Nach der Freilassung von Deniz Yücel: Gabriels großer Auftritt

Während der Münchner Sicherheitskonferenz reist Sigmar Gabriel zurück nach Berlin, um über seine Rolle im Fall Yücel zu sprechen.

Auf zwei Bildschirmen flimmert das Foto von Deniz Yücel und seiner Frau Dilek, darunter mehrere Personen hinter Mikros

Das erste Foto nach Deniz' Freilassung zeigt ihn mit seiner Frau Dilek. Im Newsroom der Welt prangt es über den Köpfen von Döpfner, Gabriel und Poschardt (v.li.) Foto: dpa

BERLIN taz | Eigentlich wird Sigmar Gabriels Anwesenheit dieser Tage in München vorausgesetzt. Als geschäftsführender Bundesaußenminister soll der SPD-Politiker auf der Sicherheitskonferenz mit internationalen Spitzenpolitiker*innen die angespannte Weltlage diskutieren.

Doch nach einem kurzen Auftritt vor dem Bayerischen Hof am Mittag, verließ Gabriel München schon wieder – und düste zurück nach Berlin. Die Nachricht des Tages, Deniz Yücels Freilassung, die wollte er in der Hauptstadt erleben. Oder vielmehr: dort inszenieren. Im sogenannten Newsroom der Zeitung Die WELT, für die Deniz Yücel als Türkei-Korrespondent bis zu seiner Inhaftierung tätig war, kam Gabriels Rolle bei Yücels Freilassung besser zur Geltung. Denn sie ist, wie er klarmachte, allen voran ein Erfolg für ihn.

An der Seite von Springer-Verlagschef Mathias Döpfner und WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt bedankte sich Gabriel zwar betont bescheiden bei seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu und bei „allen, die an die Kraft der Diplomatie glauben“. Gleichwohl betonte er sein eigenes Engagement: „Ich habe mich mit der Bitte an Gerhard Schröder gewandt, Türen zu öffnen“. Das habe der Altkanzler auch getan, zweimal sei Schröder dafür nach Istanbul gereist.

Stets habe er auch mit Çavuşoğlu sprechen können. Dennoch habe der türkische Außenminister immer wieder betont, dass es die unabhängige Entscheidung des Gerichts sei, wie mit Deniz Yücel verfahren werde und die Politik darauf keinen Einfluss nehmen könne und wolle. Er habe allerdings zugesichert, alles daran zu setzen, das Verfahren zu beschleunigen.

Zwei persönliche Gespräche mit Erdoğan

„Zwei Gespräche habe ich dann auch direkt mit dem türkischen Präsidenten geführt“, sagte Gabriel, er habe gegenüber Erdoğan betont, dass er von der Unschuld Yücels überzeugt sei. Auch Recep Erdoğan habe daraufhin die Bereitschaft signalisiert, das Verfahren zu beschleunigen. Zu irgendwelchen „Gegenleistungen oder Deals“ sei es dabei nicht bekommen, versicherte Gabriel. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte Gabriel dafür, dass sie ihm die Freiheit „eingeräumt“ habe, in dieser Angelegenheit selbstständig zu handeln.

Gabriel, Poschardt und Döpfner bedankten sich bei allen, die sich im vergangenen Jahr für Deniz' Freilassung eingesetzt und sich mit dem WELT-Korrespondenten solidarisch gezeigt haben. „Ich freue mich auch für seine Familie, seine Freunde und mit allen, die an der Freilassung mitgewirkt haben“, sagte Gabriel. Wie er wisse, sei Yücel jetzt auf dem Weg zum Flughafen in Istanbul, um die Türkei zu verlassen. Wo er hinreise, verriet er nicht. „Das ist seine Entscheidung“.

Der 44-jährige Yücel saß am Mittwoch seit genau einem Jahr in türkischer Haft. Er hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der Istanbuler Polizei gestellt, um sich zu seinen Berichten über den türkischen Energieminister Berat Albayrak zu erklären. Der Fall sorgte für Verstimmungen im deutsch-türkischen Verhältnis. Am Donnerstag erst hatte Angela Merkel bei einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim die Haft Yücels als „Bürde für das bilaterale Verhältnis“ bezeichnet.

„Das Momentum nutzen“

Am Freitag ordnete ein türkisches Gericht dann die Freilassung Yücels an. Aus der Twitter-Solidaritätsaktion unter dem Hashtag #FreeDeniz wurde #DenizFree. „Ich freue mich wie viele, viele andere, dass er heute das Gefängnis verlassen konnte“, sagte Merkel. „Deniz Yücel ist frei“, erklärte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und ergänzte: „Endlich.“

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, dass die Istanbuler Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift gegen Yücel vorgelegt habe. Die Behörde fordert demnach wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“ bis zu 18 Jahre Haft.

Auf diese Zahl ging Gabriel nicht weiter ein, er wolle vielmehr „das Momentum nutzen“, um auch die fünf weiteren Deutschen, die in der Türkei noch in Haft sind, freizubekommen. Man habe eine Vertrauensgrundlage geschaffen und dürfe jetzt nicht nachlassen.

Auf eine Frage, ob er die Freilassung Yücels mit seiner eigenen politischen Zukunft, also einer zweiten Amtszeit als Außenminister verknüpfe, reagierte Gabriel kühl: „Darüber habe ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht“. Doch der Auftritt im Newsroom der WELT zeigt einmal mehr, wie sehr Gabriel an seinem Amt hängt.

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