Nach den Wahlen in Venezuela: Maduro gräbt sich ein
Ein UN-Expertengremium schließt sich der Kritik am mutmaßlichen Wahlbetrug in Venezuela an. Die Opposition protestiert weiter.
Nach den Wahlen am 28. Juli hatte der Nationale Wahlrat den amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro mit sieben Prozent Vorsprung zum Wahlsieger erklärt – und weigert sich bis heute, Beweise dafür vorzulegen. Die Internetseite des Wahlrats ist weiter offline. Die Opposition hat mittels Wahlprotokollen auf einer eigenen Website belegt, dass ihr Kandidat Edmundo González mehr als doppelt so viele Stimmen wie Maduro errang.
Das vierköpfige Team, das der UN-Generalsekretär António Guterres nach Venezuela geschickt hatte, verbrachte dort mehr als einen Monat zur Wahlbeobachtung. Es war aber keine offizielle Wahlbeobachtungsmission und sollte ursprünglich nur UN-intern berichten. Doch am Dienstag brach es sein Schweigen.
Lob gab’s nur für die logistische Organisation der Wahlen. Besonders kritisierte das Team den Nationalen Wahlrat, der venezolanische Wahlnormen missachtet und Maduro als Sieger verkündet habe, ohne die Ergebnisse der Wahllokale vorzulegen. Das sei „beispiellos für zeitgenössische demokratische Wahlen“.
Proteste und Repression gehen weiter
Ähnlich wie das UN-Gremium hatte sich schon das Carter Center geäußert, die mit 17 Personen größte der wenigen zugelassenen Wahlbeobachtungsmissionen. Die hatte das Ergebnis des Wahlrats als nicht nachprüfbar bezeichnet und bemängelt, dass die Wahl undemokratisch gewesen sei.
Parlamentspräsident Jorge Rodríguez hatte wenige Stunden vor der Stellungnahme der UN noch eine Gesetzesänderung gefordert – um ausländische Wahlbeobachtung in Venezuela künftig zu verbieten. Dabei hatte er das Carter Center und das UN-Gremium als „Müll“ bezeichnet.
Derweil gehen die Proteste und die staatlichen Repressionen weiter. Ebenfalls am Dienstag kritisierte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, die willkürlichen Festnahmen und exzessive Gewalt. „Besonders beunruhigend ist, dass so viele Menschen festgenommen und der Anstiftung zum Hass beschuldigt oder auf Basis von Anti-Terror-Gesetzen angeklagt werden“, sagte Türk. „Das Strafrecht darf nie benutzt werden, um auf ungebührliche Weise das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu begrenzen.“
Nach Regierungsangaben sind seit 29. Juli mehr als 2.400 Menschen festgenommen worden. Darunter fallen laut UN auch willkürliche Festnahmen von Demonstrierenden, Menschenrechtsverteidiger:innen, Minderjährigen, Behinderten und Oppositionsmitgliedern sowie Wahlbeobachter:innen der Oppositionsparteien. In den meisten Fällen, von denen die UN Kenntnis bekam, dürfen die Festgenommenen weder einen Rechtsbeistand noch ihre Familien sprechen.
Hochsicherheitsgefängnisse für Oppositionelle im Bau
Mindestens 23 Menschen sind seit Beginn der Proteste ums Leben gekommen – die Mehrheit wurde laut UN erschossen. Die Generalstaatsanwaltschaft spricht von 192 Verletzten. Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt nach eigenen Angaben die Lage.
Maduro hat angekündigt, zwei Hochsicherheitsgefängnisse für festgenommene Demonstrierende fertig zu stellen. Fürs Wochenende hat die Opposition zu weiteren Proteste aufgerufen.
In der spanischsprachigen Welt wird Maduros Strategie seit dem Wahlsonntag im Juli mit dem Begriff „atrincheramiento“ bezeichnet, Verschanzung im Schützengraben, – oder direkt von Angriff gesprochen. Neben der Repression auf der Straße hat die Zensur nochmal zugenommen.
Vom Oberste Gericht, das laut Maduros Wunsch die Wahlprozesse überprüfen soll, ist kein unabhängiges Ergebnis zu erwarten. Oppositionskandidat Edmundo González hat die Vorladung direkt abgesagt. Ihm und Oppositionsführerin María Corina Machado drohen Festnahmen wegen „Anstachelung zum Aufstand“. Sie meiden die Öffentlichkeit seitdem.
Militärführung steht hinter dem Regime
Militär und Polizeistehen weiterhin hinter Maduro und seinem Regime. Zumindest hat deren Führung das verkündet als Antwort auf einen Aufruf von Oppositionsführerin María Corina Machado und Edmundo González Anfang August, „den Willen der Bevölkerung durchzusetzen“.
Auch wenn der Zusammenhalt in Polizei und Armee nur Fassade sein könnte.
Aktive und ehemalige Militärs kontrollieren zwar laut Recherchen der Deutschen Welle zwölf der 34 Ministerien, dazu 44 Firmen. Und das Land hat bei 28 Millionen Einwohner:innen 2.000 Generäle. Zum Vergleich: Die USA haben 900.
Die Frage ist allerdings, wie es im Unterbau ausschaut. Laut Schätzungen gibt es in Venezuela 123.000 Militärs. Das Fußvolk bekommt niedrige Löhne und armselige Sozialleistungen. Hinzu kommt die Repression gegen Andersdenkende. Soldaten machen einen Großteil der politischen Gefangenen des Regimes aus. Ihre Haftbedingungen sind besonders brutal.
Nachbarländer bleiben kritisch
Mexiko und Venezuelas direkte Nachbarn Kolumbien und Brasilien bemühen sich weiter, Regime und Opposition an den Verhandlungstisch zu bekommen. Sie haben – anders als viele Länder – den Wahlsieg Maduros nicht abgestritten, sondern nur Transparenz gefordert.
In Kolumbien, dem Land, das 3 der fast 8 Millionen Migrant:innen aus Venezuela aufgenommen hat, sprechen Medien allerdings längst von Wahlbetrug. Die Zeitung El Espectador warnt davor, sich von Maduro täuschen zu lassen – zu oft habe der Verhandeltes missachtet.
Die USA, Peru und Argentinien haben Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia als Sieger der Wahl anerkannt. Die EU tat dies bislang nicht, lehnte jedoch die Anerkennung der Wiederwahl Maduros ab.
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