ap dpa | Israels Armee warnt die Hisbollah-Miliz im Libanon energisch vor Verstößen gegen die Waffenruhe. Israelische Soldaten hätten im Süden des Libanons am ersten Tag nach Inkrafttreten der Feuerpause Verdächtige festgenommen, die sich Sperrgebieten mit weiterhin dort stationierten israelischen Truppen genähert hätten, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Abend. Zudem seien mehrere „Terroristen“ getötet worden.

Die Anwesenheit Bewaffneter dort stelle einen Verstoß gegen das Abkommen dar. „Jede Verletzung der Waffenruhe wird mit Feuer beantwortet“, warnte der Armeesprecher. Jeder Bewaffnete werde „neutralisiert“ oder festgenommen. Libanesische Zivilisten forderte der Armeesprecher zudem erneut auf, mit ihrer Rückkehr in die Gegend noch zu warten. (dpa)

Skepsis nach Beginn der Waffenruhe

Die Einigung über eine Waffenruhe sieht vor, dass sich die Hisbollah gemäß einer UN-Resolution hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Unklar bleibt aber, wer darüber entscheidet, ob es sich bei Rückkehrern in südlichere Gebiete um Kämpfer der Hisbollah, Sympathisanten oder Zivilisten handelt. Israels Bodentruppen sollen innerhalb von 60 Tagen schrittweise aus dem Libanon abziehen.

Eine Absicherung im Süden soll künftig die vergleichsweise schwache libanesische Armee sein, deren Kontingent von 5.000 auf 10.000 Soldaten im Grenzgebiet aufgestockt werden soll. Sie scheiterte aber schon nach dem vergangenen Krieg 2006 daran, Vereinbarungen zum Ende der Feindseligkeiten durchzusetzen. Daher gibt es auch diesmal Zweifel an ihrer Durchsetzungskraft.

Vor Inkrafttreten des Abkommens in der Nacht auf Mittwoch habe Israels Armee rund 180 Stellungen der Hisbollah angegriffen, sagte Armeesprecher Hagari. Darunter sei eine rund anderthalb Kilometer lange, unterirdische Anlage zur Raketenherstellung. Nach Angaben der israelischen Armee soll es sich dabei um die größte Anlage zur Herstellung von Präzisionsraketen der proiranischen Schiiten-Miliz gehandelt haben. (dpa)

Israels Armee geht weiter in Gaza vor

Auch wenn es bis zu einem sicheren und langfristigen Kriegsende noch ein weiter Weg ist, atmen im Libanon wie auch in Israel viele Menschen auf, dass der schwere Beschuss und die Bombardierungen vorerst ein Ende haben. Für die palästinensischen Zivilisten im umkämpften Gazastreifen zeichnet sich dagegen weiterhin kein Ende des Leidens ab. Dort geht Israels Armee weiter gegen die islamistische Hamas vor.

Medizinische Kreise sowie palästinensische Medien meldeten weitere Todesopfer bei israelischen Angriffen in der Stadt Gaza sowie in der Stadt Beit Lahia. Die israelische Armee gab bekannt, sie werde ihre Einsätze in Beit Lahia sowie in Dschabalia im Norden des Küstengebiets fortsetzen.

Geisel-Angehörige fordern Gaza-Deal

Die Hamas hat noch immer rund 100 Geiseln in ihrer Gewalt, die nach dem Terrorüberfall auf Israel am 7. Oktober 2023 aus Israel in den Gazastreifen entführt wurden. „Wir sind entschlossen, sie nach Hause zu bringen“, sagte Hagari. Schätzungen zufolge dürfte nur etwa die Hälfte der Entführten noch am Leben sein.

Angehörige der Geiseln blockierten am Mittwoch israelischen Medienberichten zufolge vorübergehend den Eingang zum Parlamentsbüro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Sie fordern, dass er so wie mit der Hisbollah im Libanon nun auch einen Deal mit der Hamas eingeht. „Wenn Sie wollen, können Sie. Bitte, wir flehen Sie von ganzem Herzen an“, wurde ein Angehöriger zitiert. Kritiker werfen Netanjahu vor, die Geiseln faktisch aufgegeben zu haben.

Aus ägyptischen Sicherheitskreisen hieß es, die USA seien in Kontakt mit Ägypten, der Türkei und Katar, um eine Einigung auf ein Ende des Gaza-Kriegs herbeizuführen. Die Hamas bekräftigte zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft für ein Ende der Kämpfe. Ein Vertreter der Islamisten sagte der Deutschen Presse-Agentur aber auch, sie bestünden auf ihren Bedingungen für eine Waffenruhe.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das Oktober-Massaker der Hamas und anderer terroristischer Gruppen, bei dem sie rund 1.200 Menschen getötet und rund 250 als Geiseln nach Gaza verschleppt hatten. Kurz darauf begann Israel eine Bodenoffensive zur Vernichtung der Hamas. Seither sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Behörden im Gazastreifen mehr als 44.200 Menschen getötet worden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich kaum überprüfen. (dpa)

Hamas besteht auf ihren Bedingungen

Man respektiere die Entscheidung der Hisbollah, aber das palästinensische Volk sei trotz des Leidens im Gazastreifen nicht bereit, seinen Widerstand gegen Israel aufzugeben, sagte der Hamas-Vertreter der dpa. Seit Beginn des Gaza-Kriegs sind die Bedingungen der Terrororganisation unverändert: Sie fordert unter anderem im Gegenzug für eine Freilassung der israelischen Geiseln eine umfangreiche Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen und einen vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus Gaza. Israel will seine Truppen jedoch in strategischen Positionen in dem abgeriegelten Gebiet belassen. (dpa)

Erste Stellungnahme der Hisbollah

Nach Inkrafttreten einer Waffenruhe mit Israel hat sich die militant-islamistische Hisbollah im Libanon als Siegerin der vorangegangenen Kämpfe dargestellt. Die Hisbollah habe sich entschlossen gegen die israelische Bodenoffensive verteidigt und ihre Kämpfer seien nach diesem „Sieg“ bereit, auf jegliche künftige Angriffe Israels wieder ebenso zu reagieren, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung der Hisbollah. „Sie haben die Hand am Abzug, um die Souveränität des Libanons zu verteidigen.“

Es war die erste öffentliche Stellungnahme der Hisbollah seit Inkrafttreten der Waffenruhe in der Nacht zum Mittwoch.

Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari betonte am Mittwochabend ebenfalls die Erfolge der Streitkräfte des Landes in den vergangenen Wochen und Monaten. Die Hisbollah-Führung sei eliminiert und die Fähigkeit der Gruppe, Raketen und Drohnen auf Israel abzufeuern, empfindlich geschwächt worden, sagte Hagari in einer Videobotschaft. Auch Israel bereite sich auf die Möglichkeit vor, den Kampf wieder aufzunehmen. In den fast 14 Monaten seit Kriegsbeginn habe Israel 12 500 Ziele im Libanon angegriffen, rund 360 davon in Dahija im Süden Beiruts, wo die Hisbollah ihre Hochburgen hat. (ap)

Flucht aus Norden des Gazastreifens

Hunderte Palästinenser sind am Mittwoch aus dem Norden des Gazastreifens geflohen. Viele zwängten sich auf Eselskarren oder gingen zu Fuß und hielten Kinder an den Händen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachteten. „Wir sind losgezogen, jetzt sitzen wir hier ohne Dach über dem Kopf oder Essen und wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen“, sagte Umm Saleh al-Adham, die aus der Stadt Beit Lahia geflohen war.

Am Mittwochmorgen war eine Waffenruhe zwischen Israel und der militant-islamistischen Hisbollah im Libanon im Kraft getreten, im Gazastreifen gingen die Kämpfe aber weiter. Unter anderem kamen nach palästinensischen Angaben bei zwei Angriffen auf als Notunterkünfte genutzte Schulen in der Stadt Gaza elf Menschen ums Leben, darunter vier Kinder. Das israelische Militär teilte mit, es habe zudem in einer Schule im Norden des Gazastreifens gegen Extremisten der Hamas gekämpft und die Evakuierung von Tausenden Zivilisten ermöglicht. Dutzende mutmaßliche Extremisten seien festgenommen worden.

Umm Saleh al-Adham sagte der AP, im Norden des Gazastreifens seien Frauen und Kinder von den Männern getrennt worden, bevor ihnen erlaubt worden sei, weiter in Richtung der Stadt Gaza zu reisen.

Die israelischen Streitkräfte haben die palästinensische Bevölkerung aufgerufen, Gebiete wie Beit Lahia, Beit Hanun und Dschabalia zu verlassen, und so gut wie keine humanitäre Hilfe dorthin durchgelassen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen halten sich dort immer noch rund 75 000 Menschen auf. (ap)

Drohne aus Ägypten abgeschossen

Eine mit Waffen beladene Drohne ist nach Angaben des israelischen Militärs in den Luftraum Israels eingedrungen und abgeschossen worden. Vier Gewehre, fünf Magazine und Hunderte Patronen seien am Mittwoch mit der Drohne von Ägypten aus transportiert worden, teilte das Militär mit. Für wen die Waffen gedacht waren oder andere Details wurden nicht genannt.

Israel warf der Hamas lange vor, Waffen durch Tunnel von Ägypten in den Gazastreifen zu schmuggeln. Im Mai besetzten israelische Truppen die Grenze in Rafah. (ap)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!