Neue Corona-Reisewarnungen: Jeder macht, was er will

Jedes Land spricht seine eigenen Corona-Reisewarnungen aus, gemeinsame Abstimmung Fehlanzeige. Der EU droht ein Rückfall in Gesundheitsnationalismus.

Zwei junge Frauen und ein Mann tehen im Partnerlook - schwarzes Hemd mit rosa Rosen - in Mallorca auf der Straße

Urlaub im Partnerlook auf Mallorca und keine Alleingänge, da könnte sich die EU ein Beispiel nehmen Foto: Alexandra Wilms/dpa

Sie haben den Mund ziemlich voll genommen. Nationale Allein­gänge wie zu Beginn der Coronapandemie dürften sich nicht wiederholen, die EU werde für offene Grenzen und freies Reisen sorgen – gerade in der Urlaubssaison. So versprachen es Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Team im Mai. Auf dem EU-Gipfel im Juli kamen noch Solidaritätsschwüre der Staats- und Regierungschefs hinzu. Die EU habe ihre Lektion gelernt, hieß es.

Vier Wochen später zeigt sich, was die Versprechen wert waren: nichts. Mit unabgestimmten Reisewarnungen und nationalen Hygienevorschriften machen sich die EU-Staaten gegenseitig das Leben schwer. Jeder tut, was er will.

Auch Deutschland macht da keine Ausnahme. Berlin hat zwar seit dem 1. Juli den EU-Vorsitz inne und will mit gutem Beispiel vorangehen. Doch die Reisewarnungen für Spanien und Kroa­tien wurden nicht einmal mit Brüssel abgestimmt. Rein formal ist dies auch nicht nötig. Die Gesundheitspolitik ist nun einmal eine nationale Kompetenz – jedes Land kann und muss selbst entscheiden, wie es seine Bürger schützt. Doch politisch und wirtschaftlich ist es fatal.

Politisch droht ein Rückfall in den Gesundheitsnationalismus, wirtschaftlich droht ein Desaster. Für Länder wie Spanien oder Kroatien ist der Tourismus überlebenswichtig, eine Reisewarnung kann sich verheerend auswirken. Die nationalen Alleingänge dieser Tage drohen zunichtezumachen, was die EU in den letzten Wochen und Monaten mühsam wiederaufgebaut wurde. Sogar der Wert des neuen Corona­hilfsfonds steht nun infrage.

Denn die Finanzhilfen aus dem 750-Milliarden-Fonds dürften erst 2021 fließen. Doch der Schaden wegen der Reisewarnungen und anderer Beschränkungen entsteht jetzt. Die Kommission ist gefordert gegenzusteuern. Sie muss nicht nur ein schnell wirksames Hilfskonzept für betroffene Re­gio­nen auflegen, sondern vor allem auf eine europaweite Koordinierung drängen. Corona stellt Europa erneut auf die Probe. Für die EU-Kommission ist es die zweite und vielleicht letzte Chance.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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