Nach dem Anschlag in Nizza: Nicht nur der Täter ist schuld
Die polizeiliche Absicherung der Promenade in Nizza, auf der 84 Menschen getötet wurden, war ungenügend. Die Regierung mag das nicht hören.
Der Zugang zur Uferpromenade sei, so der Bericht mit entsprechenden Fotos, nicht von Polizeibeamten abgesperrt worden, wie dies Innenminister Bernard Cazeneuve ursprünglich erklärt habe, sondern lediglich von einem Fahrzeug der „Police municipale“, die man als kommunale Hilfspolizisten bezeichnen kann.
Dass ein Regierungsmitglied in einer derart wichtigen Frage die Wahrheit zu vertuschen versucht, wäre viel gravierender als eine mangelnde Prävention selber. Cazeneuve hat dementiert und eine Untersuchung der polizeilichen Einsatzpläne und der effektiven Präsenz der nationalen und kommunalen Polizeieinheiten in Auftrag gegeben.
Der Polizeipräfekt von Nizza bestätigte aber auf einer Pressekonferenz, die Beamten der nationalen Polizei seien nach 21.30 Uhr von kommunalen Kollegen abgelöst worden, das sei von Anfang an geplant gewesen und niemand habe da etwas vertuscht. Die Darstellung durch Libération sei deswegen „ungerecht und beleidigend“.
Auch die Satirezeitung Le Canard enchaîné berichtet von Sicherheitslücken. Dem Blatt zufolge gaben die Behörden die ursprüngliche Idee von Betonabsperrungen auf der Promenade auf. Auch auf individuelle Besucherkontrollen sei verzichtet worden.
Mehrere Monate lang geplant
Der Attentäter von Nizza hatte seinen Anschlag nach Erkenntnissen der Ermittler vermutlich seit mehreren Monaten geplant. Zudem habe der 31-jährige Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel Unterstützung bei der Vorbereitung gehabt, sagte der französische Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins am Donnerstag in Paris. Die Behörde eröffnete ein Ermittlungsverfahren wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und beantragte Untersuchungshaft für fünf Verdächtige.
Sie wurden am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt, der Ermittlungen wegen Beihilfe gegen sie einleitete. Betroffen sind ein Mann und eine Frau, die verdächtigt werden, dem Attentäter Mohamed Lahouaiej Bouhlel die Pistole verschafft zu haben, mit der er am Ende seiner Raserfahrt auf Polizisten feuerte, bevor er selber erschossen wurde. Mit einem anderen Komplizen unterhielt er sich noch kurz vor dem Anschlag per SMS.
Der Staatsanwalt stützt sich bei den neuen Erkenntnissen auf die Auswertung von Kommunikationsdaten und Fotos. So wurden auf einem Handy von Mohamed Lahouaiej Bouhlel Bilder von zwei Feuerwerken und einem Konzert auf der Strandpromenade von Nizza im Sommer 2015 gefunden, der Fokus lag dabei jeweils auf der Menschenmenge. Er hatte auch einen Zeitungsartikel gespeichert, bei dem es um einen Mann ging, der mit einem Fahrzeug auf eine Restaurant-Terrasse raste. Bislang war nur die Rede davon gewesen, dass er die Attacke über mehrere Tage vorbereitet habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht