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Nach der Wahl in ÖsterreichAufwachen in einer anderen Republik

Nach der Präsidentenwahl steht die Große Koalition in Wien ziemlich mickrig und hilflos da. Die politischen Koordinaten werden neu bestimmt.

Vielleicht schon bald der künftige Bundespräsident: Norbert Hofer von der FPÖ Foto: dpa

Wien taz | Kommentatoren von links bis rechts sehen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen am Sonntag als Ende des politischen Gefüges der Zweiten Republik. Das System, in dem zwei staatstragende Parteien Posten und Verantwortung untereinander aufteilen, dürfte ebenso Geschichte sein, wie die Sozialpartnerschaft, die Österreich einen einzigartigen sozialen Frieden beschert, aber demokratische Entscheidungen ausgehebelt hat.

In den Parteizentralen von SPÖ und ÖVP will man das allerdings nicht so sehen. Da ist von Erfolgen die Rede, die man besser kommunizieren müsse, von Ergebnissen, die genau analysiert werden müssten und davon, dass Personaldebatten jetzt sicher nicht die richtige Antwort seien.

Aus der Deckung wagen sich nur Leute, die keine politischen Ämter mehr bekleiden. So die ehemalige Siemens-Chefin Brigitte Ederer, die in der Tiroler Tageszeitung die Ablöse von Bundeskanzler Faymann (SPÖ) forderte.

Die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP wollen aber alles weniger als vorgezogene Nationalratswahlen oder einen Personalwechsel. Die Ohrfeige des Wahlvolks fiel gleichwohl so kräftig aus, dass die sonst üblichen Versuche, das Ergebnis schön zu reden, nicht recht verfingen.

Ein historisches Ergebnis

Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ hatte mit über 35 Prozent der Stimmen ein historisches Ergebnis erzielt. Der Mann mit der sanften Stimme wird sich am 22. Mai einer Stichwahl mit Alexander Van der Bellen stellen, dem ehemaligen Parteichef der Grünen. Er erreichte mit 21,3 Prozent annähernd so viele Stimmen wie die Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zusammen. Die Unabhängige Irmgard Griss landete mit 19 Prozent einen Achtungserfolg.

Die politische Landkarte der Wahlkreise zeigt eine grüne Bundeshauptstadt inmitten eines blauen Ozeans mit grünen Einsprengseln in Tirol und Vorarlberg, schwarzen Pünktchen und einem roten Klecks in Südkärnten.

Der Schlüssel zum Wahlerfolg dürfte bei den 33 Prozent Nichtwählern liegen

Seit Faymann 2008 zum Parteichef und dann zum Kanzler gewählt wurde, hat er 20 bundes- und landesweite Wahlen zu verantworten, von der die SPÖ nur bei einer einzigen zulegen konnte. Nämlich in Kärnten nach dem Kollaps der Haider-Nachfolger im Gefolge von Korruptionsermittlungen.

Auch der Zweite kann noch Erster werden

Aber auch Kärnten ist heute wieder fast flächendeckend FPÖ-Land. Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll, selbst lange als nächster Bundespräsident gehandelt, sieht die Schuld für das Debakel ausschließlich bei der SPÖ und ihrer Haltung in der Flüchtlingsfrage.

Das ist längst Geschichte. Unter dem neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ist die SPÖ auf die von Außenminister Sebastian Kurz vorgegebene Linie der Flüchtlingsabwehr eingeschwenkt. Wahlsieger Norbert Hofer, der sich bereits in den Amtsräumen der Hofburg sieht, hat angedeutet, dass er mit einer von Kurz und Doskozil geführten Regierung durchaus zusammenarbeiten könnte.

Alexander Van der Bellen will sich indes noch nicht geschlagen geben. Auch beim Skisport komme es oft vor, dass der Zweitplazierte im zweiten Durchgang als erster durchs Ziel fährt. Der Grüne hofft nicht nur auf die Stimmen von Irmgard Griss, sondern auch auf Überläufer aus dem Regierungslager.

Die SPÖ gibt zwar keine Wahlempfehlung ab, doch haben Spitzenpolitiker wie Werner Faymann ihre Stimme dem Grünen zugesagt. In der ÖVP neigt man eher zu Hofer. Der Schlüssel zum Wahlerfolg dürfte bei jenen 33 Prozent der Wahlberechtigten liegen, die am Sonntag zu Hause geblieben sind.

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2 Kommentare

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  • Macht die SPÖ keine sozialdemokratische Politik, gewinnen die Nazis.

     

    Genau wie in Deutschland.

  • Die FPÖ muss sich erst noch beweisen, wenn diese in der Politikverantwortung steht wird sich zeigen, wie sehr die Wähler tatsächlich bei der Stange bleiben.