Nach Streit mit von der Leyen: Kommissar Breton wirft wütend hin
EU-Wettbewerbskommissar Breton tritt überraschend zurück und ist nicht im Team von Ursula von der Leyen. Ihr Verhalten findet er besonders schäbig.
Doch der neuen EU-Kommission, die im Dezember ihre Arbeit aufnehmen soll, wird Breton nicht mehr angehören: Nach einem kurzen, aber heftigen Streit mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat er am Montag überraschend seinen Rücktritt erklärt. Kurz darauf wurde der bisherige französische Außenminister Stéphane Séjourné zu seinem Nachfolger nominiert. Selbst altgediente EU-Beamte rieben sich die Augen: So schnell war noch nie einer der wichtigsten Angriffsspieler kurz vor dem Abpfiff ausgewechselt worden.
Am Dienstag will von der Leyen ihr Team vorstellen, zu dem auch Breton gehören sollte. Nun fehlt er auf der Liste. Sein Abgang kommt nicht nur in letzter Minute, er wirft auch Fragen auf. Warum musste der Wettbewerbskommissar gehen? Wieso wechselt ihn Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron aus, obwohl er ihn erst im Juni für eine zweite Amtszeit nominiert hatte? Welche Rolle spielt von der Leyen? Hat sie Macron einen Deal angeboten – nach dem Motto: Du kriegst einen einflussreicheren Posten, wenn du mir einen neuen Kommissar schickst?
Genau das wirft Breton seiner Ex-Chefin vor. Sie habe hinter seinem Rücken mit Macron gekungelt, um ihn loszuwerden. Dass sie dafür angeblich persönliche Gründe angab, findet Breton schäbig. Denn mit ihm habe sie nie darüber gesprochen. Dies sei ein „weiterer Beweis für fragwürdige Führung“, schimpft Breton in seinem Rücktrittsbrief, den er auf X veröffentlichte.
Mangelnde Transparenz und zu wenig Führung
Bereits im März hatten sich Breton und drei weitere EU-Kommissare über mangelnde Transparenz und fehlende Objektivität der CDU-Politikerin beschwert. Anlass war die umstrittene Nominierung des CDU-Politikers Markus Pieper zum neuen Mittelstandsbeauftragten der EU-Kommission.
Das „Piepergate“ sorgte vor der Europawahl für so viel Wirbel, dass von der Leyen zurückrudern und das Bewerbungsverfahren neu aufrollen musste. Auch jetzt wird ihr wieder mangelnde Transparenz vorgeworfen. Und auch jetzt lässt sie politische Führung vermissen. Statt das Nominierungsverfahren für die neue EU-Kommission zu erklären, schickte von der Leyen am Montag ihre Sprecher vor, die alle Nachfragen abbügelten.
Die Nominierung sei „kein öffentlicher Vorgang“, sondern werde mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten abgesprochen, hieß es. „Vertraulichkeit ist sehr wichtig“, betonte die EU-Kommission.
Auch zur Frage, warum Breton gehen musste, wollte sich von der Leyen nicht äußern. Nun gibt es wilde Spekulationen. Macron wolle unbedingt ein wichtiges Ressort in der neuen Kommission und sei bereit gewesen, Breton zu opfern, heißt eine verbreitete These. Dafür spricht die Schnelligkeit, mit der Macron den Ersatzmann Séjourné präsentierte. Von der Leyen sei Breton zu mächtig geworden, lautet eine andere These. Sie habe die Gunst der Stunde – in Paris gibt es gerade eine Regierungskrise – genutzt, um ihn loszuwerden.
„Langsam verkommt die Nominierung der neuen Europäischen Kommission zu einem absurden Theater“, schrieb der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD). Von der Leyen hat einen Fehlstart hingelegt, von dem sie sich so schnell nicht wieder erholen dürfte.
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