Nach dem Irandeal in den USA: Werben um jüdische Stimmen
Der Atomdeal ist für Obama ein Erfolg. Doch weil Israel das Abkommen kritisiert, wittern die Republikaner nun ihre Chance bei jüdischen Wählern.
Die Demokraten geben sich betont gelassen und verweisen auf die Loyalität ihrer Anhänger. Zwar hat sich gerade Hillary Clinton, die ernsthafte Ambitionen auf die Nachfolge Obamas hegt, mit ihrem Einsatz für den Iran-Deal unter den amerikanischen Juden gewiss nicht nur Freunde gemacht. Doch am Ende werden wohl auch die jüdischen Wähler ihre Stimme nicht allein von außenpolitischen Entscheidungen der Kandidaten abhängig machen.
Die Bühne für die republikanische Kritik an der politischen Öffnung gegenüber dem Iran ist der Kongress. Dieser hat 60 Tage Zeit, das Atomabkommen genau unter die Lupe zu nehmen. Gegebenenfalls verabschiedet er Gesetze, mit denen die von Obama angestrebte Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran verhindert würde. Die republikanischen Anwärter auf eine Nominierung im Rennen um die Präsidentschaft könnten dies dafür nutzen, das Thema Iran bis weit ins Wahljahr 2016 hinein in den Schlagzeilen zu halten.
Genau das will Obama nach Möglichkeit verhindern. Er hoffe, beim Thema Iran werde es „um Fakten gehen, nicht um Politik und nicht um Profilierung“, sagte der US-Präsident im Vorfeld der im August beginnenden TV-Debatten zwischen den republikanischen Kandidaten. Aus Sicht von Kritikern haben Obama und Clinton hier allerdings eine Steilvorlage geliefert.
Die illegitime, drittrangige Autokratie
Die beiden hätten die Öffnung gegenüber Teheran wesentlich vorangetrieben, sagt Mark McNulty von der Lobby-Gruppe Republican Jewish Coalition. Für einen jüdischen Wähler könnte es daher eine ansprechende Vorstellung sein, künftig einen Republikaner im Weißen Haus zu haben. Und für einen guten Kandidaten wäre es laut McNulty zudem leicht, Clinton persönlich mit dem Thema Iran in Verbindung zu setzen. Schließlich habe sie den Verhandlungsprozess mit geheimen Gesprächen in ihrer Zeit als Außenministerin überhaupt erst in Gang gebracht.
Der Kandidat Marco Rubio, bisher republikanischer Senator aus Florida, setzt genau dort an. „Eigentlich hätte dies eine Auseinandersetzung zwischen einer Supermacht und einer illegitimen, drittrangigen Autokratie sein müssen“, schrieb er in einem Beitrag für das konservative Online-Portal Breitbart News. Clinton und Obama hingegen hätten sich darauf beschränkt, auf „flüchtige Anzeichen einer Mäßigung von grausamen Theokraten“ zu hoffen.
In jüdisch-amerikanischen Kreisen wird die Haltung der US-Regierung bei den Atomgesprächen tatsächlich sehr kritisch beurteilt. Für Clinton ist das eine große Herausforderung, denn sie muss nicht nur um jüdische Stimmen bangen, sondern auch um die Unterstützung traditioneller Spender, denen die Sicherheit Israels ein besonderes Anliegen ist.
Seit 1992 haben die Demokraten bei den US-Präsidentschaftswahlen stets etwa drei Viertel der jüdischen Stimmen erhalten. Auch 2012, als die Republikaner mit einer millionenschweren PR-Kampagne Obamas Bekenntnis zu Israel infragestellten, waren es am Ende etwa 70 Prozent.
Andere Themen im Fokus
Dies könnte schlicht daran liegen, dass für viele Wähler, auch unter den amerikanischen Juden, im Grunde ganz andere Themen im Fokus stehen – etwa die Wirtschaft oder Gesundheitspolitik. Und selbst wenn sich ein Teil der jüdischen Wähler tatsächlich von den Demokraten abwenden sollte, wären die Auswirkungen auf nationaler Ebene womöglich überschaubar.
Der Meinungsforscher Peter Brown von der Quinnipiac University betont allerdings, dass gerade in einigen der sogenannten Swing States, in denen das Wahlergebnis oft sehr knapp ausfällt, der Anteil der jüdischen Bevölkerung recht hoch ist – unter anderem in Florida, Ohio und Pennsylvania.
Wenn sich ein Teil der jüdischen Wählerschaft zunehmend den Republikanern zuwendet, könnte dies aber auch einen ganz anderen Hintergrund haben. Nicht Politik, sondern ein Wandel in der Demografie sei hierfür verantwortlich, sagt Jane Eisner, Chefredakteurin der einflussreichen jüdisch-amerikanischen Zeitung „Forward“. Die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe innerhalb der Gemeinschaft sei nämlich die der orthodoxen Juden, die ohnehin konservativ sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?