Nach Bahnunglück: Starkregen gefährdet Zugsicherheit
Ursache des Bahnunglücks in Baden-Württemberg war mutmaßlich ein durch Starkregen ausgelöster Erdrutsch. Dieses Risiko besteht auf vielen Strecken.

Am vergangenen Sonntag hat auf der Bahnstrecke zwischen Riedlingen und Munderkingen in Baden-Württemberg ein Bahnunglück drei Menschen das Leben gekostet, mehr als 40 wurden verletzt. Mutmaßlicher Auslöser war ein Starkregen, die Polizei erklärte zur Unglücksursache: „Das Wasser löste einen Erdrutsch im Böschungsbereich zu den Gleisen hin aus, was wiederum wohl die Entgleisung verursachte.“
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) herrschte zum Zeitpunkt des Unglücks „extrem heftiger Starkregen“ in der Gegend, bis zu 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter seien innerhalb einer Stunde gefallen. Zum Vergleich: Beim Unglück im Ahrtal registrierte der DWD 150 Liter binnen 24 Stunden.
Zwar ist die Klärung der Unfallursache noch nicht abgeschlossen. Dass es zu solchen Unglücken kommen kann, ist aber längst bekannt. Ein Gutachten des Bundesverkehrsministeriums kam in Bezug auf Starkregen 2020 zu dem Schluss: Auf rund 1.900 Kilometer Bahntrassen besteht bereits heute durch Starkregen ein hohes Risiko von Hangrutschungen – etwa sechs Prozent des Gesamtnetzes.
Jeweils einen Kilometer links und rechts der Gleise hatten Experten Geländeeigenschaften kartiert und geologische Daten ausgewertet, etwa zu Hangneigung und Festigkeit von Gestein. Geht der Klimawandel so weiter, kommen laut dem Gutachten bis Mitte des Jahrhunderts fast 400 Kilometer hinzu. Ohne wirksamen Klimaschutz würden bis Ende des Jahrhunderts weitere 900 Kilometer folgen.
Die Wissenschaft warnt
Die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten vor solchen Folgen des Klimawandels. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK kommt zu dem Schluss: „Lokale Starkregenereignisse verbunden mit Sturzfluten sowie Dauerregen verbunden mit großflächigen Überschwemmungen werden intensiver bzw. häufiger.“
Im Gutachten des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2020 heißt es: „Zwar hängt die Hangstabilität maßgeblich von der Zusammensetzung bzw. Beschaffenheit des Untergrundes und der Hangneigung ab, jedoch können Klima und extreme Wetterereignisse einen zusätzlich negativen Einfluss haben.“
Die Deutsche Bahn ist zu 100 Prozent im Besitz der Bundesregierung, trotzdem verweigerten alle Bundesverkehrsminister der vergangenen Jahre Klimaschutz im Verkehrssektor. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) besuchte am Montag mit weiterer Politprominenz die Unglücksstelle. Er sprach von „erschütternden Bildern“, von der „Kraft der Verheerung, die hier gewütet hat“. Das Wort Klimawandel fiel allerdings nicht.
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