Nach Corona-Impfungen: Kaum Klagen wegen Impfschäden
Zwei Anwaltskanzleien wollen knapp 200 Fälle von Corona-Impfnebenwirkungen vor Gericht bringen. Möglicherweise muss der Staat zahlen.
Die Düsseldorfer Kanzlei Rogert & Ulbrich hatte nach eigenen Angaben rund 3.000 Anfragen, aus denen 810 Mandate resultierten, doch am Ende landeten nur 135 Verfahren vor Gericht. Ähnlich ist die Bilanz des Wiesbadener Anwalts Joachim Cäsar Preller. Auch er lehnte Hunderte Anfragen als aussichtslos ab und brachte nur 50 Klagen vor Gericht.
Es handelt sich dabei um Verfahren gegen alle Hersteller von Corona-Impfstoffen. Eine erste Verhandlung gegen Biontech sollte eigentlich Ende April am Landgericht Frankfurt am Main stattfinden. Der Termin wurde nun verschoben. Es geht um den Fall einer Frau, die für ihren Herzschaden die vorherige Covidimpfung von Biontech verantwortlich macht.
Normalerweise müssen Kläger, die sich durch ein Produkt geschädigt fühlen, ein Verschulden (das heißt Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Herstellers nachweisen und dass dieses Verschulden den Schaden verursacht hat. Im Arzneimittelgesetz, das auch für Impfstoffe gilt, gelten jedoch deutliche Erleichterungen für die Kläger. So müssen sie im Rahmen einer Gefährdungshaftung kein Verschulden nachweisen, es genügt die Annahme von Kausalität. Und auch diese Verursachung des Schadens wird in geeigneten Fällen vermutet.
Möglich, dass der Staat den Schaden ersetzt
Dennoch sind Klagen gegen Impfstoffhersteller kein Selbstläufer. Laut Gesetz müssen die Nebenwirkungen „über ein vertretbares Maß hinausgehen“. Hier werden Nutzen und Risiken abgewogen. Gegen die massiven Folgen einer Krebs-Chemotherapie kann deshalb nicht erfolgreich geklagt werden. Auch die Kausalitätsvermutung kann vom Hersteller widerlegt werden, wenn andere Ursachen in Betracht kommen. Schließlich gibt ja durchaus eine statistische Wahrscheinlichkeit, dass auch coronageimpfte Menschen anschließend an ganz anderen Leiden erkranken oder gar sterben – ohne dass dies eine Folge der Impfung ist.
Wohl nur eine geringe Rolle spielen Haftungserleichterungen, die den Impfstoffherstellern im Mai 2020 durch eine Verordnung des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) eingeräumt wurden. Die für Kläger günstige Gefährdungshaftung entfällt demnach nur, wenn der Schaden auf bestimmte staatlich angeordnete Vereinfachungen beim Inverkehrbringen der Impfstoffe zurückzuführen ist.
Doch selbst wenn ein Impfstoffhersteller am Ende zu Schadensersatz verurteilt wird, kann es gut sein, dass letztlich der Staat den Schaden ersetzt, weil dies wohl in den geheimen Beschaffungsverträgen von EU und Herstellern so vereinbart wurde.
Sollten die Hürden für einen Schadensersatz-Anspruch gegen den Hersteller am Ende doch zu hoch sein, könnte ein direkter Anspruch gegen den Staat bestehen. Wer einen Impfschaden erleidet, hat Anrecht auf eine Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Hier wird allerdings kein voller Erwerbsausfall ersetzt und es gibt auch kein Schmerzensgeld, sondern maximal 854 Euro pro Monat. Und auch hier kommt es auf die Kausalität an. Laut FAZ sind in 13 von 16 Bundesländern 6.600 Anträge auf Versorgungsleistungen eingegangen, doch nur in 284 Fällen wurden Corona-Impfschäden anerkannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“