Nachhaltige Elektronik: Ein blauer Engel für die faire Maus
Eine kleine Firma bemüht sich, faire Computermäuse herzustellen. Nun erhält ihr Produkt das Siegel des Umweltbundesamtes.
Neben ökologischen Aspekten wurden erstmalig auch grundlegende Sozialstandards an Produktion und Lieferketten gesetzt. Etwa müssen bei der Rohstoffgewinnung Sorgfaltspflichten und Anforderungen an Arbeitsbedingungen eingehalten und vor-Ort-Initiativen zum verantwortungsvollen Bergbau unterstützt werden. Das gilt für Stufen 1 und 2 der Lieferkette, sprich die Endproduktionsstätte sowie alle ihre Zulieferbetriebe.
„Der Blaue Engel für Computer wurde kritisiert, weil er keine Sozialstandards berücksichtigte“, so Rosemarie Bähne, Green-IT-Expertin beim Umweltbundesamt. Nun sei es endlich so weit, Anforderungen an Sozialstandards müssen von den ausgezeichneten Produkten erfüllt werden. „Wir hätten uns durchaus strengere Regeln vorstellen können, aber sie müssen auch umsetzbar sein“, sagt Bähne. Auch bei der Überarbeitung der Standards für andere IKT-Produkte, wie Server und Router, sollen künftig soziale Kriterien aufgenommen werden. „Nager IT mit der fairen Maus geht da als super Beispiel voran und ist bei den Sozialstandards weiter als die Kriterien“, so Bähne.
Die ausgezeichnete faire Maus mit Gehäuse aus Zuckerrohr statt aus Erdöl und einem Scrollrad aus Holz würde durch das Umweltzeichen ehrlicherweise „nicht fairer und umweltfreundlicher“, so Susanne Jordan, die Frau hinter Nager IT. Aber es herrsche mehr Transparenz auf ihrer Website zu Ersatzteilen. Außerdem habe man ökologische Aspekte noch einmal genauer betrachtet, da bisher soziale im Fokus gewesen seien. So musste Jordan etwa herausfinden, welche Zusatzstoffe beim Recyclingprozess verwendet werden. Als kleines Unternehmen sei es schwer gewesen, an diese Information zu gelangen. Vor allem aber könne Nager IT mit dem Blauen Engel endlich zeigen, dass die fairen Mäuse wirklich sozial und ökologisch nachhaltig sind. Besonders für die öffentliche Beschaffung sei das wichtig.
Zu zwei Dritteln fair
Trotz Blauem Engel könne die Maus an vielen Stellen noch verbessert werden, bleibt Jordan kritisch. Insbesondere der Demokratieabbau in vielen ostasiatischen Ländern mache ihnen zu schaffen. „Da haben wir keinen Plan, wie wir weiter machen sollen. Als kleine Firma kommen wir an Grenzen“. Vor 10 Jahren seien sie in China auf einem guten Weg gewesen, es habe viel Austausch mit NGOs vor Ort gegeben. Das sei nun nicht mehr möglich.
Bezogen auf die gesamte Lieferkette, könne man die faire Maus „mit gutem Gewissen als zu zwei Dritteln fair bezeichnen“, das fairste, was es im Bereich Elektronik gebe, heißt es auf der Nager-IT-Website. Die Lieferketten seien komplex und an der Maus über 100 Fabriken und Minen beteiligt. Es brauche deshalb auch strengere und mehr politische Regelungen, fordert Jordan, etwa ein stärkeres und gut umgesetztes Lieferkettengesetz.
Frustriert ist Jordan vom Trend zur kabellosen Maus, da die „per se umweltschädlicher ist“, deshalb habe die faire Maus ein Kabel. Auch Green-IT-Expertin Bähne bestätigt, dass Mäuse mit Kabel umweltverträglicher seien, da sie ohne Batterien oder Akkus auskommen – und damit auch keine problematischen Umweltauswirkungen und Arbeitsbedingungen etwa von der Bereitstellung von Lithium verursachen. Diesen grundlegenden Unterschied kann der Blauer Engel allerdings nicht sichtbar machen.
Nager IT bietet nur ein Modell seiner Maus an. „Die Vielfalt an individuellen Mäusen für jede Hand, die wir aus den Läden kennen, kann es nur geben, weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind.“ Sie fragt: „Muss es so individuell sein? Oder kann ich mich daran gewöhnen, dass die Maus einen halben Zentimeter länger oder kürzer als meine Hand ist und dafür fair?“
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