Nach Wahlerfolg in Hannover: Grüne Pflänzchen im Norden
Belit Onay wird neuer OB von Hannover. Bisher schafften es die Grünen nur im Südwesten in die Rathäuser. Eine Zeitenwende?
In der Tat haben die Grünen in Hannover eine kleine Sensation geschafft: Der 38-jährige Onay setzte sich am Sonntag in der Stichwahl mit 52,9 Prozent gegen seinen CDU-Konkurrenten durch. Ein Grüner im Rathaus, das ist neu in einer Stadt, die über 70 Jahre von Sozialdemokraten regiert wurde. Onay ist zudem der erste Oberbürgermeister mit Migrationshintergrund in einer deutschen Landeshauptstadt.
Bisher eroberten die Grünen Rathäuser vor allem im Südwesten der Republik. Stuttgart wird von Fritz Kuhn regiert, Tübingen von Boris Palmer und in Freiburg saß bis 2018 der Grüne Dieter Salomon am Ruder. In Baden-Württemberg gehört eine starke kommunale Verankerung zur grünen Historie. Hier gab es früh grüne Beigeordnete, hier wurde Elmar Braun 1991 in Maselheim der erste grüne Bürgermeister in Deutschland. Und hier wurde Winfried Kretschmann 2011 der erste grüne Ministerpräsident eines Bundeslandes überhaupt. Dass er das geschafft hat, liegt auch an der Präsenz der Grünen in der Fläche.
Werden die Grünen im Norden nun das, was sie im Südwesten schon sind? Hannover ist schließlich nicht das erste bemerkenswerte Zeichen. Mitte Juni wurde Anna Kebschull als grüne Landrätin gewählt. Sie gewann die Wahl im Landkreis Osnabrück, einer CDU-Hochburg. Ihr Sieg wurde auch in der Unions-Bundestagsfraktion aufmerksam registriert. Wenn Grüne in Osnabrück gewinnen, dann sei kaum ein Wahlkreis noch sicher, hieß es bei den Abgeordneten. Osnabrück liegt ebenfalls in Niedersachsen, gerade mal 140 Kilometer von Hannover entfernt.
Eine inhaltliche Zeitenwende
Niedersachsens Grünen-Landeschefin Anne Kura gab sich selbstbewusst. Die Erfolge Onays und Kebschulls zeigten, dass die Grünen sich „ein breites kommunalpolitisches Standing“ erarbeitet hätten. „Die NiedersächsInnen trauen uns zu, erfolgreich Rathäuser und Landratsämter zu führen.“ Baerbock wollte den Nord-Süd-Vergleich nicht anstellen. Baden-Württemberg lasse sich nicht eins zu eins auf den Norden Deutschlands übertragen. Auch habe Onay bei seinem Erfolg nicht geschaut, wie es in Stuttgart gelaufen sei. „Man kann am besten verändern, wenn man sich der Realität vor Ort stellt“, sagte Baerbock. „Und die Realität vor Ort ist in vielen Städten sehr unterschiedlich.“
Da ist etwas dran. Während die Grünen in Teilen der Republik auch in der Fläche stark sind, kämpfen sie anderswo mit erheblichen Problemen. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen schnitten sie jenseits der Großstädte sehr schlecht ab.
Auch die Situation in Hannover war eine Besondere. Die SPD hatte sich in ihrem angestammten Revier selbst durch eine Rathausaffäre geschwächt. Der ehemalige Oberbürgermeister Stefan Schostok war im April zurückgetreten, weil er von unzulässigen Gehaltszuschlägen für Spitzenbeamte gewusst haben soll. Nachdem im ersten Wahlgang keiner der Bewerber die nötige Mehrheit schaffte, dürfte Onay in der Stichwahl davon profitiert haben, dass ihm ehemalige SPD-WählerInnen ihre Stimme gaben.
Doch gleichzeitig steht sein Sieg auch für eine inhaltliche Zeitenwende. Hannover galt seit jeher als Sinnbild der „autogerechten Stadt“, die Nähe zu Wolfsburg und VW und der Sitz der Landesregierung taten ihr Übriges. Onay vertritt eine andere Agenda. Ganz oben stehen: weniger Autoverkehr, eine bessere Luft in der Innenstadt, mehr Fahrradwege, ein besserer ÖPNV. Wenn schon Auto, dann wenigstens Carsharing.
Und die Grünen planen schon den nächsten Schritt, um Norddeutschland ein bisschen südwestdeutscher zu machen. Am Samstag wählten die Hamburger Grünen Katharina Fegebank zur Spitzen- und Bürgermeisterkandidatin für die Bürgerschaftswahl im Februar 2020. Ihre Kandidatur ist eine Kampfansage an die SPD. Zum ersten Mal will eine Grüne offiziell das Amt der Ersten Bürgermeisterin erringen.
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