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Nach Entzug von Schavans DoktortitelLammert sagt Festrede an Uni ab

Eigentlich sollte der Bundestagspräsident zum 50-jährigen Jubiläum der Uni Düsseldorf eine Ansprache halten. Doch die Auszeichnung zweier Professoren missfällt ihm.

Hält sich nicht für einen unbefangenen Beobachter des Düsseldorfer Verfahrens: Bundestagspräsident Norbert Lammert Bild: ap

BERLIN/DÜSSELDORF dpa | Wegen des Umgangs der Universität Düsseldorf mit dem Fall Annette Schavan hat Bundestagspräsident Norbert Lammert eine Festrede zum 50-jährigen Jubiläum der Hochschule abgesagt. Lammert habe seine Zusage wieder zurückgezogen, teilte sein Sprecher auf Anfrage mit.

Lammert selbst erklärte in einem Schreiben an den Rektor der Universität, er habe „unterschätzt, welche Bedeutung das Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades von Annette Schavan noch immer nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung, sondern auch im Selbstverständnis der Düsseldorfer Hochschule hat“.

Dabei verwies er unter anderem auf die „demonstrative Auszeichnung“ von zwei Professoren, die bei dem Verfahren gegen die damalige Wissenschaftsministerin eine zentrale Rolle gespielt hatten. Ihn irritiere, „dass jegliche kritische Stimmen auch und gerade von hochangesehenen Wissenschaftlern und aus den akademischen Spitzenverbänden ausnahmslos für eine unerwünschte Einmischung und unzulässige versuchte Einflussnahme erklärt werden“.

Die Universität hatte die Professoren Bruno Bleckmann und Stefan Rohrbacher Mitte Juli mit der Universitätsmedaille ausgezeichnet. Rektor Michael Piper lobte die Wissenschaftler dabei ausdrücklich für „ihre beispielhafte akademische Zivilcourage“. Sie hätten die Freiheit zur Kritik fehlerhafter wissenschaftlicher Arbeiten in einem Fall großer öffentlicher Einflussnahme mutig verteidigt.

„Für einen unbefangenen Beobachter des Düsseldorfer Verfahrens kann und will ich mich nicht halten, aber für fragwürdig im wörtlichen Sinne halte ich es allerdings“, erklärte Lammert. Das mache ihn als Festredner ungeeignet. Die Universität war im Verlauf des Plagiatsverfahrens gegen Schavan immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt gewesen.

Rohrbacher hatte für die Universität die Dissertation Schavans bewertet. Bleckmann ist Dekan der Philosophischen Fakultät und Vorsitzender des Fakultätsrats. Dieses Gremium hatte Schavan Anfang 2013 wegen „vorsätzlicher Täuschung“ in ihrer Promotionsarbeit den Doktortitel entzogen. Als Bildungsministerin trat sie daraufhin zurück.

Schavan erwähnt Doktortitel noch

Annette Schavan, neuerdings deutsche Vatikan-Botschafterin, scheint allerdings noch immer an ihrem Doktortitel zu hängen. In ihrer offiziellen Vita als neue Botschafterin beim Heiligen Stuhl in Rom führt die CDU-Politikerin auf: „1980: Promotion zum Dr. phil. (gültig bis 2014).“ Die 59-Jährige hatte den Titel im Mai wegen absichtlicher Täuschung in ihrer Doktorarbeit ablegen müssen. Die Plagiataffäre hatte sie zuvor schon das Ministeramt gekostet.

Der Bonner Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer hält die Formulierung im Lebenslauf für unzulässig. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt werde rückwirkend aufgehoben. „Damit hat die Promotion nie als gültiger Staatsakt existiert“, sagte Löwer am Dienstag auf Anfrage.

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16 Kommentare

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  • Schämt sich Jorge Bergoglio alias Papst Franziskus eigentlich nicht, eine Plagiatorin wie Frau Schavan als seine Botschafterin für Deutschland einzustellen?

  • Schade Herr Lammert, Ihnen hätte ich das zugetraut. Ein Zeichen zu setzen nach all den Querelen. Ein Zeichen für den Rechtsstaat, für Überparteilichkeit, für Gleichheit ohne Ansehen der Person. Aber scheinbar läßt die Parteiräson einen solchen Schritt nicht zu. Wichtig wäre er aber.

  • Er ist wenigstens ehrlich - die Nomenklatura hält zusammen. Da kommt es nicht auf Inhalte oder Fakten an. Und - wer weiss - wenn er mal nen Platz auf Muttis Gnadenhof braucht - da spielt man besser mit. Konsequent.

    Wer diese Leute wählt, weiß, was er/sie bekommt.

  • Ich bin sehr enttäuscht von Lammert!

     

    Er erteilt einer Universität einen Eselstritt, weil sie standhaft wissenschaftliche Werte gegen die Einflussnahme eines politisch interessierten Klüngels verteidigt hat.

     

    Er teilt offenbar die Uneinsichtigkeit Schavans bezüglich der Aberkennung ihrer Doktorwürde. Er hält offenbar die Privilegien der politischen Kaste für wichtiger als die Freiheit der Wissenschaft und deren Vertreter.

  • Hat ja gedauert in DüDorf, die Uni nach Heine zu benennen. Etwas "Wintermärchen":

     

    "Auch einen Schweinskopf trug man auf

    In einer zinnernen Schüssel;

    Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns

    Mit Lorbeerblättern den Rüssel..."

     

    und etwas Fischer:

    "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch."

  • Lammert hat ja – bekanntlich – auch einen »Dr.«, seine Promotionschrift 1976 mit dem Titel »Lokale Organisationsstrukturen innerparteilicher Willensbildung – Fallstudie am Beispiel eines CDU-Kreisverbandes im Ruhrgebiet« publiziert...

  • Wie schrieb hier vor kurzem ein unbekannter Philosoph :

    "Die Guten sind von Natur aus gegen die Selbsterkenntnis ihrer Verlogenheit immun ."

  • Soso. Eine Universität mit 27.000 Studierenden wird 50 und der Vertreter des zweithöchsten Staatsamtes sagt ab, weil man nach seiner persönlichen Meinung nicht nett zu seiner Kollegin war. "Kleingeist" ist noch das freundlichste Wort, das mir dazu einfällt. Heine hätte was zu lachen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Lammerts Souveränität habe ich leider bisher überschätzt.

  • 4G
    442 (Profil gelöscht)

    "Ihn (Lammert) irritiere, „dass jegliche kritische Stimmen auch und gerade von hochangesehenen Wissenschaftlern und aus den akademischen Spitzenverbänden ausnahmslos für eine unerwünschte Einmischung und unzulässige versuchte Einflussnahme erklärt werden“."

     

    Ist ja hochspannend: Da hat eine sektenartige Wissenschaftsgemeinschaft versucht, das nachweislich objektiv gestaltete Verfahren der Uni Düsseldorf gegen Schavan zu torpedieren, weil Schavan ihnen möglicherweise üppige Forschungsgelder versprach. Und unser Bundestagspräsident ist darüber irritiert. Geht's noch?! Das ist hier doch keine Bananenrepublik!

     

    Dazu passend:

    Eine dilettantische Rettungskampagne

    http://www.polenum.com/politik_energie_umwelt_meinung/eine-dilettantische-rettungskampagne-abschlussbericht-schavan-bleckmann-plagiatsverfahren/

    • @442 (Profil gelöscht):

      Ich halte es mit Popper und gehe davon aus, Annahmen nicht 'beweisen' aber wiederlegen zu können. Kriterium hierfür ist, ob sich durch meine Annahmen die Realität beschreiben und sich Vorhersagen treffen lassen oder nicht.

       

      Mit der Annahme, Deutschland sei eine Bananenrepublik, lässt sich imho die Realität besser erklären als mit der Annahme, Deutschland sei keine Bananenrepublik.

       

      Aber selbstredend verfüge ich über keine Deutungshoheit und behalte meine Meinungen meistens für mich.

      • @Obsidious:

        Tja - Popper hat schon Schmidt Schnauze ( Sir Karl Popper) mißverstanden -

        anyway - haben doch sein Schüler

        Thomas Kuhn und der nicht sein Schüler sein wollender Paul Feyerabend

        längst dieses doch recht hochtrabende

        Theoriegebäude zum Einsturz gebracht.

        Bananenrepublik - nur mit Ironie -

        einer Falsifizierung zugänglich;-)

        (&das - war wohl auch gemeint - schön;•)

  • Die Tatsache, dass Frau Dr. (gültig bis 2014) Schavan Ihren Titel (in einer Zeit ohne Internet per Klapperschreibmaschine) erlangt und Jahrzehnte lang geführt hat, lässt sich nicht rückwirkend aufheben, auch wenn nicht sein kann, was nicht sein darf. Respekt vor Herrn Lammerts Konsequenz!

    • @hezwtal:

      Das Gesetz, an welches sich die CDUler gern halten, sagt, dass ein Verwaltungsakt, welcher rückwirkend aufgehoben wird, so behandelt werden muss, als ob er nie existiert hat.

      Lesen Sie hier weiter: http://dejure.org/gesetze/BVwVfG/48.html

       

      Wenn es um Straftäter geht, focht die CDU auf Harte Strafen usw.

      Die CDU faselt ständig von Aufrichtigkeit, Familie und Werte.

      Wenn aber der Dieb in der eigenen Reihe sitzt, wird nichts geäußert.

  • Herr Lammert argumentiert ja nicht unflott -

    haltet den Dieb -

    aber letztlich doch recht verschwiemelt-unsouverän.

     

    Wer bei so einem plan-as-plan-can-be-Fall

    sich so weit aus dem Fenster lehnt -

    zeigt, daß er keinen Respekt vor einer

    unabhängigen Institution wie

    einer Universität hat -

    die feinsinnigerweise Heinrich Heines Namen trägt -

     

    und macht auch hier & erneut mehr als deutlich -

    daß er sich zu wichtig nimmt und

    qua Amt maßlos überschätzt wird.

  • Herr Prof. Bruno Bleckmann verdient mein Respekt. Ich habe seine Stellung als Abendlektüre gelesen. Ich war begeistert von seinem Mut, unbeirrt die Wissenschaft zu verteidigen, auch wenn die von Lammert als angesehenen Wissenschaftler Einfluss zu nehmen versuchten.

    Seine unbeugsame Haltung verdient eine hohe Anerkennung.

     

    Bericht als pdf findet man hier: http://www.taz.de/Plagiatsaffaere-Annette-Schavan/!143031/