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Nach Polizeieinsatz in Königs WusterhausenEin Tod, viele Fragen

Ein Mann stirbt nach einem Polizeieinsatz in Brandenburg. taz-Recherchen bringen Ungereimtheiten ans Licht. War es Polizeigewalt?

Der Ort des Geschehens, das Grundstück eines Mehrfamilienhauses in Königs Wusterhausen Foto: taz

Ivan N. ist nicht überrascht. “Mein Bruder ist tot. Ich weiß es schon“, sagt er am Telefon. Er sagt das mit ruhiger Stimme.

Wir haben ihn am Donnerstagnachmittag angerufen, um nach Vitali N. zu fragen, 45 Jahre alt, geboren in Moldau. Wie viele aus dem Land hatte er auch einen bulgarischen Pass, um in der EU arbeiten zu können. Am Dienstag der vergangenen Woche nimmt die Polizei Vitali N. in der brandenburgischen Stadt Königs Wusterhausen fest. Einen Tag später stirbt er in einem Berliner Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft in Berlin ermittelt nun die Todesursache. Recherchen der taz lassen Zweifel aufkommen, wie glaubhaft die Darstellung der Polizei zum Ablauf der Festnahme und zu den Ereignissen danach ist.

Immer wieder sterben in Deutschland Menschen bei Polizeieinsätzen. Oft sind es Menschen mit Migrationshintergrund oder in einer psychischen Ausnahmesituation. Selten werden diese Todesfälle komplett aufgeklärt. Ob auch Vitali N. psychisch krank war, ist unklar. In der Polizeimeldung nach der Festnahme heißt es, er sei “psychisch auffällig“ gewesen.

Eine knappe Polizeimeldung

Vitali N. war seit dem 1. April in einem dreistöckigen Wohnhaus in Niederlehme gemeldet, einem Stadtteil von Königs Wusterhausen. Am 11. April, Dienstag, soll er dort randaliert haben. Eine Nachbarin erzählt am Mittwoch dieser Woche, er sei im Nachbarhaus und in ihrem Haus die Treppen auf- und abgelaufen. “Es klang, als hätte jemand die ganze Zeit Türen geschmissen.“

Die Meldung, die die Polizei am 12. April, dem Tag nach der Festnahme herausgibt, ist knapp. Ein Mann habe sich “unberechtigt auf einem Grundstück“ aufgehalten, auf Gegenstände und Autos geschlagen. “Er verhielt sich aggressiv, biss“. Polizisten hätten ihn fixiert und gefesselt – mit Hilfe von Anwohnern. Plötzlich sei er ohnmächtig geworden, ein Notarzt gerufen worden. Als der Mediziner ankommt, sieht er, dass die Polizei-Beamten versuchen, Vitali N. wiederzubeleben. Nach rund 30 Minuten hat Vitali N. zum ersten Mal wieder einen Kreislauf. So schreibt es der Notarzt in seinem Bericht. Das Dokument liegt der taz vor.

Ein Krankenwagen fährt Vitali N. etwa 30 Kilometer in ein Krankenhaus im Berliner Bezirk Neukölln. “Zur medizinischen Behandlung“ heißt es in der Polizeimeldung. Gut 20 Stunden nach der Festnahme ist Vitali N. tot.

Während Ivan N. von den deutschen Behörden eine Erklärung für den Tod seines Bruders fordert, produzieren Polizei und Justiz Widersprüche.

Eine Durchsuchung ohne Anordnung?

Nachdem Vitali N. bewusstlos in das Berliner Krankenhaus eingeliefert wurde, kamen Polizisten in die Klinik, um die Kleidung von Vitali N. zu beschlagnahmen und eine Blutprobe zu entnehmen. Der taz liegt das Amtshilfeersuchen der Brandenburger an die Berliner Polizei vor. Darin bittet ein Hauptkommissar aus Königs Wusterhausen seine Berliner Kollegen, die Kleidung von Vitali N. sicherzustellen und eine Blutprobe zu entnehmen. Dies sei “am heutigen Tage nach Rücksprache mit der“ zuständigen Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Cottbus “um 00.40 Uhr angeordnet“ worden, heißt es in dem Dokument. In Cottbus ist man für Königs Wusterhausen zuständig.

Auf taz-Nachfrage bei der Cottbusser Staatsanwaltschaft sagt eine Sprecherin am Mittwoch dieser Woche allerdings: “Die Staatsanwältin hat in dieser Nacht die Durchsuchung nicht angeordnet.“

Wie kann das sein? Hat die Brandenburger Polizei die Kleidung von Vitali N. ohne offizielle Anordnung beschlagnahmen lassen? Hat die Brandenburger Polizei behauptet, es gebe eine Anordnung, um die Kollegen loszuschicken?

Donnerstag. Zweiter Versuch, das mit der Durchsuchung zu klären. Eine zweite Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Cottbus, dieses Mal schriftlich. Keine Antwort, auch telefonisch nicht. Ebensolche Anfragen gehen an das für ganz Brandenburg zuständige Polizeipräsidium in Potsdam und an die für die Ermittlungen zum Tod Vitali Ns. zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Berlin. Potsdam verweist auf Berlin, Berlin verweist auf die Pressestellen der Polizeien in Berlin und Brandenburg. Die wiederum verweisen auf die Staatsanwaltschaft in Cottbus. Als wir dort den angeblich zuständigen Staatsanwalt erreichen, sagt er, er sei nicht zuständig und seine Kolleginnen in Polen oder anderweitig nicht zu erreichen.

Das sind nicht die einzigen Ungereimtheiten.

Die Einschätzungen der Me­di­zi­ne­r:in­nen im Klinikum Neukölln zu den Ursachen für den Tod von Vitali N. decken sich nicht mit denen von Polizei und Justiz. Auf dem Leichenschauschein, der nach Vitali Ns. Tod im Klinikum Neukölln ausgestellt wurde, heißt es, Vitali N. habe eine „schwerste anoxische Hirnschädigung“ erlitten, einen systemischen „Sauerstoffmangel durch mechanische Behinderung der Atmung“. Einen “Atem- und Herzstillstand“. Entstanden sei dieser „durch gewaltsames zu Boden drücken von Gesicht und Thorax in Bauchlage“. Gewalt, also? Das Dokument liegt der taz vor.

Eine Obduktion und offene Fragen

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat am Dienstag dieser Woche, eine Woche nach Vitali Ns. Festnahme, mitgeteilt, bei einer vorläufigen Obduktion habe es keine Hinweise auf äußere Gewalteinwirkung gegeben. Die Gerichtsmediziner:in­nen hätten auch keine Belege dafür gefunden, dass Vitali N. an Erde erstickt sei. Mit­ar­bei­te­r:in­nen des Klinikum Neukölln hatten das vermutet. Auch im Einsatzbericht des Notarztes, der Vitali N. in Königs Wusterhausen erstversorgt hat, heißt es, Vitali N. habe “feuchte Erde in Mund und Nase“ gehabt.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In der Lunge von Vitali N. seien allerdings keine Erdrückstände gefunden worden, sagt eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft der taz. Der Tote habe Einblutungen an Rücken und Schulter gehabt, die aber nicht todesursächlich gewesen seien. Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen, es stehen noch feingewebliche Untersuchungen aus.

Eine weitere Unstimmigkeit gibt es bei der Frage, ob Vitali N. noch gefesselt war, auch nachdem er bewusstlos wurde. Ohnmächtige zu fixieren, gilt unter Not­ärz­t:in­nen als gefährlich. Die Reanimation wird erschwert, das Erstickungsrisiko steigt. Am Tag nach dem Einsatz hatte die Polizei vermeldet, dass Vitali N. nach der Festnahme ohnmächtig wurde. Die Handfesseln seien gelöst, Erste Hilfe geleistet und ein Notarzt gerufen worden.

Im Einsatzbericht des Notarztes, der der taz vorliegt, klingt das anders. Dort steht, der Arzt sei um 21.45 Uhr alarmiert worden “wegen Atemstillstand in polizeilicher Fixierung“. Als der Notarzt eintrifft, wird der Mann demnach “bereits durch Polizei reanimiert“. “Handschellen liegen noch an“, notiert der Notarzt in seinem Bericht. Ob das heißt, dass Vitali N. noch vollständig gefesselt war, ließ sich bis Redaktionsschluss nicht abschließend klären.

Vitali N. stirbt am Tag nach seiner Festnahme um 17.57 Uhr auf der Intensivstation 1 des Klinikum Neukölln. Er stirbt allein, heißt es aus der Klinik. Die Polizei habe keine Angehörigen ermitteln können.

Ein Sohn, Bruder, und Vater

Ivan N., der Bruder des Toten, spricht mal mit klarer, fester Stimme, mal wird er laut, mal weint er. Ein Mitarbeiter der moldauischen Botschaft habe sich am Freitag, zwei Tage nach dem Tod seines Bruders, gemeldet und ihm die Nachricht überbracht. „Er sagte mir, dass es eine Art Konfrontation zwischen der Polizei und meinem Bruder gab und dass die Polizei ihn mit Pfefferspray besprüht hat. Er ist dann im Krankenhaus verstorben“, erzählt Ivan N. Mehr habe der Botschaftsmitarbeiter nicht gewusst.

Dass zwischen dem Todeszeitpunkt und dem Anruf bei der Familie ganze zwei Tage liegen, macht Ivan N. wütend. Dass er und Vitalis Familie kaum etwas erfahren darüber, wo sein Bruder jetzt ist, wie und warum er gestorben ist, beschreibt Ivan N. als „Horror“.

Vitali N. hatte nicht nur einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester, die in einem kleinen Ort im Süden Moldaus leben, sondern auch einen 15 Jahre alten Sohn. Er lebt mit seiner Mutter, Vitalis Ex-Frau, in Italien, erzählt der Bruder. In russischsprachigen sozialen Netzwerken hat Vitali N. Fotos gepostet: Er mit Kleinkind auf dem Arm, er mit Kinderwagen, sein Sohn im Spiel mit anderen Kindern. Unter einem Bild, das seinen Sohn als Kleinkind zeigt, hat Vitali N. geschrieben: „Mein geliebter Sohn“. Unter ein anderes, mit seiner Ex-Frau, „Meine Familie!“. Unter ein Foto hat jemand geschrieben: „Vitalik, du veränderst dich nicht, du bist immer positiv.“

Ivan N. beschreibt seinen Bruder als ruhigen, unauffälligen Menschen. Als einen, der selten Alkohol trank, weil er keinen vertrug. Auch der Bluttest in der Berliner Klinik, in die Vitali N. nach der Festnahme bewusstlos eingeliefert wurde, ergab: Kein Alkohol, keine Drogen im Blut, Vitali N. war nüchtern. An­woh­ne­r:in­nen hatten erzählt, Vitali N. habe sich am Tag seiner Festnahme wie jemand verhalten, der Drogen genommen habe.

Sein Bruder habe viel gearbeitet, sagt Ivan N., vor allem um seinen Sohn zu unterstützen. Dafür hat er Jobs im Ausland angenommen: Russland, Bulgarien, Deutschland. Das bestätigen Freun­d:in­nen von Vitali, die wir ebenfalls über russischsprachige soziale Netzwerke finden.

Auf der Suche nach einem besseren Leben

Was sie und Vitalis Bruder erzählen, ist die Geschichte eines Mannes, der wie viele Menschen aus Osteuropa aufbricht, um Geld für ein besseres Leben zu verdienen. In Russland arbeitet er als Mechaniker in einer Fleischfabrik, als Taxifahrer und als Vorarbeiter auf dem Bau. Später zieht er nach Bulgarien, um Autos zu überführen und zu reparieren, erzählt ein Freund aus Russland. Und: Vitali sei „ein sehr frommer Mensch“ gewesen. Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Berliner Klinik fanden in seinem Portemonnaie ein Marienbild und einen Gewerbeschein, der Vitali als Trockenbauer auswies.

In Königs Wusterhausen hatte Vitali N. wahrscheinlich kaum Zeit anzukommen, bevor er starb. Der Verkäufer im Dönerrestaurant unweit von seinem Haus sagt, er habe ihn in den letzten ein bis zwei Monaten häufiger hier gesehen. Er sei immer allein zum Essen gekommen. Eine Frau, die im selben Haus wohnt, sagt, sie sei Vitali N. am Tag der Festnahme zum ersten Mal begegnet.

Der Rasen vor dem Haus ist schon wieder ganz glatt an diesem Mittwoch. Nichts deutet auf den Polizeieinsatz hin, in dessen Folge ein Mensch gestorben ist.

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12 Kommentare

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  • Ich nicht, weil ich kein Polizist bin; aber die Polizei darf es, wenn es ein Beweismittel ist.

  • Auf einem Leichenschauschein steht jene Erkrankung, die der Arzt für die Todesursache hält. Die Art der Erkrankung wird anhand der Symptome, Untersuchungsbefunde und der Vorgeschichte bestimmt. Oft kann man es nur ungefähr eingrenzen.



    Eine Obduktion kann dann weitere Informationen zu Tage fördern, welche die (vermutete) Todesart bestätigt oder widerlegt. Anhand der Informationen die vorliegen, sehe ich noch keine Bestätigung. Die weiteren Ergebnisse müssen abgewartet werden.

    • @Socrates:

      Kommentieren Sie hier mit der Fachkenntnis eine*r Rechtsmediziner*in oder “nur” einer*s Ärzt*in - oder fachfremd als Jurist*in oder Laie*in?



      Im vorliegenden Fall dürfte die Obduktion die auffällig präzisen Angaben auf dem Totenschein zunächst einmal nur sachdienlich ergänzt aber keinesfalls “widerlegt” haben, da es verschiedene Formen des Erstickens mit unterschiedlicher Ausprägung sog. Erstickungszeichen gibt und ein zeitweises “Überleben” der Akutsituation (auch bei künstlicher Beatmung) eine Normalisierung der pathologischen Befunde zur Folge hat.



      Ein Ersticken durch Einatmung oder Verlegung der Atemwege durch “Erde” lag demnach nicht vor. Es fällt jedoch auf, dass ein Lagebedingter Erstickungstod - der ebenfalls ein Ersticken durch Sauerstoffmangel bei meistens gewalttätiger Einschränkung der Atemmechanik von Außen und erhöhtem Sauerstoffbedarf durch Aufregung und Todeskampf ist - seitens der Rechtsmedizin (mal wieder!) nicht einmal erwähnt, sondern vielmehr sogar noch darauf verwiesen wird, dass die typischen Aufknieverletzungen mit “Einblutungen an Rücken und Schulter” für sich selbst genommen jeweils “nicht todesursächlich” gewesen seien. Eine zielführende Diskussion der “Vorgeschichte” ist rechtsmedizinischerseits nicht erkennbar - oder wird seitens der Staatsanwaltschaft geflissentlich ignoriert.



      Während der Arzt seine Angaben im Sinne des von ihm (leider erfolglos) behandelten Patienten verfasst hat, werden Rechtsmediziner*innen von Staatsanwaltschaften beauftragt und Polizist*innen bei der Obduktion begleitet.



      Wie sagte der berüchtigte Prof. Püschel aus Hamburg so bezeichnend:



      “Ich wollte meinen Dienstherren ja schließlich nicht im Regen stehen lassen”



      Weiterbildungsvorschläge:



      bmi.gv.at/408/Mens...erungsmethoden.pdf



      oder



      de.m.wikipedia.org/wiki/Burking

      • @blinde kuh:

        Arzt. Unfallchirurgie.

        Von "Widerlegt" habe ich ja nichts geschrieben. Nur "nicht bestätigt".

        Ein "sachdienliche ergänzt" sehe ich allerdings nicht.

        Die Behauptung, dass die "Einblutungen an Rücken und Schulter" "typische Aufknieverletzungen" sein sollen, habe ich von Ihnen das erste Mal vernommen.

        Um jemanden, der sich wehrt die Hände auf dem Rücken fesseln zu können, muss dieser erst zu Boden gebracht - also umgestoßen - werden, die Einblutungen können also auch durch einfaches hinfallen entstanden sein. Ich habe leider nichts darüber gefunden, wie oft solche in Folge von Wiederbelebungsmaßnahmen auftreten - aber es wurden schon allerlei Verletzungen als Folge von Wiederbelegung beschrieben: am häufigsten Rippen- und Brustbeinbrüche, aber auch Einblutungen in die Brusthöhle usw., ja sogar Einrisse an der Leber.

        Das der Rechtsmediziner diese Einblutungen als "nicht todesursächlich" einschätzt ist überhaupt nicht Auffällig. Es gehört schließlich zu seiner Aufgabe Verletzungen zu erfassen, und einzuschätzen ob diese zum Tod beitrugen, oder nicht.

        Wenn eine Einschränkung der Atemmechanik von außen als Ursache des Erstickens in Frage kommt (auch beim drauf knien), würde man lt. meinem Buch über Rechtsmedizin nach winzigen Einblutungen an der Haut des Brustkorbes, der Schultern und der Arme suchen; nach ausgedehnten punktuellen Blutungen an den serösen Häuten; nach einem Blutigen Lungenödem; nach streifigen Einblutungen in Knochen, Knorpeln, Fettgewebe; Einblutungen an den Augenschleimhäuten.

        Da keine 24 Stunden vergangen sind, denke ich, dass sich wohl nur das Lungenödem zurückbilden würde.

        Wenn die o.G. Anzeichen „seitens der Rechtsmedizin (mal wieder!) nicht einmal erwähnt“ werden, dann wahrscheinlich deshalb, weil sie nicht da sind.

  • Eine Google-Suche und man findet etliche Presseberichte von Menschen, deren Tode in Gewahrsam der Polizei viele Fragen aufwerfen. Doch es kommt nur selten zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, gar Gerichtsprozessen. Die Polizei, die sonst alles dokumentiert, kann nicht sagen, wie viele derartige Fälle es im jeweiligen Bundesland gibt. Damit ergibt sich ein großes Problem bei der Erforschung dieses Sachverhalts.



    Viel deutet darauf hin, dass Polizei und die ihr zuarbeitenden Staatsanwaltschaften kein allzu großes Interesse haben, Licht ins Dunkel zu bringen, wo sich Polizisten oder Staatsanwaltschaften schwer fehlverhalten.



    Falsche Kameradschaft ist vermutlich die Ursache für das nicht genau hinschauen wollen, systematisches Wegschauen, Vertuschungen, wenn Menschen durch Gewalt der Polizei zu Tode kommen. Es ist eine Frage der Sozialisation, die noch dadurch begünstigt wird, dass die Polizei von der Politik in ihrem Tun heroisiert wird.

    In seiner Studie zu Menschen in den USA, die durch Polizisten getötet wurden, konnte der Wissenschaftler David Baker nachweisen, dass es nicht die gefährlichen Umstände waren, aufgrund derer Menschen von Polizisten getötet wurden.

    Auch in den USA fehlen massiv Daten zu Menschen, die in Kontakt mit der Polizei zu Tode kamen. Ein Trauerspiel, dass die vielen juristischen Leerstühle in Deutschland sich nicht systematisch mit den vielen dubiosen Fällen beschäftigen, bei denen Menschen in Polizeigewahrsam zu Tode kamen.

    Überspitzt gesagt, könnte man von einer Art polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Omerta sprechen.



    Es fehlt das Vokabular, um diesen strukturellen Missstand genau zu beschreiben, weil Deutschlands Sozialwissenschaftler diesen Bereich nicht erforschen können. Grund: Politik, Polizei und Justiz verhindern Aufklärung.

    Es braucht so etwas wie eine starke me too Bewegung, um etwas zu ändern.

    Guter erster Ansatz hier: doku.deathincustody.info/

    doku.deathincustody.info/

    • @Lindenberg:

      „Viel deutet darauf hin, dass Polizei und die ihr zuarbeitenden Staatsanwaltschaften kein allzu großes Interesse haben, Licht ins Dunkel zu bringen“

      Das ist etwas schwer einzuschätzen, weil es dazu eine verlässliche Statistik zum Vergleich bräuchte.

      Ein Anhaltspunkt wäre wie oft es allgemein bei Körperverletzungen zur Verurteilung kommt.

      2020 erfolgten Ermittlungen zu ca. 460.000 vorsätzlichen Körperverletzungen. Zur Anklage kamen 50.000.



      2020 wurden ca.45.000 Leute wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt, 2021 ca. 41.000

      In etwa münden also ca. 9% der Ermittlungen in eine Verurteilung.

      Daher denke ich, dass es weniger an Willen bei der Staatsanwaltschaft mangelt, sondern eher an hinreichenden Beweisen, um eine Anklage zu erheben. Schließlich gilt die Unschuldsvermutung, man kann nicht nur einfach auf Anzeige jemanden verurteilen. Vor allem bei Gesetzesbrechern ist ja nicht auszuschließen, dass einer wegen einer nie dagewesenen Körperverletzung Anzeige erstattet um sich zu rächen.

      Bei Polizisten ist die Anklagequote niedriger, 1,5 %

      Das mag auf den ersten Blick wie ein großer Unterschied klingen, aber ich habe Überlegungen die dies plausibel erscheinen lassen. Die Polizei ist im Gegensatz zum normalen Bürger unter Umständen zur Anwendung von Gewalt berechtigt; juristisch kommt es eher darauf an, ob der Gewalteinsatz angemessen und gerechtfertigt war.

      Wenn z.B. jemand Widerstand gegen die Verhaftung geleistet, versucht zu flüchten und deswegen zu Boden gebracht wird (sprich: umgestoßen) kann er sich mannigfaltige Verletzungen zuziehen, von der einfachen Prellung bis zur gebrochenen Hand. Der Durchschnittsbürger weiß das nicht, erstattet Anzeige, und die Staatsanwaltschaft wird wohl ermitteln, aber dann das Verfahren einstellen, weil sie feststellt, dass der Gewalteinsatz berechtigt und angemessen war (weil es notwendig war ihn umzustoßen um ihn zu verhaften). Sprich: viele Fälle wo zwar Gewalt war, diese aber rechtlich erlaubt.

    • @Lindenberg:

      "Aktuell wissen wir von 224 Todesfällen von Schwarzen Menschen, People of Color und von Rassismus betroffenen Personen in Gewahrsam und durch Polizeigewalt in Deutschland seit 1990 (Stand: 09.01.2023)."

      doku.deathincustody.info/

      "Die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) zählt von 1990 bis Ende 2021 mindestens 219 Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland und 16 Verdachtsfälle."

      de.wikipedia.org/w...publik_Deutschland

      • @Related:

        Es ist schwer zu verstehen, dass die Leitmedien (die taz macht einen sehr guten Job!) bei dieser Thematik nicht tief einsteigen, um strukturelle Missstände bei derartigen Fällen in systematischen und gemeinsamen Recherchen herauszuarbeiten. Der Blick nach England und die USA zeigt, dass es dort ähnliche Probleme gibt.

        Wie bei me too gibt es erstaunlich viele kritische Hinweise auf Missstände, aber es folgt oftmals bei Ermittlungen von Polizei und Justiz nicht viel daraus.



        Kranke und Minderheiten sind die am meisten betroffenen Opfer von Tod in Polizeigewahrsam.

        Es braucht den Zugang von NGO bei Staatsanwaltschaften oder eine Einbeziehung von Bürgern - wie bei Laienrichtern, um bei strittigen Fällen von Tod in Polizeigewahrsam zwingend Ermittlungen durch eine Staatsanwaltschaft aus einem anderen Bundesland anstoßen zu können.

        Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt fordert, Zitat

        Als weiteres Element einer besseren Kontrolle polizeilichen Handelns bedarf es der Einrichtung von unabhängigen Untersuchungsinstanzen, die Beschwerden der Betroffenen entgegen nehmen und Fälle rechtswidriger Polizeigewalt eigenständig untersuchen. Sie sind mit ausreichenden Ressourcen auszustatten und für jedermann zugänglich zu gestalten. Solche Institutionen sind nicht neu, sondern in vielen (europäischen) Ländern zum Teil schon seit Jahren eingerichtet.

        Die Kommission soll nicht an die Exekutive angebunden sein. Ihre Mitglieder müssen aus der Zivilgesellschaft kommen und sollen nicht selbst in exekutives



        staatliches Handeln eingebunden sein.

        kop-berlin.de/beit...-von-polizeigewalt

  • Dranbleiben. Mein Beileid und meine Solidarität an seine Familie. Man mag sich gar nicht ausmalen, was los wäre wenn ein deutscher Bauarbeiter in Moldau so zu Tode gekommen wäre...

  • Soweit ich weiß, brauchte es nur für die Blutuntersuchungen eine Verordnung durch Staatsanwaltschaft oder Gerichte. Für die Sicherstellung von Beweismitteln braucht es überhaupt keine Anordnung, wenn der Eigentümer keine Einwände hat (und die hatte er nicht, denn er war ja tot). Wenn der Eigentümer Einwände hat, dann erfolgt eine Beschlagnahme auf richterliche Anordnung (die man auch nachträglich einholen kann). Strafprozessordnung §81a, §94 und §98.

    • @Socrates:

      Sie können doch einem Unfalltoten nicht die Schuhe ausziehen, und sagen: Er hatte eine Einwände" also echt

  • Hier sollte zunächst der Abschluss der Ermittlungen abgewartet werden. Zweifel ergeben sich allenfalls bei Unterstellung von Falschaussagen.