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Nach dem Angriff auf IsraelNicht in die Falle der Hamas tappen

Kommentar von Susanne Knaul

Bilder unschuldiger Kriegsopfer in Gaza spielen der Hamas in die Hände. Um die gefährliche Lage zu entschärfen, ist internationales Zutun nötig.

Von der Hamas beabsichtigte Bilder? Explosion nach einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt am 7. Oktober Foto: Adel Hana/ap

N icht länger. So sagen jetzt viele Israelis, die bis zum 7. Oktober an Menschenrechte für beide Konfliktseiten, an eine Zweistaatenlösung und Selbstbestimmung der PalästinenserInnen glaubten und die Hoffnung darauf nicht aufgeben wollten. Mit dem brutalen Morden, mit dem sich die Schlächter nach Art des Islamischen Dschihads selbst inszenierten und mittels Videoaufnahmen sicherstellten, dass Angehörigen ihrer Opfer kein Detail der Hinrichtung entgehen würde, erreichte die Hamas genau das, worauf sie abzielte: Eine friedliche Lösung noch unwahrscheinlicher werden zu lassen, als sie ohnehin schon war. Hass erzeugen, Angst und den verständlichen Hunger nach Rache.

„Ich verspreche euch“, so Verteidigungsminister Joav Galant an die seit Tagen zum Einsatz bereitstehenden Truppen, dass sie den Gazastreifen bald „von innen sehen“ werden. Einmarschieren und alles plattmachen – genau darauf spekuliert die Hamas. Ein Segen, dass es Israels Regierung nicht eilt mit der Bodenoffensive. Ein Segen auch die internationalen diplomatischen Anstrengungen. Seit Tagen geben sich ChefdiplomatInnen und SpitzenpolitikerInnen die Klinke in die Hand. Sie sollten nicht damit aufhören.

Die Hamas setzt auf Schreckensbilder aus Gaza, auf den dann zu erwartenden internationalen Aufschrei und auf die militärischen Verbündeten in Teheran und im Libanon. Völlig klar, dass die palästinensischen Milizen gegen die Übermacht Israel keine Chance haben. Gelingt es jedoch, die Hisbollah in einen Krieg mit Israel zu verwickeln, wären die Folgen unvergleichbar schlimmer als bisher. Für Israel, aber auch für den Libanon.

Diese Macht, einen regionalen Flächenbrand zu provozieren, in der Hand einer Organisation, die in ihren Methoden mit dem „Islamischen Staat“ (IS) vergleichbar ist, muss ein Ende haben. Auf militärischem Weg wird das kaum möglich sein, ohne ein Massenmorden unter der palästinensischen Zivilbevölkerung zu riskieren.

Qassam-Brigaden vertreiben

Um das zu verhindern, ist jetzt energisches internationales Zutun gefragt. Ähnlich wie in den frühen 80er Jahren, als Israel die bewaffneten Truppen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aus dem Libanon vertrieb, die sich dann in Tunis ansiedelten, müsste ein Land gefunden werden, das bereit ist, die Hamas-nahen Qassam-Brigaden aufzunehmen. Katar wäre eine Option.

Der Gazastreifen könnte dann zunächst von einer internationalen Treuhandschaft verwaltet werden, wie es Dominic Johnson in der taz vom Dienstag vorschlug, oder aber von der Palästinensischen Autonomiebehörde. Bis endlich wieder Wahlen in den Palästinensergebieten stattfinden – ohne die Hamas.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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8 Kommentare

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  • Die Hamas ist nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zum Frieden.

    Es ist die Siedlungspolitik, die nicht nur nie aufgehört hat (vielleicht eine kleine Pause unter Rabin), aber die immer aggressiver wird. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Mehrheit der Israelis bzw. die von ihnen gewählte Parlamentsmehrheit keinen palästinensischen Staat im Westjordanland will.

    Damit gibt es auch keine Grundlage für ein friedliches Zusammenleben und das wird sich auch nach einer möglichen Zerschlagung der Hamas nicht ändern. Im aktuellen Krieg kommt es sogar, wie es scheint, zu einer Annäherung von Hamas und Fatah.

    • @Deutschfranzose:

      Bis jetzt war es immer die Führung der Palästinenser, an die jeden Vorachlag zuverlässig abgelehnt hat!

      Im Jahr 2000 bot der israelische Premierminister Barak dem PLO Führer Arafat etwa neunzig Prozent des Westjordanlandes, den ganzen Gazastreifen und Ostjerusalem als Hauptstadt(!) eines neuen palästinensischen Staates an, dazu noch einen Entschädigungsfond.



      Wurde abgelehnt…

  • "Nicht länger. So sagen jetzt viele Israelis, die bis zum 7. Oktober an Menschenrechte für beide Konfliktseiten, an eine Zweistaatenlösung und Selbstbestimmung der PalästinenserInnen glaubten und die Hoffnung darauf nicht aufgeben wollten."



    Schon geopolitisch sind zwei Staaten m.E. unrealistisch



    Neulich im ZDF online am 4.7.23



    "Die Palästinenser schauen natürlich auch auf die Justizreform, weil in der aktuellen Lage schwindet das Vertrauen der Palästinenser in ihre eigene Führung, die palästinensische Autonomiebehörde. Das führt unter anderem dazu, dass sich immer mehr Jugendliche bewaffnen. Der Grund für die Anti-Terror-Aktion der israelischen Seite liegt auch mit darin begründet.



    Zum anderen ist da natürlich die Hoffnung, dass man in einem gemeinsamen Staat leben könnte, auch dadurch massiv gestört, weil man das Gefühl hat, dass Menschenrechte und der Schutz durch Gerichte - was eigentlich Israel der palästinensischen Autonomiebehörde voraus hat - eingeschränkt werden.



    Auf der anderen Seite ist die Zwei-Staaten-Lösung natürlich immer noch unser Credo als Deutsche, weil wir hoffen, dass diese zwei Völker friedlich miteinander in eigenen Staaten leben können. In Wirklichkeit ist das aber leider keine realistische Perspektive im Moment. Eine Ein-Staaten-Realität wäre aber noch unrealistischer.



    Palästinenser demonstrieren in Dschenin (...)



    Aus Sicht Israels ist die Stadt im Westjordanland eine Hochburg militanter Palästinenser. Aus Rache für den Militäreinsatz verletzte ein Hamas-Mitglied Passanten in Tel Aviv. Kann es überhaupt eine friedliche Koexistenz der Religionen und der Völker in Israel geben?



    Von Freytag-Loringhoven: Die kann es natürlich geben, aber dafür müssen die Konflikte dahinter gelöst werden. Gleichzeitig ist es nicht die Religion allein, die den Konflikt schafft, sondern es sind politische Konflikte. Und die Mehrheit der Bevölkerung lebt friedlich miteinander."



    /



    www.zdf.de/nachric...tizreform-100.html

  • Das wäre natürlich schön, wenn die Hamas einfach gehen würde. Das wird sie aber nicht machen. Nur wenn die Palästinenser endlich gegen die Terroristen in den eigenen Reihen kämpfen und diese für immer vertreiben, wird es Frieden geben.

  • Sie schreiben es ja selber: Die Hamas hat sich zu einem IS 2.0 gemacht. Und dieser wird wohl kaum - wie die PLO damals - auf Grund diplomatischer Bemühungen ins Exil gehen, sondern eher den Märtyrertod wählen - mit allen Konsequenzen, vermute ich.

  • Ich schätze die Wahnsinnigen der Hamas, will auch Katar nicht auf seinem Territorium haben?!?!

    • @DieTazLeser:

      Vemrutlich ja, aber nicht weil sie wahnsinnig sind, sondern weil ~10% der Kataris schiitisch sind, und >80% salafistisch-wahhabitische Sunnis.

    • @DieTazLeser:

      Ägypten, möchte sie jedenfalls nicht.