Nach vermeintlicher Hacker-Attacke: Amazon hackt sich selbst
Amazon war am Sonntag zeitweise nicht erreichbar. Grund war wohl kein Hackerangriff von Wikileaks-Sympatisanten, sondern ein technisches Problem.
Am Sonntagabend war der Internethändler Amazon in Europa nicht erreichbar. Knapp eine Stunde dauerte der Ausfall der Amazon-Ableger in Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich. Es hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können: zwei Wochen vor Weihnachten, die Offlinekonkurrenz hatte gerade geschlossen - ein Debakel für den Internetkonzern.
Der Ausfall hatte auch eine politische Dimension. Sofort gab es im Netz Spekulationen, dass dieser Ausfall kein Zufall sei. Denn seit einer Woche schon attackiert die lose Gruppierung "Anonymous" Webseiten, die sie als Feinde der Enthüllungsplattform Wikileaks erkannt hat. Auf Tausenden von Computern haben sie das Programm "Low Orbit Ion Cannon" installiert und versuchen, durch koordinierte massenhafte Zugriffe - sogenannten DDOS-Attacken - Webseiten anzugreifen.
So war die Webseite von Kreditkartenanbieter Mastercard nach Angabe des Statistikanbieters Netcraft in der vergangenen Woche rund drei Stunden offline - das Unternehmen hatte vorher angekündigt, keine Zahlungen mehr für Wikileaks anzunehmen. Auch die Zahlungsdienstleister Visa und PayPal waren unter Beschuss, weil sie die Geschäftsbeziehungen zu Wikileaks und deren Unterstützern eingestellt hatten.
Auch Amazon hatte die Zusammenarbeit aufgekündigt. Die Begründung: Wikileaks veröffentliche illegales Material und verstoße somit gegen die Geschäftsbedingungen von Amazon. Der Schritt sorgte für Empörung, da bisher nicht einmal die USA Anklage gegen die Enthüllungsplattform oder deren Chef Julian Assange erhoben haben.
Doch Amazon dementiert einen Zusammenhang. "Die kurze Unterbrechung unserer europäischen Retail-Websites gestern Abend lag an einem Hardwaredefekt in unserem europäischen Netzwerk-Rechenzentrum und war nicht das Ergebnis eines DDOS-Versuchs", erklärt der Konzern am Montag der taz. Was genau schiefging oder wie hoch der Schaden war, dazu schweigt der Konzern.
Das Dementi ist glaubhaft: Vorhergehende Attacken waren vorher im Internet angekündigt worden. Der Ausfall der europäischen Amazon-Seiten soll jedoch selbst die Anonymous-Aktivisten überrascht haben, wie US-Publizist Evgeny Morozov auf Twitter berichtete.
Der Ausfall dürfte nicht billig gewesen sein. So errechnete der US-Branchendienst CNet beim vorhergegangenen großen Ausfall im Juni dieses Jahres, dass der Handelskonzern weltweit in jeder Minute 50.000 Dollar Umsatz macht. Ob die Kunden aber wegen solch kurzer Unterbrechungen tatsächlich zur Konkurrenz wechseln, ist fraglich.
Ernster ist der Ausfall für das Vertrauen in die Server-Infrastruktur von Amazon. Der Konzern verdient nicht nur mit dem Internethandel sein Geld, sondern ist mittlerweile auch einer der wichtigsten Provider der Welt.
Mit seinen Rechenzentren ist der Internetkonzern zu einem der führenden Anbieter für "Cloud Computing" geworden, bei dem die Daten nicht auf einem einzigen Server abgelegt, sondern auf vielen Rechnern verteilt werden. Dadurch werden Dienste besonders ausfallsicher: Fällt ein Server aus, springt ein anderer nahtlos ein.
Auch Wikileaks setzte auf die enormen Rechenkapazitäten des US-Konzerns, um die geheimen Depeschen von US-Botschaften aus aller Welt zu verbreiten - bis Amazon den Vertrag kündigte.
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