Befriedung des Braunkohletagebau: Die Möglichkeit einer Halbinsel

Weiterhin sind Orte rund um den Hambacher Wald besetzt. Die versöhnlichen Töne von der NRW-Landesregierung sind vage Absichtserklärungen.

Ina Scharrenbach und Hendrik Wüst.

Die Zwei von der Flüsterpost: Ina Scharrenbach und Hendrik Wüst Foto: dpa

AACHEN taz | Vermeintlich versöhnliche Töne gibt es reichlich: Da hatte der neue Chef des Kohlekonzerns RWE von einem möglichen Ende der Förderung 2030 gesprochen und sich bald danach mit dem Verwaltungsgericht Münster geeinigt, bis zum 7. Januar 2022 keine Abrisskräne am Hof des Landwirts Eckhard Heukamp in Lützerath anrollen zu lassen. Heukamp hat gegen die geplante Enteignung geklagt. Das Verfahren läuft.

Auch Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gibt sich realitätsnäher als sein sturer Vorgänger, der Bergmannssohn Armin Laschet. Ja, bis 2030 könne mit der Kohleverstromung Schluss sein, sagte Wüst jetzt. Doch die Klimaverwüstung hat er dabei höchstens indirekt im Sinn: Kohlenutzung, so Wüst, könne durch den CO2-Preis unwirtschaftlich werden. Oder ist das erstes Wahlkampfgetöse? Im Mai wird in NRW gewählt. Die CDU spielt öko.

Eines ist allen versöhnlichen Tönen wesenseigen: Sie sind vage Absichtserklärungen. Deshalb bleiben die Wiesen und Nebengebäude von Bauer Heukamp weiterhin bewohnt. Etwa 350 Aktivisten leben hier. Einige haben Samstag zwei leer stehende Häuser in Lützerath besetzt. RWE will sie von Polizeikräften räumen lassen. Der Konzern darf hier weiter Rodungen und Abrisse vorbereiten. Sie könnten sogar alle Gebäude rund um Heukamps Eigentum herum flachlegen. Der Hof würde zur lärmumtobten Halbinsel.

Schon am Donnerstag hatten Leute von Robin Wood die Essener Konzernzentrale erklettert und ein Transparent gehisst: „RWE enteignen – im Sinne des Gemeinwohls“. Am Freitag ketteten sich zwei Dutzend Menschen an die Gleise der Kohlebahn im Revier. 14 Stunden dauerte die Aktion, RWE musste die Klimavernichtung im Kraftwerk Neurath einen Tag lang drosseln. Und auch am Tagebau Hambach, 30 Kilometer südlich, geht es weiter. RWE hat begonnen, den kleinen Bochheimer Wald neben dem Hambi zur Abholzung vorzubereiten. Die Initiative Buirer für Buir nennt das „unerträglich und unverantwortlich“, es bedeute, „wichtige Flächen für den Strukturwandel zu zerstören“. RWE braucht Abermillionen Kubikmeter Muttererde, um die steilen Grubenränder abzuflachen.

Manheim existiert nicht mehr

Rund um den Hambacher Wald will RWE zudem nach lukrativem Kies graben. Das 1.000-Seelen-Dorf Manheim ist längst rasiert, nur die Kirche steht noch wie ein vergessenes Mahnmal. Hier heirateten Michael und Corinna Schumacher 1995 kirchlich; die Kneipe gegenüber, wo sie feierten, ist verschwunden.

Landesbauministerin Ina Scharrenbach (CDU) schlug am Donnerstag einen gemeinsamen Aufruf aller Landtagsfraktionen an die AktivistInnen vor. „Es ist befriedet, geht raus aus dem Wald und nehmt den ganzen Müll, den ihr da reingetragen habt, noch mit.“ Doch: Wenn jemand für Müll gesorgt hat, dann die Räumkommandos der Polizei 2018.

Damals hatte Scharrenbach die Stadt Kerpen angewiesen, aus Brandschutzgründen die Räumkommandos in den Wald zu schicken. Das Verwaltungsgericht Köln sagte im August dieses Jahres: Die Gründe waren offensichtlich vorgeschoben, die Räumung also rechtswidrig. Der Stadtrat von Kerpen stimmte vor zwei Wochen mehrheitlich gegen eine Berufung beim OVG Münster. Und Scharrenbach? Wies einen Tag nach Wüsts Dienstantritt ihren Parteifreund im Kerpener Bürgermeisteramt an, den Ratsbeschluss zu ignorieren und auf Berufung zu bestehen.

Eine Sprecherin des OVG Münster merkte umgehend an, sie habe Zweifel, ob solche ministerinielle Einmischung rechtens sei. Sicher ignoriert sie demokratische Prinzipien.

Auch die kommende Ampelkoalition will den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorziehen. Das hieße spätestens heute, so die Menschen im Widerstandslager.

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