Nach französischem Burka-Verbot: Die Kopftuch- und Minarett-Phobie
Das französische Burka-Verbot trifft in der arabischen Welt nicht nur auf Ablehnung. Einige Medien warnen vor der „amateurhaften Obsession muslimischer Gemeinschaften".
KAIRO taz | „Die westliche Welt hat eine Obsession, wenn es um das Verbot des Gesichtsschleiers geht“. Die überregionale arabische Tageszeitung Al-Hayat lässt keinen Zweifel daran, was sie von der Entscheidung des französischen Parlaments hält, den Gesichtsschleicher oder wie er auf Arabisch heißt, den Niqab, zu verbieten.
Dabei handle es sich um den unterbewussten Willen, alles Islamische wegzudrängen, fährt die Zeitung fort. Diese Art von Entscheidung könne nicht anders erklärt werden, als im Zusammenhang der wachsenden Islamophobie, die ihren Ausdruck in einer Niqab-, Kopftuch- oder in einer Minarett-Phobie finde. „Das westliche Bewusstsein erlebt eine echte Krise, wenn es um seine Identität und das Akzeptieren des Anderen geht und das Ganze würde noch viel schlimmere Ausmaße annehmen, wären die europäischen Gesetzgeber nicht den Prinzipien des Antirassismus und der persönlichen Freiheiten verpflichtet“, glaubt die Zeitung und fragt: „Welche Bedrohung stellen ein paar hundert oder vielleicht tausend Frauen, die den Niqab tragen, gegenüber 65 Millionen Franzosen dar?“.
Aber die Zeitung macht auch die „amateurhafte Obsession muslimischer Gemeinschaften in Europa“ für die Krise mitverantwortlich, „wenn sie glauben, die Zukunft des Islam hängt von Tragen des Niqab, dem Wachsen eines Bartes und dem Gebetsruf vom Minarett ab“. Derartiges bringe die Phobien in Europa erst richtig in Schwung. Und am Ende, fürchtet al-Hayat, „sind es gerade die radikalen islamistischen Bewegungen, die die Integration und Koexistenz ablehnen, und die von der wachsende Islamophobie in Europa profitieren“.
Und während in den meisten arabischen Medien eher Unverständnis, darüber herrscht, warum gerade der Niqab als marginales Phänomen im Zentrum der europäischen Debatte steht, gibt es in der arabischen Welt auch Stimmen, die die Entscheidung des französischen Parlament willkommen heißen.
Frauen sollen in dieser Frage keine Wahl haben, fordert die saudische Bloggerin Eman Al Nafjan in ihrem Saudiwomen´s Weblog. „Für jede Frau, die tatsächlich aus freien Stücken den Gesichtsschleier wählt, gibt es hunderte, wenn nicht sogar tausende, die vom religiösen Establishment, der Familie und der Gesellschaft unter Druck gesetzt werden, ihr Gesicht zu bedecken“, argumentiert sie. „Was sollen wir opfern? Die eine Frau, die es dadurch schafft, Gott näher zu sein oder diese hundert anderen, damit die erste eine freie Wahl hat“, fragt sie. Sie erzählt von den saudischen Frauen, die darauf konditioniert wurden, dass der Gesichtsschleier unabdingbar ist und die vor dem Fernseher sitzen und unverschleierte Frauen sehen und kommentieren: „Sie bekommen die Welt und wir das Jenseits“.
Tatsächlich verlaufen die Bruchlinien für oder gegen den Niqab auch quer durch die arabische Welt. Die syrischen Behörden sind gerade dabei, ein eigenes Niqab-Verbot für Lehrer durchzusetzen, wenngleich still und heimlich und ohne große öffentliche Debatte.
Laut inoffiziellen Schätzungen sollen 1.200 Lehrerinnen von den Maßnahmen betroffen sein. Sie wurden in andere Jobs in den lokalen Verwaltungen versetzt. Es gibt keine öffentlichen Verlautbarungen, dazu, aber vor zwei Monaten, begannen sich die ersten Lehrerinnen zu beschweren, dass sie gefeuert wurden. Es existiert keine geschriebene Direktive, nur eine vage Aussage des Erziehungsministers Ali Saad, als er vor dem Lehrerberufsverband am 27. Juni erklärte, dass “die Erziehung an syrischen Schulen objektiven und säkularen Methoden folge und diese durch das Tragen des Niqab unterwandert werden”. Er deutete an, dass auch andere Ministerien in Damaskus demnächst ähnliche Maßnahmen durchsetzen würden.
Der syrische Frauenrechtsorganisation „Syrian Women Observatory“, geht der Schritt des Erziehungsministeriums nicht weit genug: „Der Niqab löscht die Identität der Frauen im Namen der Religion aus“, heißt es auf deren Webseite, „er sollte daher nicht nur in den syrischen Schulen verboten werden“.
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