piwik no script img

Nach Razzia bei ReichsbürgernZweifel an AfD-Verbotsverfahren

Thüringens Innenminister hat eine Debatte um ein Verbot der Partei losgetreten. Seine Kollegen aus anderen Bundesländern äußern sich zögerlich.

Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Andere Innenminister reagieren zögerlich auf den Vorstoß ihres Thüringer Kollegen Georg Maier (SPD), jetzt ein AfD-Verbotsverfahren vorzubereiten. „Aktuell ist der Zeitpunkt für ein Verbot aus unserer Sicht noch nicht gekommen“, ließ Niedersachsens Minister Boris Pistorius (SPD) auf Anfrage der taz mitteilen. „Ein AfD-Verbotsverfahren hätte erst dann einen Sinn, wenn es auch realistische Chancen für ein entsprechendes Urteil beim Bundesverfassungsgericht gäbe“, lautet die Antwort von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Auch aus dem Saarland heißt es aus dem Haus von Innenminister Reinhold Jost (SPD), vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus zwei Verbotsverfahren gegen die NPD und den darin durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten „hohen Hürden“ für ein Parteiverbot, gelte es, „sehr genau zu prüfen und abzustimmen, ob die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren erfüllt sind“.

Der Thüringer Innenminister hatte nach den Festnahmen von AfD-Mitgliedern im Zusammenhang mit Umsturzvorbereitungen von mutmaßlichen Reichsbürgern im Interview mit der taz die Vorbereitung eines AfD-Verbots gefordert. Einige Kriterien, die Grundlage für ein Parteiverbot seien, erfülle die AfD eindeutig. „Die AfD ist klar verfassungsfeindlich. Das haben wir belegt“, so Maier.

Auch ihre Relevanz sei bei der Partei, die laut Umfragen etwa in Thüringen stärkste Kraft werden könnte, gegeben. Jetzt kämen neue Belege hinzu: die Festnahmen von AfD-Mitgliedern – darunter eine frühere Bundestagsabgeordnete – im Zusammenhang mit den Umsturzvorbereitungen von Reichsbürgern. Zudem sei es durchaus bereits aggressives Verhalten gewesen, als AfD-Abgeordnete vor zwei Jahren Störern Zugang zum Bundestag verschafft haben. „All das sollte man jetzt zusammentragen.“

Auch der Niedersachse Pistorius sagt: „Wir müssen sehr genau hinschauen, prüfen und Informationen sammeln, das Bundesverfassungsgericht hat ja in seiner Entscheidung zum NPD-Verbotsverfahren die entscheidenden Kriterien genannt. Das ist wichtig, um den Zeitpunkt für ein mögliches Verbot nicht zu verpassen.“ Die AfD, so Pistorius weiter, sei in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich weiter nach rechts gerutscht und können in weiten Teilen als extremistisch eingestuft werden. Das könne man in einigen Landesverbänden deutlich sehen. „Man muss jetzt sehr genau die weiteren Entwicklungen betrachten. Nicht umsonst ist die AfD Verdachtsfall.“

CSU-Innenminister Herrmann führt aus: „Aktuell müssen sich alle Partien vor allem politisch mit der AfD auseinandersetzen. Dazu gehört, potenziellen AfD-Wählern die Augen dafür zu öffnen, welche radikalen, rassistischen und antisemitischen Kräfte dort am Werke sind. Manche scheinen in der AfD immer noch eine harmlose Protestpartei zu sehen.“

Unterstützung erhielt der Thüringer Innenminister Maier für seinen Vorstoß dagegen von der Vorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang. Ein AfD-Verbot dürfe kein Tabu sein, sagte sie der Welt. „Das muss sehr genau geprüft werden. Denn was wir durchaus sehen, ist, dass der Rechtsextremismus einen parlamentarischen Arm hat – und das ist die AfD.“ In der Sache gebe es gute Gründe für ein Verbot: „Da ist eine Partei, die diese Demokratie zutiefst verachtet. Die sich gerade zum Sprachrohr von Wladimir Putin macht.“

„Ich halte von solchen Verbotsverfahren gar nichts“, sagte dagegen CDU-Chef Friedrich Merz am Mittwochabend. „Die organisieren sich am nächsten Tag neu und sind in einer anderen Partei. Und dann geht das Spiel von vorne los.“ Nötig sei eine politische Auseinandersetzung, keine juristische.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die Hürden für ein Parteiverbotsverfahren sind extrem hoch. Bisher wurden nur SRP und KPD verboten. Gemäß Art. 21 des Grundgesetzes obliegt es allein dem Bundesverfassungsgericht, über die Verfassungsmäßigkeit einer Partei zu entscheiden; demnach kann eine verfassungswidrige Partei in Deutschland auch nur vom Verfassungsgericht des Bundes verboten werden. Das Verfahren hat aber auch weitere Tücken: Ob eine verfassungswidrige Zielsetzung einer Partei allein für ein Verbot ausreicht um die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu gefährden ist umstritten. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt durchaus Parteien und politische Versammlungen zu, welche nicht eindeutig der freiheitlich demokratischen Grundordnung entsprechen. Hintergrund ist hier, dass es Parteimitgliedern in der AfD theoretisch möglich sein muss diese von innen heraus zu erneuern oder thematisch anders / weniger radikal aufzustellen. Ist zwar Theorie, aber rechtlich macht das einen Unterschied. Bedeutet im Umkehrschluss: Die AfD könnte eine gerichtlich bestätigte Legitimation erhalten - was derzeit nicht unwahrscheinlich wäre. Auch wenn "Reichsbürger" eine Nähe zur AfD haben, so sind die Überschneidungen doch ggfs. nicht groß genug, um vor Gericht ein Parteiverbotsverfahren zu rechtfertigen. Das erklärt auch die abwartende Haltung der politisch Handelnden...

  • Das ich mal Merz zustimmen würde, wer hätte das gedacht.

  • "Nötig sei eine politische Auseinandersetzung"



    F. Merz kann unterhaltsam sein. Dabei kommts ihm aber nicht auf die Wahrheit an.



    Die Wahrheit ist leider, wenn es passt, nimmt man die AFD mit ins Abstimmungsboot.



    Man kann ja hinterher immer noch behaupten, man habe dies nicht gewollt.



    Was recht schwierig ist bei gemeinsamen Ansichten.



    Alles in allem ist die Verzweiflung bei der CDU groß. Die Regierung macht alles so, wie es die CDU auch getan hätte.



    Beim Verbot der AFD wäre allerdings stets zu beachten, ein Gericht ist kein Ersatz für Demokratie.