Nach Ereignissen in Clausnitz: Sachsen, wir haben ein Problem
Der Bundestag geht mit dem Bundesland im Osten ins Gericht: Es ist von institutionellem Rassismus und Dunkeldeutschland die Rede.
Von „Dunkeldeutschland“ sprach der bayerische SPD-Abgeordnete Uli Grötsch, während er eine Karte der Amadeu Antonio Stiftung mit fremdenfeindlichen Straftaten verteilen ließ. „Sachsen ist komplett übersät mit roten Punkten.“ Grötsch ist von Beruf Polizist, und seine sächsischen Kollegen stehen ebenfalls arg unter Beschuss.
Nach den Ereignissen in der vergangenen Woche, als eine johlende Schar in Clausnitz im Erzgebirge einen Bus mit Flüchtlingen umlagerte, Polizisten die Reisenden zum Teil rabiat aus dem Bus ins Haus verfrachteten und Bürger in Bautzen ein brennendes Flüchlingsheim beklatschten, hatten die Grünen eine Aussprache im Parlament beantragt. Freuen konnte sich die Fraktion über den schnellen Erfolg jedoch nicht, denn wie deren parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann monierte, fehlte die gesamte Regierung. Die Minister hatten die zweite Reihe, die Staatssekretäre vorgeschickt. Das sei ein Unding angesichts der Situation, kritisierte Haßelmann.
Wie schlimm die Situation ist, darüber gingen die Meinungen auseinander. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wertete das Verhalten der Polizei als „Fall von institutionellem Rassismus“. Günter Krings hingegen, der als Staatssekretär den Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vertrat, stärkte wie schon sein Chef der Polizei den Rücken. Aus den Szenen der im Internet kursierenden Videos könne man keine Rückschlüsse auf den Einsatz ziehen, fand er.
Der sächsische Unionsabgeordnete Günter Baumann sang zunächst ein Hohelied auf sein Land: „Das Bild der vergangen Tage, das ist nicht unser Sachsen. Wir sind stolz auf unser Sachsen, auf Tourismus und Wirtschaft“, posaunte er, bevor er sich bei den Asylbewerbern für einige seiner Landsleute entschuldigte.
Dass Sachsen ein Problem hat, so viel Einigkeit gab es. Aber warum? Krings schob das auf die Spätfolgen jahrzehntelanger regressiver Abschottung im Osten, während die Linke die geschichtlichen Ursachen allein in den letzten 25 Jahren suchte, in denen Sachsen von der CDU regiert wurde. „Der Mob fühlt sich in Sachsen nicht nur im Recht, sondern in Sicherheit“, sagte der Linken-Abgeordnete Michael Leutert und berichtet von seinen Zeiten im linken Jugendverein im sächsischen Mittweida. Der Verein sei damals wiederholt von Rechtsextremen angegriffen worden. Die Behörden hätten darauf reagiert, indem sie Bußgeldbescheide an die Jugendlichen verteilten, weil die Scherben am nächsten Tag noch auf dem Gehweg lagen.
Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, betont, der Kampf gegen Rechtsextremismus, nein gegen jegliche Extremismus sei ein zentrales Anliegen seiner Partei. „Aber“, schob Kretschmer nach: „Die Antifa ist in diesem Kampf kein Partner, sondern ein Problem.“ „Das ist das Problem“, rief Leutert. Da waren die Mikros schon aus und die Schüler gegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung