Nach dem US-Abkommensausstieg: Iraner sind enttäuscht von Rohani

Hat die Stunde der Hardliner geschlagen? Nach Trumps Ausstieg herrscht in Teheran aus dem Atomabkommen Frust über Rohanis Politik.

Eine Frau mit Hund geht an einem Grafitto einer Freiheitsstatue mit Totenkopf-Gesicht vorbei

Die Wut auf die USA ist groß in Teheran Foto: dpa

TEHERAN taz | „Vielleicht hätten wir ja die USA nicht immer so hart beschimpfen sollen“ meint eine junge Mutter in einem der besser situierten Stadtteile von West-Teheran. Ihr Mann stimmt nicht zu: „Wir waren viel zu lasch und haben uns ein Abkommen aufschwätzen lassen, das uns gar nichts gebracht hat“. Der Staatsangestellte macht dafür Präsident Rohani verantwortlich, der den Iranern mit dem Atomabkommen eine dramatische Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in Aussicht gestellt habe, von der dann aber nichts eingetreten sei.


Im Gegenteil: Die Vereinigten Staaten hätten mit dem Abkommen nur einen Teil ihrer Sanktionen gegen den Iran ausgesetzt und andere unverändert aufrechterhalten. Vor allem die Sperrung des Bankverkehrs mit dem Iran. Und das, obwohl Washington sich mit dem Abkommen doch auch verpflichtet habe, die Sanktionen herunterzufahren. 
„Das wäre uns unter Ahmedinejad nicht passiert. Der bewies Stärke und das Ausland hätte sich solch repressiven Maßnahmen nicht getraut“. Nachfolger Rohani sei einfach zu schwach und unentschlossen und er trage deswegen einen Teil der Verantwortung für die Entwicklung seit der Unterzeichnung des Atomabkommens.


Es ist fast auf den Tag ein Jahr her, dass Rohani mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit gewählt wurde. Seine konservativen Widersacher machten ihm den Vorwurf, mit dem Atomabkommen von 2015 nichts erreicht zu haben, beim Wähler konnte das die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht maßgeblich trüben. Zwar gab es bereits bei den Wahlen genug Hinweise darauf, dass der neue Mann im Weißen Haus ein Gegner des Atomabkommens ist, dass er aber so weit gehen würde wie jetzt, hatten die meisten Iraner offenbar nicht erwartet. Und so sind am Abend der Trump-Rede in Teheran die Lokale gut besucht und der Verkehr draußen zähflüssig wie fast immer in der iranischen Hauptstadt.

Die Nervosität hält sich Grenzen, umso größer ist aber die Ernüchterung nach der Rede des US-Präsidenten:
 Spontan meinen viele, dies sei nun der Beweis, dass das Abkommen ein Fehler war und dass es „dem Ausland“ – nicht nur den USA – ja doch nur darum gehe, den Iran klein zu halten, zu gängeln und zu isolieren. Hat die Stunde der Hardliner geschlagen? Das zu sagen, wäre etwas verfrüht. Wenn aus deren Reihen auch sofort Forderungen zu hören sind, das Land solle nun den historischen Fehler korrigieren und selbst aus dem Atomabkommen aussteigen. Vielleicht sogar aus dem Nichtverbreitungsabkommen (NPT) – dem der Iran einst als einer der ersten beigetreten war?

Rohani trat ein schweres Erbe an

Sogar aus dem Umkreis von Rohani sind solche Überlegungen zu hören. Aber schnell gibt der nicht auf. Er hat ja erst das erste Jahr seiner zweiten Amtszeit hinter sich und er wird seinen Gegnern das Feld nicht einfach überlassen. Wären jetzt Wahlen, stünde das Rohani-Lager vermutlich auf verlorenen Posten (er selbst darf kein drittes Mal antreten) und es könnte sich wiederholen, was nach der zweiten Amtszeit des erfolglosen Reformers Khatami geschah: Die enttäuschten Wähler brachten Ahmedinejad ins Amt. Den Mann, der mit radikalen Sprüchen, vor allem aber mit zügelloser Atompolitik, den Iran in die internationale Isolation trieb. Nachfolger Rohani trat ein schweres Erbe an.

Das Land litt schwer unter den Sanktionen und dem allgemeinen Misstrauen, das die Außenwelt ihm entgegenbrachte. Erst das mühsam herbeigeführte Atomabkommen versprach, dem ein Ende zu bereiten und lang erhoffte Reformen und Liberalisierung umzusetzen. Makaber, dass Trump genau dies torpediert. Trotz seiner wiederholt beschworenen angeblichen Fürsorge für das iranische Volk.

So aber versucht Rohani nun zu retten, was zu retten ist: Immerhin ist die Zahl der Trump-Kritiker in der Frage des Atomabkommens binnen weniger Stunden überraschend stark angewachsen. Nun gilt es, diese verbale Solidarität in tatkräftige Unterstützung umzufunktionieren. Besonders auf Seiten der Europäer. Sie – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – hatten vor Jahren die Initiative zu Atomverhandlungen und -abkommen ergriffen und sie stellen sich in einer gemeinsamen Erklärung hinter das Abkommen, solange auch der Iran dazu bereit sei.

So tun, als gäbe es Trump nicht

Aber selbst unter den Anhängern Rohanis ist man skeptisch: „Es ist leicht, Briefe zu schreiben und Erklärungen abzugeben“ sagt einer von ihnen. Ein anderer gibt zu bedenken, dass auch die Europäer nicht aus Sympathie zu Iran handelten, sondern aus Eigennutz: Sie wollten Geschäfte machen mit dem Land. Tatsächlich hat sich der Handel zwischen Deutschland und dem Iran seit der Unterzeichnung des Atomabkommens vervielfacht, wenngleich er noch weit hinter den „goldenen Zeiten“ zurückliegt.

Obwohl man im Iran natürlich weiß, daß die neuen US-Sanktionen auch Drittstaaten treffen, die mit Iran Geschäfte abwickeln, heißt es jetzt, die Europäer müssten nun „beweisen“, dass sie zum Abkommen stehen. Wie solch ein Beweis aussehen soll, bleibt ein Geheimnis. Außer eben, dass man solange wie möglich tut, als gebe es Trump und die Sanktionen nicht. Kaum eine vielversprechende Methode.

Inzwischen übt sich der Iran in Normalität: Die Ausflugsorte und Parks sind große Anziehungspunkte, zum Beispiel der große Fadak Park. Pärchen gehen spazieren, eine Gruppe junger Männer trainiert Kampfsport und junge Frauen radeln in Gruppen über die sorgfältig angelegten Radwege und einige junge Frauen flanieren unbehindert ohne das obligatorische Kopftuch, Die Supermärkte sind voll von Importen – viele davon aus Deutschland. Und in Elektroläden drängeln sich Kunden, um Fernseher zu kaufen bevor sie wegen des fast täglichen Währungsverfalls teurer werden. Es sind übrigens Geräte ohne Satellitenempfang, denn der ist verboten, obwohl überall praktiziert. Die Tuner werden unter der Hand verkauft. Ein Ladenbesitzer hat seine eigen Erklärung dafür: „Der Iran ist eben etwas anders als andere Länder.“

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