Nach Untreue-Verdacht gegen Bosse: Weniger Geld für VW-Betriebsräte
Die Arbeitnehmervertreter müssen happige Einbußen hinnehmen: So will der Konzern den Vorwurf, sie sollten gefügig gemacht werden, entkräften.
BERLIN taz | Bernd Osterloh sagt, er sei „mit sich im Reinen“. Das erklärt der Konzern- und Gesamtbetriebsratschef von VW auf der Website der IG Metall bei Volkswagen. Da stellt sich doch gleich die Frage, was er sich denn möglicherweise vorzuwerfen hätte? Es geht um ein für VW hochsensibles Thema: Werden Betriebsräte beim weltgrößten Autokonzern immer noch in unzulässiger, also überzogener Weise bearbeitet, damit sie dem Management trotz Mitbestimmung nicht so viel Stress machen?
Immerhin erschütterte erst vor gut einem Jahrzehnt die unschöne Affäre um geheime Boni und Lustreisen auf Firmenkosten für die Arbeitnehmervertreter den Konzern. Als ob das nicht genug wäre: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt seit Mai 2017 erneut wegen des Anfangsverdachts der Untreue bei Zahlungen an die Betriebsräte – gegen hohe VW-Manager, die damit möglicherweise die Arbeitnehmervertreter unzulässig beeinflussen. Mitte November durchsuchten Staatsanwälte und Steuerfahnder deshalb sogar die Büros der VW-Führungsspitze. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich nicht gegen Osterloh und seine Kollegen.
Allerdings haben die VW-Bosse nun offenbar genug von den Unterstellungen – und kürzen 14 übertariflich vergüteten Betriebsräten im Haus die Bezüge. „Wir bedauern, dass Mitglieder unseres Betriebsrats und Vertreter des Unternehmens dieser Situation ausgesetzt sind“, sagte VW-Vorstandschef Matthias Müller am Freitag in Wolfsburg. Volkswagen zahle einem kleinen Kreis von Betriebsräten vorläufig nur noch eine Vergütung bis zur obersten tariflichen Stufe. Das bedeutet zum Teil happige Kürzungen. Die betroffenen Betriebsräte werden bisher weit über Tarif bezahlt. Auch die teilweise üppigen Jahres-Bonuszahlungen liegen nun auf Eis. Die Regelung gilt rückwirkend zum 1. Dezember.
Die besondere Stellung des Betriebsrats bei Volkswagen hat auch mit der starken Stellung des Landes Niedersachsen im Konzern zu tun. Die Landesregierung in Hannover hält etwa 20 Prozent an VW – deshalb hatten vor allem SPD-Ministerpräsidenten die Arbeitnehmer bei VW lange unterstützt. Zur Erinnerung: Über die Betriebsratsaffäre stürzte auch der vom einstigen Ministerpräsidenten und späteren Kanzler Gerhard Schröder protegierte VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz.
Heftige Einbußen für den Betriebsratschef
Für Osterloh sind die Einbußen heftig: Sein Jahres-Grundgehalt betrug nach eigenen Aussagen bisher rund 200.000 Euro – nach der Deckelung liegt das Grundgehalt nur noch bei rund 96.000 Euro. In der Spitze hatte er, auch wegen saftiger Bonus-Zahlungen, einmal 750.000 Euro verdient.
Der 61-Jährige steht – als indirekte Folge des Betriebsratsskandals – seit 2005 an der Spitze des Gremiums und ist als Mitglied im Präsidium des Aufsichtsrats und als stellvertretender Aufsichtsratschef einer der einflussreichsten Personen im Konzern. Er wurde bisher vergleichbar zu einem Bereichsleiter bei VW bezahlt, also einem Mitglied der mittleren Führungsebene unterhalb der Marken- und Konzernvorstände.
VW erklärte mit Blick auf die Ermittlungen, das Unternehmen habe sich dazu entschlossen, diese „für alle Beteiligten belastende Situation“ schnellstmöglich zu klären. „Wir danken den Betriebsräten ausdrücklich, dass sie diesen Schritt mittragen“, sagte Müller. Insgesamt gibt es 262 Betriebsräte im Konzern. Mehr als 90 Prozent von ihnen wurden bislang nach Tarif bezahlt – und sind somit nicht von Kürzungen betroffen.
Das Betriebsverfassungsgesetz lasse in Bezug auf die Entgeltfestsetzung von Betriebsräten wichtige Fragen unbeantwortet, sagte Müller. Er kündigte an, mit Nachdruck eine „proaktive“ rechtliche Klärung anzustreben. Ein Sprecher sagte, dies könne etwa ein Schiedsverfahren mit einem externen und unabhängigen „Schiedsrichter“ sein.
Osterloh kritisiert die Kürzungen
Im Gesetz heißt es sinngemäß, dass Betriebsratsmitglieder nicht weniger verdienen dürfen als vergleichbare Mitarbeiter mit einer für den Betrieb üblichen Entwicklung. Das Problem aber ist, dass ein Unternehmen bei freigestellten Betriebsräten, zumal wenn sie diese Tätigkeit lange ausüben, „hypothetische Karriereverläufe“ feststellen muss. Dies geschieht bei anderen Konzernen beispielsweise dadurch, dass die Betriebsräte sich einen „normalen“ Arbeitnehmer auswählen, an dessen Gehaltsentwicklung sich die ihre orientiert.
Der VW-Konzernbetriebsrat erklärte, der Schritt des Vorstands sei nötig, um eine rasche arbeitsrechtliche Klärung vorantreiben zu können. „Die Entscheidung minimiert strafrechtliche Risiken für die verantwortlichen Manager.“ Aus Sicht des Betriebsrats steht das vom Unternehmen festgelegte Gehalt etwa Osterlohs im Einklang mit rechtlichen Vorgaben, dies werde durch externe Gutachten bestätigt.
Osterloh selbst äußerte in einem Interview auf der Homepage der IG Metall bei Volkswagen Kritik am Schritt des Vorstands. „Ich denke, dass hier jetzt nach der jüngsten Aktion der Braunschweiger Staatsanwaltschaft einige im Unternehmen auf 110 Prozent sicher gehen wollen. Deshalb gibt man strafrechtlichen Befürchtungen eine höhere Priorität als arbeitsrechtlichen Würdigungen, die von anerkannten Experten stammen“, wird er dort zitiert.
Die strafrechtlichen Berater des Vorstands hätten empfohlen, jedes Risiko auszuschließen. „Und in diesem Fall heißt das für einige Betriebsräte, die bislang eine Management-Vergütung bekommen haben, dass ihr Entgelt erst mal reduziert wird.“ Die 14 vom Schritt des Vorstands betroffenen Betriebsräte fielen nun in die oberste Tarifstufe zurück. „Das sind etwa 8.000 Euro pro Monat“, sagte Osterloh.
Er betonte, alle renommierten Arbeitsrechtler seien sich einig, dass der Gesetzgeber klare gesetzlichen Vorgaben machen sollten. Er fügte hinzu, ihm würden „von vielen Seiten Managementqualitäten zugeschrieben. Ich stecke oft privat zurück und arbeite regelmäßig mindestens 70 Stunden die Woche“. Er denke, seine Eingruppierung im Management vergleichbar zu einem Bereichsleiter sollte „in Ordnung“ sein. Der Betriebsratschef hatte im Jahr 2015 das Angebot abgelehnt, Personalchef bei VW mit einem Millionengehalt zu werden. (mit dpa)
Leser*innenkommentare
81331 (Profil gelöscht)
Gast
...Steinmeier und VW, ach besorgen Sie doch Tomatensaft, schwarzen Kaffee und einen entführten Nichtganzdeutschen.
Martin74
Von 750 TEUR auf 96 TEUR ist wirklich heftig. Wir sollten spenden, damit Herrn Osterloh keine Verarmung droht.
Jetzt aber mal im Ernst: Das Problem ist, dass die Führungsspitze der VW AG dem Betriebsrat ein, auch im Verhältnis zu anderen Konzernen derselben Branche, sehr großzügiges Gehalt bezahlt, damit derjenige dann bei den Gehältern der Führungsspitze dasselbe tut? Wechselseitige Begünstigung ist zumindest naheliegend und genau das wollte man durch die Mitbestimmungsgesetze gerade nicht. Insofern ist es richtig, dass VW sich bei der Vergütung in Zukunft an dem orientiert, was in anderen Konzernen üblich ist.
Cerberus
Manager sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Dementsprechend hat der Betriebsrat keinen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Verträge. Wer in den Vorstand berufen wird und zu welchen Konditionen entscheidet der Aufsichtsrat, d.h. die Eigentümer des Unternehmens.
Das der BR dem Manager keine höheren Gehälter/Boni zugestehen kann schließt jedoch ein durch hohe Gehälter erkauftes "Wohlverhalten" nicht aus - es liegt dann jedoch eher im rechtlichen Graubereich, z.B. bei Entscheidungen hinsichtlich corporate governence, Betriebsverlagerungen ins Ausland etc. Ob dies bei VW so ist, mag ich nicht beurteilen.
schwarzwaldtib
Für 8000 Euro monatlich BR Chef bei VW? Da würde ich dankend ablehnen. Das bekommt man als Tarifangestellter am obersten Ende des Metalltairfs und muss dafür nicht eine Belegschaft vertreten.
xxxLCxxx
@schwarzwaldtib War es nicht ursprünglich Absicht, dass niemand solche Jobs aus monetären Erwägungen übernehmen sollte? ;-)
schwarzwaldtib
@xxxLCxxx Das würde in der Tat erklären, warum bei uns die schrägsten Typen BR geworden sind.
agerwiese
Haben die sich bei Schlips abgestimmt?
El-ahrairah
@agerwiese Es ist ok nur Verbraucher zu sein