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Nach der Oberhauswahl in JapanVerfassungsreform als Alibi

Martin Fritz
Kommentar von Martin Fritz

Nach dem Wahlsieg will Japans Premier Kishida weg vom neoliberalem Kurs seines Vorgängers Abe. Wen er dazu braucht: die Rechten.

Der japanische Premierminister Fumio Kishida Foto: Sean Gallup/epa

D as Markenzeichen von Fumio Kishida ist Bescheidenheit – im Gegensatz zur Arroganz von Shinzō Abe, Japans einflussreichstem Politiker der letzten zehn Jahre. Ein Attentäter hatte Abe am vergangenen Freitag getötet. Nun ist Kishida der unglückliche Erbe von Abe, der ihn bei der Wahl zum Chef der Liberaldemokraten (LDP) unterstützt und im Gegenzug zu einer Politik nach seinem Gusto gezwungen hatte. In dieser Zwickmühle bleibt Kishida auch nach seinem klaren Sieg bei der Oberhauswahl am Sonntag, da seine Hausmacht in der Dauerregierungspartei nicht groß genug ist.

Denn Abe führte die größte LDP-Faktion. Ein Nachfolger seines Kalibers ist nicht in Sicht, so dass der LDP ein inneres Machtvakuum droht. Die absehbaren Führungskämpfe könnten dem jetzigen Premier gefährlich werden. Zugleich muss Kishida darauf achten, dass ihn die bisher von Abe gelenkten Rechten weiter unterstützen.

Also stellte er sich demonstrativ hinter deren ultrakonservative Agenda, den Verteidigungshaushalt drastisch zu erhöhen und eine Verfassungsreform vorzubereiten. Das Lieblingsprojekt von Abe soll der Armee mehr Einsatzmöglichkeiten geben und Japan als Nation stärken.

Den „neuen Kapitalismus“ verwirklichen

Der gelernte Banker Kishida war Vater und Großvater ins Parlament gefolgt, war unter Abe vier Jahre lang Außenminister. Aus Erfahrung weiß er, dass sich mit einer Reform der seit 75 Jahren unveränderten Verfassung kein Blumentopf gewinnen lässt. Dennoch wird er den Schein wahren und das Parlament darüber diskutieren lassen. In Wirklichkeit will er sein politisches Kapital lieber einsetzen, um den von ihm propagierten „neuen Kapitalismus“ zu verwirklichen. Lohnsteigerungen sollen die Inflation ausgleichen.

Seine eigentliche Absicht lässt sich daran erkennen, dass er die neoliberale Wirtschaftspolitik der „Abenomics“ trotz ihres Namensgebers mit keinem Wort erwähnte. Sie würde kein „reales Glück“ bringen, sagte er einmal. Die Japaner können sich freuen, wenn dem neuen Regierungschef diese Gratwanderung gelingt.

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Martin Fritz
Auslandskorrespondent Japan/Südkorea
Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.
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