Nachnutzung von Tagebauflächen: RWE kann Kasse machen
Das Land NRW und RWE gründen eine gemeinsame Gesellschaft zur Landvermarktung. Umweltschützer kritisieren Intransparenz.
Geschäftsführer des Joint Ventures sind in Eintracht ein RWE-Mann und ein leitender Landesfunktionär. Ziel ist die Nachnutzung und Vermarktung von zunächst 200 Hektar Fläche nahe den Kraftwerk-Dörfern Neurath und Niederaußem sowie Niederzier am Hambacher Restwald.
Ort der Vertragsunterzeichnung am Montagmorgen: Schloss Paffendorf bei Bergheim, eine edle Residenz aus dem 13. Jahrhundert. 1958 hatten die Kohlegräber, kaum dass ihre Bagger sich Schlosspark und Wassergraben näherten, der Hausherrin Marietta Freifrau von dem Bongart die Anlage abgekauft. Seit 1976 ist das Schloss PR- und Veranstaltungszentrum von RWE und jetzt auch Sitz der neuen PSW-Gesellschaft.
Es geht um Industrieansiedlung auf den Flächen, die RWE weiter gehören, die das Unternehmen aber jetzt nicht mehr braucht. RWE kann also saftig nachverdienen, nennt das nur anders: „Die Liegenschaftspower bringen wir gerne ein“, sagt Mitgeschäftsführer der PSW, Erik Schöddert, der RWE-Mann. „Ab 2025 soll in die Vermarktung eingestiegen werden“, erklärt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU). Lars Kulik, RWE-Vorstand, versprach, das „gemeinsam mit Umweltinitiativen zu tun, Entschuldigung: mit Umfeldinitiativen“. Ein nebenbeteiligter Bürgermeister sieht „einen Riesenvorteil“ darin, dass es „keine aufwändigen Genehmigungsverfahren“ brauche. Die Wiese ist ja schon gemäht.
Jede Menge Geheimniskrämerei
Ausgekungelt wurde das Konstrukt hinter verschlossenen Türen: Gespräche seit Frühjahr 2021, Mitte vergangener Woche angekündigt, offizielle Gründung der GmbH am Freitag, eine eigene PSW-Website soll erst noch freigeschaltet werden. Die Geheimniskrämerei sorgt für vielfältige Empörung.
Michael Zobel, Waldpädagoge
Der Aachener Waldpädagoge Michael Zobel, einer von 20 Protestierern, die sich am Montag zu einer spontanen Mahnwache vor Schloss Paffendorf aufgemacht hatten, erklärt: „Seit Jahren beschreiben wir die unheilvolle Kumpanei zwischen RWE, NRW, Oberbergamt und mehr. Seit Jahrzehnten funktioniert dieses System wie geschmiert. Und wenn es noch eines schamloseren und offensichtlicheren Beweises für den Klüngel bedurft hätte, hier ist er.“
Keine Information, keine Transparenz, keine demokratische Teilhabe: Antje Grothus, grüne Landtagskandidatin aus Buir nahe dem Hambacher Wald, findet es „auffällig, dass jetzt vor der Landtagswahl noch so viele Pflöcke eingeschlagen, Posten verteilt und Verträge abgeschlossen werden“. Es werde schwer, das wieder rückgängig zu machen. Ackerflächen, womöglich jenseits der bislang genutzten Flächen etwa für Kraftwerke, würden kurzerhand zubetoniert. Und dies: Aus der Zivilgesellschaft gebe es so viele andere Ideen, jenseits von industriefreundlicher Vermarktung. Warum, fragt sie, seien keine BürgerInnen beteiligt, keine Klima- und Umweltorganisationen?
Biotopvernetzung kein Thema
Eine Frage, die Heimat- und Bauministerin Ina Scharrenbach gern beantwortet: „Warum ist die Zivilgesellschaft nicht beteiligt?“ Antwort: „Wir sprechen nicht über Briefmarken, sondern über große Flächen.“ Warum kein Wort zu nachhaltiger statt industrieller Nutzung, etwa eine Biotopvernetzung Hambacher Restwald – Sophienhöhe: „Natürlich planen wir ökologisch. Alles nach Braunkohle ist ökologisch.“
Amüsiert gab sie sich über eine weitere Frage der taz: „Verhindert eine gemeinsame privat-öffentliche GmbH nicht die Kontrollarbeit der Regierungsakteure?“ – „Also nein, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“ Scharrenbach hatte 2018 den Brandschutz erfunden als Rechtfertigung für die sinnlose Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald, die das Verwaltungsgericht Köln 2021 für rechtswidrig und illegal erklärt hatte. Darauf erteilte Scharrenbach bockig Weisung, das Urteil anzufechten – gegen den Beschluss des zuständigen Stadtrats Kerpen.
Rechtliche Antworten zur neuen PSW GmbH stehen ohnehin noch aus. RWE hat im Rheinischen Revier weite Flächen nach Bergrecht erworben, das verpflichtet zur späteren Rekultivierung. Ist eine gewinnbringende Nachnutzung der gemähten Wiesen durch langfristige Verpachtung auch eine Rekultivierung?
Eine gute Nachricht gab es zuletzt auch, sie kam vergangene Woche aus Münster. Das dortige Oberverwaltungsgericht gab bekannt, dass frühestens im März eine Entscheidung folge, ob der Weiler Lützerath am Tagebau Garzweiler samt dem Hof des klagenden Landwirts Eckhard Heukamp weggebaggert werden darf. Am 1. März beginnt die Brutzeit, damit sind Rodungen bis Oktober ausgeschlossen.
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