Nach Benennung von Brett Kavanaugh: Das wird Trump überdauern
Die Republikaner haben jetzt am Obersten Gerichtshof die Mehrheit. Kavanaugh ist ein weiterer rechtsaktivistischer Richter. Das wird Folgen haben.
Mit Kavanaugh sind fünf von neun amtierenden Obersten RichterInnen von republikanischen Präsidenten berufen worden. Und: Anders als früher muss man bei diesen fünf davon ausgehen, dass sie tatsächlich konservative Urteile fällen.
Das hat einen Grund: Sie alle sind mit der Hilfe der Federalist Society auf ihren Posten gelangt. Die 1982 von konservativen Jura-StudentInnen aus Harvard, Yale und Chicago gegründete Gesellschaft ist heute die einflussreichste juristische Vereinigung der USA. Sie fördert gezielt konservative JuristInnen und versucht, ihnen den Weg in den Justizapparat zu ebnen.
Seit der Präsidentschaft George W. Bushs (2001–2009) fällt ihr das noch leichter. Der schaffte nämlich den jahrzehntealten Brauch ab, dass sich republikanische wie demokratische Präsidenten bei Richternominierungen nach dem Punktesystem der American Bar Association richteten. Die gab Bewertungen über aktive JuristInnen unabhängig von deren politischer Verortung ab.
Bush jedoch witterte in der Vereinigung eine Brutstätte des Linksliberalismus und beendete die Praxis. Die beiden von ihm berufenen Richter Samuel A. Alito und Chefrichter John G. Roberts standen genauso auf der Shortlist der Federalist Society wie die von Trump berufenen Neil M. Gorsuch – und Brett Kavanaugh. Und auch der 1991 von Bush senior berufene Clarence Thomas gehörte dazu.
Damit kommen fünf der neun lebenslang berufenen RichterInnen aus dem gleichen Denksystem – und dessen Charakter ist rechtsaktivistisch. Kein Wunder, dass die Federalist Society unter ihren Großspendern auch die Tea-Party-Sponsoren Charles und David Koch sowie die Mercer-Familie hat, ohne deren Geld Trumps inzwischen geschasster Rechtsaußen-Chefstratege Stephen Bannon nie hätte groß werden können. Sollten die beiden derzeit ältesten Richter, die von Bill Clinton berufenen Liberalen Ruth Bader Ginsberg (85) und Stephen Breyer (80), noch in Trumps Amtszeit ausscheiden, hätte die Society eine 7:2-Mehrheit am Gerichtshof.
Konservativ urteilen heißt heute dreierlei: unter Berufung auf eine angeblich textgetreue Auslegung der Verfassung so tun, als ob sich die Gesellschaft nicht weiterentwickele. Zweitens: angesichts einer Mehrheit republikanischer Gouverneure die Rechte der Bundesstaaten gegenüber Washington stärken – etwa wenn es um mehr Umwelt- und Finanzregulierungen geht. Drittens: christlich-konservative Werte vorantreiben.
In der Öffentlichkeit ist die Debatte über den letzten Punkt stets am meisten präsent. Das ist auch kein Wunder: Schon der republikanische Senatsschef Mitch McConnell hatte ein Jahr lang die Berufung eines weiteren Richters durch Präsident Obama blockiert und evangelikalen Wähler*innen versprochen, man werde versuchen, die Mehrheit im Gerichtshof zu Ungunsten des Rechts auf Abtreibung zu verändern. Trump stieß im Wahlkampf ins gleiche Horn – beide gewannen die Wahl.
Ob tatsächlich demnächst ein entsprechendes Grundsatzurteil gefällt wird, mit dem das seit 1976 garantierte Recht auf Abtreibung abgeschafft wird, ist unklar. Viele halten für wahrscheinlicher, dass der Gerichtshof es schlicht den Bundesstaaten erlaubt, die Umsetzung dieses Rechts so zu erschweren, dass es de facto abgeschafft ist.
Unterdrückung von Minderheiten
Sicher scheint: So etwas wie 2015, als aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichtshofes die gleichgeschlechtliche Ehe von einem Tag auf den anderen im ganzen Land legal wurde, würde es mit der neuen Mehrheit nicht mehr geben.
Von letztlich noch viel größerer Bedeutung für die US-amerikanische Demokratie sind aber andere Entscheidungen: Wenn es der Gerichtshof etwa ablehnt, sich mit den klar auf die Unterdrückung von Minderheiten zielenden Wählerregistrierungsrichtlinien in manchen Bundesstaaten zu beschäftigen oder mit der Zurechtschneidung von Wahlbezirken nach Parteinteresse in Wisconsin, oder wenn er gegen das Recht von Gewerkschaften entscheidet, Beiträge für erfolgreiche Tarifabschlüsse auch von Nichtmitgliedern zu kassieren – in all diesen Fällen unterstützt der Gerichtshof von der Richterbank aus die konservativ-neoliberale Wende. Betroffenen bleibt nichts mehr, wohin sie sich wenden können.
Einen Obersten Richter wieder abzusetzen ist nicht unmöglich, aber schwierig und noch nie vorgekommen. Das Verfahren ist das gleiche wie die Absetzung eines amtierenden Präsidenten: Wenn eine Mehrheit des Repräsentantenhauses bei einem Richter ein schweres Vergehen feststellt – das er auch außerhalb seiner Amtszeit begangen haben kann – wird im Senat ein Verfahren abgehalten. Stimmen mindestens zwei Drittel der SenatorInnen für die Amtsenthebung, ist er abgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen