Nach russischer Annexion der Krim: Milizen erobern Militärbasen
Prorussische Milizen übernehmen ukrainische Stützpunkte auf der Halbinsel Krim. Es gibt erste Tote durch Heckenschützen. Die EU berät sich ab Donnerstag.
SIMFEROPOL/SEWASTOPOL taz/dpa/afp | Nach der ukrainischen Krim-Marinebasis haben prorussische Kämpfer am Mittwoch auch den Militärstützpunkt Nowooserne im Osten der Halbinsel eingenommen. Rund 50 ukrainische Soldaten verließen unter russischer Aufsicht den Stützpunkt, wie die Agenturen meldeten. Rund 200 prorussische Aktivisten und Vertreter russischer Streitkräfte hatten am Mittwochmorgen den Marinestützpunkt der ukrainischen Flotte in Sewastopol gestürmt. Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Marine, Sergei Gaiduk, war dabei festgenommen worden. Er befindet sich zurzeit in russischem Gewahrsam.
Nach der Erstürmung des Flottenstützpunktes wurde die ukrainische Flagge durch die russische ersetzt. Die Küstenstadt Sewastopol war lange Zeit für ihren Doppelstützpunkt der ukrainischen und russischen Flotte berühmt. Diese Zeiten sind nach dem Referendum am Sonntag über den Anschluss an Russland vorbei.
Die Annexion der Krim forderte in der Hauptstadt Simferopol am Dienstagabend erste Opfer. Bei der Erstürmung einer Militärbasis kamen ein ukrainischer Soldat und ein Angehöriger der prorussischen Selbstverteidigungsstreitkräfte ums Leben. Nach Angaben von dpa gab ein Heckenschütze aus einem verlassenen Gebäude in der Nähe der Militärbasis Schüsse auf die ukrainische wie auch russische Seite ab. Zwei weitere Männer auf der Militärbasis wurden von diesen Schüssen verletzt. Die Identität des Schützen ist derzeit unklar. Nach ukrainischen Angaben soll es sich dabei nicht um einen Soldaten der eigenen Streitkräfte gehandelt haben.
Auf dem zentralen Platz Simferopols feierten derweil prorussisch gestimmte Bürger die Unterzeichnung des Annexionsvertrags mit Russland. Laut Angaben der taz-Korrespondentin Tatjana Kurmanowa fürchten sich viele Krimbewohner nicht unmittelbar vor einem Krieg, da das russische Militär in den Straßen der Städte sehr präsent sei. Laut Kurmanowa häuft sich aber seit der Besetzung der Krim die Zahl krimineller Übergriffe. Menschen würden von den Schergen Sergei Axjonows und russischen Sicherheitskräften auf der Straße ausgeraubt und bedroht.
Krimtatar ermordet aufgefunden
Auch auf Seiten der Krimtataren wurde über ein erstes Todesopfer berichtet. Taz-Korrespondentin Kurmanowa, die bei der Beisetzung des Mannes zugegen war, berichtet von der zunehmenden Wut der Krimtataren. Der Mann war vor Tagen entführt und später auf einem Feld mit Folterspuren ermordet aufgefunden worden. Die turkstämmige Minderheit ist gegen den Anschluss an Russland.
Das Kiewer Präsidialamt gab nach dem Zwischenfall bekannt, dass es ukrainischen Soldaten nun gestattet sei, Waffengewalt anzuwenden. Bislang hatten ukrainische Truppen auf der Krim keinen Schießbefehl und waren gehalten, Gewalt zu vermeiden.
Angesichts der Lage auf der Krim kündigte die ukrainische Übergangsregierung in Kiew an, Verteidigungsminister Igor Tenjuch und Vizeregierungschef Vitali Jarema sollten umgehend auf die Halbinsel reisen. Dazu sagte der von Kiew nicht anerkannte Krim-Regierungschef Sergei Axjonow: „Niemand wartet auf der Krim auf sie, und niemand wird sie hereinlassen.“ Die Politiker würden zurückgeschickt, sagte er in Moskau.
Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird der Bundesregierung zufolge noch nicht über Wirtschaftssanktionen gegen Russland beraten. Die EU hatte die zweite Stufe am Montag mit Strafmaßnahmen wie Einreisesperren und Kontosperrungen gegen 21 Ukrainer und Russen begonnen, denen eine direkte Vorbereitung der Eskalation auf der Krim vorgeworfen wird. LJU
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