Nach dem Aufstand der Wagner-Gruppe: Auf erste Freude folgt Ernüchterung

Trotz Scheitern des Aufstands sieht man in der Ukraine das russische Regime im Zerfall. Die Raketenangriffe aus Russland hielten am Wochenende an.

Zwei Männer ducken sich vor unter Schutt begrabenen Autos unter einem Absperrband hindurch

Während die Wagner-Gruppe auf Moskau zusteuerte, wurde die Ukraine weiter bombardiert Foto: Andrew Kravchenko/ap

Die samstägliche Freude über den Putschversuch von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in der ukrainischen Gesellschaft hat einer gewissen Ernüchterung Platz gemacht. Trotz des Hasses auf Prigoschin, der die Hauptverantwortung für die Zerstörung von Bachmut trägt, hatte man gehofft, dass sich die Privatarmee Wagner mit den regulären russischen Militärs anlegt, beide Kräfte sich gegenseitig zerfleischen und Russland bei diesem Machtkampf die Ukraine aus dem Fokus verlieren würde und man eine günstige Ausgangslage auf dem Schlachtfeld hätte. Diese Hoffnungen haben sich zerschlagen.

Erneut sind am Samstag und Sonntag neun ukrainische Bezirke, darunter die Gebiete Tschernihiw, Sumy, Charkiw, Saporischschja und Dnipropetrowsk von Russland beschossen worden, erneut hat die Ukraine Tote durch diese Angriffe zu verzeichnen, berichtet die Ukrajinska Prawda am Sonntag.

Doch auch dem misslungenen Putsch kann man etwas abgewinnen. „Prigoschin hat Putin/den Staat erniedrigt und gezeigt, dass es [in Russland] kein Machtmonopol mehr gibt“, zitiert gordonua.com Michail Podoljak, Berater des Chefs der Präsidialadministration. „Russland wird gerade angezählt“, schreibt Olexi Danilow, Chef des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates. Seit Samstag, so Danilow auf seiner Facebook-Seite, sei der Zerfallsprozess von Russland unumkehrbar.

Der Wagner-Chef sei Teil eines Planes einer Gruppe von unzufriedenen Staatsbeamten und Oligarchen, die Russland destabilisieren wollten. Bereits jetzt halte sich eine Gruppe von Personen in Russland im Verborgenen in Wartestellung, die Verhandlungen mit der Ukraine führen wollten. Darunter sei auch der belarussische Staatschef Lukaschenko, so Danilow.

Bis zum frühen Samstagabend hatte in der Ukraine eine fröhliche Stimmung geherrscht. „Am Abend sind die Aufständischen in Moskau“, schrieb Swetlana Krjukowa, stellvertretende Chefredakteurin von strana.news, auf ihrem Telegram-Kanal und schmückte ihren Eintrag mit Popcorn-Symbolen. Den ukrainischen Außenminister Dmitro Kuleba zitierte sie mit den Worten: „Jede Rebellion, jedes Problem, das hinter den feindlichen Linien auftaucht, ist in unserem Interesse.“

Der rechtsradikale Chef des in der Ukraine angesiedelten „Russischen Freiwilligenkorps“, Denis Nikitin, hatte jubelnd analysiert, dass die aktuelle Entwicklung in Russland günstig für die ukrainische Gegenoffensive sei. Nun seien die Soldaten der russischen Armee gezwungen, ihre Stellungen um Bachmut und Saporischschja aufzugeben, zitierte focus.ua Nikitin.

„Jetzt sind die letzten Stunden von Putin gekommen“, sagte die Friseusin Natali in ihrem Geschäft. „Sein Gesicht will ich erleben, wenn er von der Angst ergriffen den Aufständischen gegenübersteht.“ Den Einwand ihrer Kollegin, Prigoschin sei doch der Schlächter von Bachmut und noch viel schlimmer als Putin, wollte niemand gelten lassen. Die Warner waren am Samstag in der Minderheit.

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