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Nach den Anschlägen in ParisHollande gibt sich martialisch

Frankreichs Präsident will den Luftkrieg gegen den IS ausweiten. Zwei Männer stehen unter dringendem Tatverdacht. Dschihadisten drohen mit neuer Gewalt.

Molenbeek am Montag: Neue Festnahmen hat hier es nicht gegeben.

BRÜSSEL/Istanbul dpa | Frankreichs Präsident François Hollande will den UN-Sicherheitsrat im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) anrufen. Die Notwendigkeit der Zerstörung des IS sei eine Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, sagte Hollande am Montag während einer Sitzung bei der Versammlung der beiden französischen Parlamente Nationalversammlung und Senat in Versailles.

Er werde sich in den nächsten Tagen mit US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin treffen, um eine einheitliche Strategie in Syrien und gegen den IS zu erreichen. „Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Bewegung all jener, die gegen den Terrorismus kämpfen“, sagte Hollande. „Syrien ist zur größten Terrorismusfabrik der Welt geworden.“

Frankreich werde die massiven Luftangriffe auf den IS fortsetzen. Man werde den Flugzeugträger Charles de Gaulle bereits am Donnerstag ins östliche Mittelmeer verlegen, wodurch sich die Schlagkraft verdreifachen werde. „Wir brauchen mehr Luftschläge“, betonte der Präsident.

Unter den Opfern der Anschläge von Paris sind nach Angaben Hollandes mehrere Dutzend Ausländer. Es gebe Opfer aus 19 Ländern. Auch ein zweites deutsches Todesopfer sei identifiziert worden, teilte unterdessen das Auswärtige Amt am Montag in Berlin mit.

Razzia in Brüssel

Zwei der nach den Pariser Anschlägen in Belgien festgenommenen Männer stehen unter dringendem Terrorverdacht. Gegen beide am Samstag gefassten Personen sei Haftbefehl erlassen worden, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag in Brüssel mit. Der Vorwurf lautet, dass sie an einem terroristischen Attentat und den Aktionen einer terroristischen Vereinigung beteiligt gewesen sind.

Nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga saßen die beide Verdächtigen am Samstag gemeinsam mit Salah Abdeslam in dem Auto, das von der Polizei im nordfranzösischen Cambrai im Zuge der verschärften Grenzkontrollen überprüft worden war. Die Beamten ließen den Wagen allerdings weiterfahren, die beiden Verdächtigen wurden später in Brüssel festgenommen. Laut Belga handelt es sich bei den Männern um den Besitzer und einen Passagier des grauen VW Golf.

Fünf weitere der am Samstag festgenommenen sieben Terrorverdächtigen seien wieder auf freiem Fuß, so die Brüsseler Staatsanwaltschaft.

Nach wie vor fahndet die belgische Polizei unter Hochdruck nach Salah Abdeslam. Der 26-Jährige ist der Bruder eines Selbstmordattentäters von Paris und zur Fahndung ausgeschrieben. Ein vierstündiger Spezialeinsatz der belgischen Polizei in dem als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Stadtteil Molenbeek brachte am Montag keinen Erfolg. „Die Hausdurchsuchung war negativ und es wurde kein Haftbefehl ausgesprochen“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

IS droht mit neuen Anschlägen

Indes hat die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in einer neuen Videobotschaft Frankreich und seinen Verbündeten mit weiteren Terrorangriffen gedroht. „Wir erneuern unseren Aufruf an die Muslime in Europa, im ungläubigen Westen und überall, die Kreuzfahrer in ihrer Heimat und wo immer sie sind zu attackieren“, sagt ein Sprecher in einem rund elfminütigen Film, der am Montag über die sozialen Medien im Internet verbreitet wurde.

Zudem droht ein Kämpfer den Staaten, die mit Frankreich zusammen Luftangriffe in Syrien und im Irak fliegen: „Bei Gott, ihr werdet einen Tag erleben wie Frankreich.“ Weiter sagt er: “Wir haben Frankreich in Paris getroffen. Ich schwöre bei Gott, wir werden Amerika auf seinem eigenen Boden schlagen. Wir werden Rom erobern.“

Die Authentizität des Videos ließ sich zunächst nicht überprüfen. Es ähnelt aber ähnlichen Veröffentlichungen des IS. Am Ende werden Teile der Erklärung eingeblendet, mit der sich die Extremisten am Samstag zu der Terrorserie in Paris bekannt hatten.

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6 Kommentare

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  • Wie unberaten ist das denn? - ist ein doch sonst eher sympathisch-zögerlicher Holland?

    Wo sind die Intellektuellen, Politiker & besonnenen Persönlichkeiten von Format, die ihm mahnend in den Arm fallen, einer weiteren deGaullisierung

    en France entgegentreten?

     

    Eine von ihm angestrebte (weitere) Verfassungsänderung als

    kurzsichtiger Gipfel (Teppich für Le/LaPenistas?) von Maßnahmen in einem ohnehin traditionell zentralistisch-eruptiven Land. Dem man nicht ohne Grund nachsagt, daß seit der franz. Revolution ca. 200 Familien sagen, wo's lang geht und die Zahl der zugehörigen Arrondissements - sehr, aber sehr begrenzt ist.

     

    Ein Land - in dem über Monate als reale Spiegelung Banlieues brennen, No-Go-Areas für staatlich-polizeilich-paramilitärische Kräfte sind.

     

    So wie es keine sauberen Kriege gibt - gilt dies auch und gerade in France mit seinen aktuellen wie

    jahrhundertealten offenen Rechnungen für diese "Kräfte" - & ihre Gegenspieler - & eben nicht nur für schwer auszumachende

    ISler & deren Sympathisanten.

     

    Der brutal-wahre Satz von Küppersbusch "… Die Infamie der gegnerischen Strategie lässt sich, schlimm genug, auf die Anwendung humanoider Drohnen gegen technologische reduzieren.…" gilt uneingeschränkt - nicht nur - aber eben vor allem en France;

    Ein bißchen de Gaulle spielen wollen - ist da der aufgeblasen-unhistorisch falsche Weg.

  • Die Authentizität solcher Bekennerbotschaften läßt sich nicht beweisen (weil "Fingerabdrücke" - im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn - fehlen). Nach der Betroffenheit wäre jetzt skeptisches und analytisches Denken angebracht - also das, was Bettina Gaus hier bereits in einem lesenswerten Text getan hat: http://www.taz.de/Kommentar-Terrorismusbekaempfung/!5248316/. - Selbstmordattentäter sind Verblendete, Menschen, die sich von Scharfmachern haben "dumm machen" lassen. Ihre Intelligenz hat dabei ausgesetzt. Unsere Intelligenz sollte aber nicht aussetzen! Denn dahinter sitzen immer Planer, die selbst lieber nicht umkommen wollen beim Morden, die offensichtlich an den behaupteten Freuden des Paradieses zweifeln - oder selbst gar keine Islamisten sind, solche aber als nützliche Idioten schätzen. - Um diese Leute geht es! Wer sind sie? Kommen sie wirklich vom IS? Wollte dieser tatsächlich verstärkte Luftangriffe auf seine Stellungen provozieren? Wer profitiert stets von solchen Anschlägen? - "Medienanalyse international" hat bedenkenswerte Überlegungen zu den Pariser Anschlägen angestellt: http://www.medienanalyse-international.de/index1.html. - Ich greife einen von vielen Aspekten, die an der offiziellen Version zweifeln lassen, heraus: drei Attentäter, so heißt es, hätten in das Stade de France eindringen wollen - dann aber, weil ihnen dies nicht gelungen sei, sich selbst außerhalb in die Luft gesprengt. Ohne weitere Menschen zu töten oder zu verletzen. Es fragt sich, was das für lausige "Selbstmordattentäter" sein sollen, die bloß den ersten Teil ihrer zusammengesetzten Berufsbezeichnung ernst nehmen ... als Märtyrer haben sie doch dann voll versagt und werden im Paradiese kaum belohnt werden, oder? Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten hinter dem Nebel des Attentats auszumachen, das wäre jedenfalls schon mal ein Anfang im skeptischen Denken.

  • Die Herkunft eines Teils der Attentäter aus den banlieu von Paris und Brüssel zeigen vor allem: Der Terror ist hausgemacht und wird wenn, dann auch dort besiegt werden müssen. Und diese Aufgabe ist ungleich schwerer, bedeutet sie doch die Integration nachzuholen, die bei den Jugendlichen Nachkommen von Migranten in Frankreich sträflich vernachlässigt wurde - und zwar über Jahrzehnte. Bomben in Syrien werden da wenig nützen. Aber Präsident Hollande, der sonst nichts so recht hinbekommt, scheint sich, auch wenn's unsinnig ist, lieber als starker (endlich mal zupackender) Mann zeigen zu wollen und da ist Kriegsrethorik ofennbar willkommener als besonnene Vorgehensweisen.

  • Wenn erst jetzt bekannte wichtige Ziele am Hauptsitz des IS in Rakka bombadiert werden, fragt man sich ernsthaft, was hier eigentlich seit einem Jahr bombadiert wurde.

  • Putin: „Ich habe Beispiele auf der Basis unserer Daten über die Finanzierung verschiedener Einheiten des islamischen Staats (IS) durch Privatpersonen bereitgestellt. Dieses Geld kommt, wie wir festgestellt haben, aus 40 Ländern und es sind einige G20-Mitglieder unter ihnen."

  • Hollande verkauft sein Volk für blöd. Anstatt Bomben abzuwerfen und damit auch Zivilisten zu töten, sollte er sich einmal den Geldgebern des IS zu wenden. Ob zum Beispiel der Hauptsponsor von Paris St. Germain evt. etwas mit dem IS zu tun hat, ist wohl noch nicht geklärt, oder?

     

    TAZ (17.09.2014): Merkel soll IS thematisieren

    Der Emir von Katar besucht Deutschland. Die Opposition fordert von der Kanzlerin, während des Treffens auch mögliche Beziehungen zum IS anzusprechen. ... Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen nannte es „unerträglich, dass Berlin dem blutigen Diktator Katars (...) den roten Teppich ausrollt“.

     

    Und dann solche Aktionen:

     

    TAZ: Frankreich bombardiert IS-Stellungen

    Rakka in Syrien gilt als Hochburg des IS. Französische Jagdbomber haben dort ein Waffen- und Munitionslager sowie ein Ausbildungslager zerstört.

     

    Darauf unter tagesschau.de: Waren die IS-Kämpfer überhaupt in Rakka?

    Dutzende Bomben hat die französische Luftwaffe über der IS-Hochburg Rakka abgeworfen. Nun kommen Zweifel am Sinn der Vergeltungsaktion auf. Denn angeblich hatte der "Islamische Staat" seine Kämpfer längst aus der Stadt abgezogen.