Nach Flucht vor Wehrdienst für Assad: Syrer soll kein Flüchtling sein
Das Hamburger Oberverwaltungsgericht versagt einem Syrer den Flüchtlingsstatus. Er floh vor dem Wehrdienst und bekam in Deutschland nur subsidiären Schutz.
Nun wies das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) die Berufungsklage des Mannes ab, teilte das Gericht am Freitag mit. „Ich finde das Urteil erschreckend und halte die Entscheidung auch europarechtlich für nicht richtig“, sagte Rechtsanwältin Maxi Schele, die den Kläger vertrat. Bislang ist unklar ist, ob die Entscheidung nur für den Einzelfall oder generell für Wehrdienstverweigerer gelten soll, da die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt.
Mohammad H., der wenige Tage nach seinem 18. Geburtstag aus Syrien geflohen war, wolle keine Menschen töten und habe Angst, als Soldat in Assads Armee an Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen, hatte er erklärt.
Der Prozess drehte sich vor allem um die Frage, ob die Gefahren, die nach Syrien zurückkehrenden Wehrverweigerern drohen, eine politische Verfolgung darstellen und sie deshalb als Flüchtlinge anerkannt werden müssten. Rückkehrern droht die Inhaftierung, Folter oder Zwangsrekrutierung, nach der sie als Soldaten auch an Kriegsverbrechen beteiligt werden könnten. Laut Asylgesetz gilt als Verfolgung auch „Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen […] umfassen würde“.
Vereinfacht gesagt gibt es in Deutschland für Geflüchtete drei Möglichkeiten, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten:
Als Flüchtling, dem im Heimatstaat eine Verfolgung wegen ihrer „Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ droht.
Als subsidiär Schutzbedürftige, die etwa durch einen Bürgerkrieg im Heimatland bedroht sind.
Ein Abschiebeverbot aus humanitären Gründen ist die dritte Option, wie bei einer schweren Krankheit.
Laut Anwältin Schele haben bisher drei Gerichte syrischen Kriegsverweigerern den Flüchtlingsstatus zuerkannt, während mit dem aktuellen Urteil nun fünf Gerichte dies ablehnten. Nach einer europäischen Richtlinie können Deserteure Asyl bekommen, wenn sie sich sonst an Kriegsverbrechen hätten beteiligen müssen. Diese Regelung geht auf den Fall eines desertierten US-Soldaten zurück, der in Deutschland Asyl beantragt hatte, was jedoch abgelehnt wurde. Im Hamburger Prozess war allerdings fraglich, ob Mohammad H. überhaupt als Wehrdienstverweigerer gelten kann, da er zum Zeitpunkt seiner Flucht noch nicht einberufen war.
Doch als Volljähriger ist er in Syrien prinzipiell wehrpflichtig. Dass Assads Soldaten Kriegsverbrechen begehen, stehe für das Gericht „außer Frage“, hatte der Vorsitzende Richter während der Verhandlung gesagt. Eine Richterin hatte betont, dass das Regime, wann immer es um Gefängnisse gehe, „unglaublich brutal“ handele.
Mohammad H.s Anwältin argumentierte, dass Wehrdienstverweigerung vom syrischen Regime als politischer Akt gewertet und „über das Maß hinaus“ bestraft werde. Aus diesem Grund handele es sich um eine politische Verfolgung. Mohammad H. befürchtet nach seiner Rückkehr nach Syrien inhaftiert und misshandelt zu werden und dann nach einer minimalen Ausbildung an die Front geschickt zu werden.
Wehrverweigerern drohen Verhaftung und Folter
„Wir haben erst die Folter, dann den Fronteinsatz“, so die Anwältin, deren Auffassung durch Berichte des Flüchtlingshilfswerks UNHCR gestützt wird. Auch das Auswärtige Amt berichtete in der Vergangenheit von Verhaftungen von Wehrverweigerern und von Folter, die die syrischen Sicherheitskräfte allgemein im größeren Maßstab anwendeten.
Doch der Vertreter des BAMF, Ulf Stiehr, wies diese Annahmen zurück. Es sei zwar „unstrittig, dass einzelne Übergriffe vorkommen können“, für die Mehrheit der wehrfähigen Männer sei dies jedoch nicht belegt. Damit fehle es an der rechtlich notwendigen „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung.
Auch das Gericht wies dies zurück. Mohammad H. habe zuvor ein unpolitisches Leben in Damaskus geführt. Eine Strafe wegen Kriegsverweigerung sei nur dann ein Verfolgungsgrund, wenn weitere Aspekte der Verfolgung hinzukämen.
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