Nachhaltigkeit in der E-Mobilität: Rohstoffe bitte nur mit Strategie
Wer E-Mobilität will, braucht Kobalt, Lithium, Nickel und Grafit. Ohne Konzept führt das zu Dreckwasser, zerstörten Landschaften oder Kinderarbeit.
Davon gehen zumindest der Berliner Thinktank Agora Verkehrswende und das Darmstädter Öko-Institut in ihrem „Synthesepapier zum Rohstoffbedarf für Batterien und Brennstoffzellen“ aus, das sie am Donnerstag in Berlin vorstellten. Wichtigste Erkenntnis: Die Versorgung mit den genannten Metallen und Grafit ist grundsätzlich gesichert. Damit sie aber auch sozial und ökologisch gewonnen werden, bedarf es rasch großer Anstrengungen von Politik und Industrie.
Laut der Untersuchung wird der Bedarf an Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit deutlich steigen, der von Lithium auf knapp 160.000 Tonnen im Jahr 2030 und sogar 500.000 Tonnen im Jahr 2050 (siehe Grafik). Dabei werden derzeit lediglich im Jahr 35.000 Tonnen produziert. Auch die Nachfrage der Autoindustrie nach Kobalt explodiert geradezu: auf 60.000 Tonnen 2030 und mehr als 800.000 Tonnen zwanzig Jahre später. Pro Batterie benötigt man derzeit etwa 15 Kilogramm Kobalt. Der Grafitbedarf steigt bis 2050 auf über 5 Millionen Tonnen. Allerdings kann dieses Material auch synthetisch hergestellt werden.
Wer diesen Zahlen schlicht die Vorkommen gegenüberstellt, die durch Bergbau wirtschaftlich und technisch gewonnen werden können, kann sich beruhigt zurücklehnen: „Es ist genug von allem da“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende.
Mehr Recycling
Allerdings steht der konventionelle Bergbau derzeit weltweit am Pranger: Die Bevölkerung in den betroffenen Regionen klagt über verschmutztes Wasser, zerstörte Landschaften, Kinderarbeit oder die Finanzierung von Konflikten mit den Rohstoffen, so wie im Fall von Kobalt.
Daher fordern die Institute eine umfassende Rohstoffstrategie für die Elektromobilität. Dabei geht es zum einen um die politische Regulierung der Lieferketten – etwa durch den Ausbau der EU-Verordnung zu Konfliktmineralien. Oder um ein Rohstoffmonitoring, das Knappheiten oder soziale Probleme bei der Gewinnung bestimmter Metalle frühzeitig erkennt.
Der andere wesentliche Bestandteil der Strategie ist das Recycling, um die Nachfrage nach durch Bergbau gewonnenes Material abzupuffern. Schon jetzt müssten die Voraussetzungen für ein engagiertes und umfängliches Recycling geschaffen werden, sagt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut. Doch dafür mangelt es noch an politischer Initiative.
Das sieht auch Georg Fröhlich so. Er ist Geschäftsführer beim vergleichsweise großen und auf Elektroschrott spezialisierten Recyclingunternehmen „Electrocycling“ aus Goslar. Die Firma hat als Teil eines Forschungsprojekts zum Thema Recycling von Lithiumionen-Batterien bereits schmerzhafte Erfahrungen gesammelt. Fröhlich sieht „noch einen großen Forschungsbedarf“ bei der Wiederaufbereitung: „Sortierung und Behandlung solcher Batterien sind gefährlich, da sie bei Beschädigung leicht in Brand geraten.“
Anstrengungen, um Batterien zu sammeln
Der auf die Produktion und das Recycling von seltenen Metallen spezialisierte belgische Technologiekonzern Umicore geht davon aus, dass nur ganz auf die neuen Autobatterien spezialisierte Unternehmen zum Zuge kommen werden. Dies gelte „von der Logistik über die mechanische Demontage bis hin zur metallurgischen Verwertung“, sagt Christian Hagelüken, Recyclingexperte von Umicore.
Die wahre Herausforderung sieht er allerdings nicht in der Technik. „Lithiumionen-Batterien können schon heute effizient und sicher recycelt werden“, sagt Hagelüken, „wir gewinnen aus Lithiumionen-Akkus Kobalt, Nickel, Kupfer und neuerdings auch Lithium zurück.“ Vielmehr müssten noch „erhebliche Anstrengungen“ unternommen werden, um Batterien zu sammeln und deren anschließende Verarbeitung in komplexen Recyclingverfahren sicherzustellen. „Wenn den Elektroautos das gleiche Schicksal widerfährt wie teilweise unseren Autos oder Computern und Smartphones und sie massenhaft auf illegalen Wegen nach Afrika gebracht werden“, so Hagelüken, „dann nützen die besten Techniken wenig.“
In ihrem Papier gehen Agora Verkehrswende und Öko-Institut davon aus, dass ab 2050 weltweit nur noch Elektroautos verkauft werden. Dies sei ein wichtiger Bestandteil einer Mobilitätswende, in der der Verkehr klimaneutral sei und dazu beitrage, die Erderwärmung bis 2100 auf 2 Grad zu begrenzen. Von den erwarteten 2,5 Milliarden Fahrzeugen wird in diesem Szenario nur noch ein Viertel mit einem Verbrennungsmotor herumfahren. Daraus errechneten die Wissenschaftler den Bedarf verschiedener Rohstoffe, die für Batterietypen benötigt werden, die absehbar in großem industriellen Maßstab produziert werden, vor allem Lithiumionen-Batterien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin