Oberhauswahl in Japan: Rückenwind fürs Regierungsbündnis

Nach einem klaren Wahlsieg kann Japans Premier Fumio Kishida vorerst durchregieren. Damit rückt die bereits lange schwelende Verfassungsreform näher.

Der japanische Premierminister Fumio Kishima

Die Oberhauswahl gewonnen: Japans Premierminister Fumio Kishida Foto: Rodrigo Reyes Marin/ap

TOKIO taz | Die Regierungskoalition in Japan hat die Oberhauswahl am Sonntag klar gewonnen. Die Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr kleiner Partner Komeito errangen 60 Prozent der 125 Sitze der zweiten Parlamentskammer, die zur Wahl standen. Damit sitzt Premierminister Fumio Kishida nun fest im Sattel und kann mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Parlamentskammern erst einmal durchregieren.

Jedoch verzichtete Kishida wegen der Ermordung des Ex-Regierungschefs und Ex-LDP-Vorsitzenden Shinzo Abe auf jeden Jubel über seinen Wahlsieg und unterstrich, die Einheit der Partei sei wichtiger als alles andere. Abe führte die größte Faktion der LDP-Abgeordneten und zog im Hintergrund viele Strippen, so dass der LDP ein inneres Machtvakuum droht.

Der 67-Jährige war am Freitag bei einem Wahlkampfauftritt in Nara von einem Einzeltäter mit einer Schusswaffe getötet worden. Die Trauerfeier für den Verstorbenen findet am Dienstag statt. Das Attentat scheint sich auf das Wahlergebnis nur begrenzt ausgewirkt zu haben. Die LDP konnte die Zahl ihrer eigenen Sitze nur um acht auf 63 erhöhen, eine Steigerung um ein Siebtel. Die Wahlbeteiligung legte nur um drei Punkte auf 52 Prozent zu.

Inflation und Verteidigung dominierten Wahlkampf

Die Rückkehr der Inflation nach Japan hatte den Wahlkampf dominiert. Auch die Erhöhung der Verteidigungsausgaben beschäftigte die Wähler. Kishida erklärte am Montag, er wolle die Verteidigung des Landes „drastisch stärken“. Bisher diskutiert man eine Verdopplung der jährlichen Ausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Zugleich kündigte der Premier an, das Erbe seines Vorvorgängers Abe fortzusetzen. Dazu gehört auch die Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung. Das lange schwelende Vorhaben hatte wieder an Fahrt aufgenommen, als Russlands Angriff auf die Ukraine eine Debatte über Japans Sicherheitspolitik auslöste. Nach der Wahl verfügen die Befürworter dieser Reform über die für Änderungen notwendige Supermehrheit im Parlament.

Der ermordete Abe träumte sein Leben lang von der ersten Revision der Verfassung, die er als von den damaligen US-Besatzungstruppen oktroyiert ablehnte. Dabei geht es vor allem um Artikel 9, der Japan jede Kriegsführung sowie den Unterhalt von Streitkräften untersagt.

Als Premierminister hatte Abe diesen Artikel bereits uminterpretiert, damit die Selbstverteidigungsstreitkräfte mit ihrem Sicherheitspartner USA kooperieren können, wenn Japan nicht direkt angegriffen wird. Doch erst ihre formale Zulassung würde es Japan ermöglichen, sich Offensivwaffen zuzulegen und die USA aktiv militärisch zu unterstützen, etwa bei der Verteidigung von Taiwan gegen einen Angriff aus China.

Neuer Premier polarisiert weniger

Das Engagement von Kishida erhöht die Erfolgsaussichten für die Reform. Als moderater Konservativer polarisiert er die Öffentlichkeit weniger als Abe. „Die Rechten werden Kishida unterstützen und die Linken tolerieren, weil er sorgfältig mit dem Thema umgehen wird“, meinte der Historiker Hitoshi Komiya von der Aoyama Gakuin Universität. Genauso gut könnte der Tod von Abe jedoch dazu führen, dass die Reformanstrengungen bald wieder versanden. „Die symbolische Figur für die Änderungsbefürworter ist nicht mehr da“, meinte der Politologe Masahiro Iwasaki von der Nihon University.

Die Hürden bleiben hoch: Die vielen Befürworter müssen sich noch auf die Details der Änderungen einigen. Ein anschließendes nationales Referendum erfordert eine absolute Mehrheit, doch die Öffentlichkeit bleibt trotz Ukraine-Krieg in dieser Frage tief gespalten. Daher könnte Kishida versucht sein, sein politisches Kapital anderweitig einzusetzen. „Er wird Diskussionen abhalten, aber das Ziel weniger enthusiastisch verfolgen als Abe“, erklärte Iwasaki.

Die Opposition gestand unterdessen ihre neuerliche Wahlniederlage ein. Die Konstitutionelle Demokratische Partei (CDPJ) verlor sechs ihrer 23 Oberhaussitze. „Die Wähler wollen uns die Regierung nicht anvertrauen“, gestand CDPJ-Vorsitzender Kenta Izumi. Anders als zuletzt hatten die Oppositionsparteien die Aufstellung ihrer Direktkandidaten nicht aufeinander abgestimmt.

Gleichzeitig fehlte die Unterstützung des Gewerkschaftsbundes Rengo, der nicht mit der Kommunistischen Partei kooperieren will. „Die Mitte-Links-Opposition leidet daran, dass ihr niemand einen Wahlsieg zutraut“, sagte Professor Axel Klein vom Institut für Ostasienwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. „Ihr Dilemma: Kooperieren die Parteien, verlieren sie an Identität und programmatischer Kohärenz, kooperieren sie nicht, nehmen sie sich gegenseitig die Wähler weg.“

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