Nach Festnahme katalanischer Politiker: Puigdemont auf freien Fuß gesetzt
Der ehemalige Regionalpräsident und vier Ex-Minister sind aus der Haft entlassen worden. Sie dürfen Belgien aber vorerst nicht verlassen.
Puigdemont und seine Ex-Minister hatten sich am Sonntagmorgen der belgischen Polizei gestellt und waren vorläufig festgenommen worden. Nach einer stundenlangen Vernehmung entschied der Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft, die fünf Katalanen unter Auflagen aus der Haft zu entlassen. Ein weißer Kleinbus, in dem Puigdemont vermutet wurde, verließ kurz vor Mitternacht das Gelände der Brüsseler Staatsanwaltschaft.
Puigdemont und seine vier Mitstreiter dürfen Belgien aber nicht ohne Einverständnis der Richters verlassen, wie die Staatsanwaltschaft erklärte. Sie müssen zudem die Adressen ihrer Aufenthaltsorte angeben und allen richterlichen und polizeilichen Vorladungen Folge leisten. Ein Gericht muss nun binnen 15 Tagen prüfen, ob es die von Spanien ausgestellten europäischen Haftbefehle vollstreckt.
Das Verfahren könnte sich aber auch noch weiter in die Länge ziehen: Nach Angaben des belgischen Justizministeriums muss die endgültige Entscheidung über die Haftbefehle binnen 60 oder – bei Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ – binnen 90 Tagen getroffen werden. In der Regel wird ein europäischer Haftbefehl vollstreckt. Es kann aber auch Ausnahmen geben.
Die spanische Justiz hatte am Montag vor einer Woche Anklage gegen Puigdemont erhoben, der sich daraufhin juristischen Beistand in Brüssel suchte. Die spanischen Justizbehörden werfen Puigdemont und seinen ebenfalls abgesetzten Kabinettsmitgliedern wegen der Ereignisse rund um das Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober Rebellion, Aufruhr und die Veruntreuung öffentlicher Mittel vor.
Bis zu 30 Jahre Haft
Rebellion kann in Spanien mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft werden, Aufruhr mit bis zu 15 Jahren. Das belgische Recht kennt die beiden Tatbestände in dieser Form nicht.
Bereits am Donnerstag hatte ein Gericht in Madrid acht Mitglieder von Puigdemonts abgesetzter Regierung in Untersuchungshaft genommen, darunter seinen Stellvertreter Oriol Junqueras.
Puigdemont hatte am Samstag mitgeteilt, er halte sich für die belgischen Behörden zur Verfügung. „Wir sind bereit, vollständig mit der belgischen Justiz zusammenzuarbeiten“, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Puigdemonts Katalanische Europäische Demokratische Partei (PDeCAT) erklärte am Sonntag, der 54-Jährige habe sich der belgischen Polizei gestellt, um sich in einem „fairen und objektiven Prozess zu verteidigen“. Dies sei in Belgien „möglich“, in Spanien aber „höchst zweifelhaft“.
Die Partei kündigte zudem an, Puigdemont bei der von Madrid für den 21. Dezember angesetzten Parlamentswahl in Katalonien zum Spitzenkandidaten zu machen. Er solle die „große Offensive“ für die Wahl im Dezember anführen, sagte PDeCAT-Sprecherin Marta Pascal vor Parteimitgliedern in Barcelona.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt