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Nach BahnunglückStarkregen gefährdet Zugsicherheit

Ursache des Bahnunglücks in Baden-Württemberg war mutmaßlich ein durch Starkregen ausgelöster Erdrutsch. Dieses Risiko besteht auf vielen Strecken.

Der abgerutschte Hang, der wohl der Auslöser für das Bahnunglück bei Riedlingen in Baden-Württemberg war Foto: Angelika Warmuth/reuters

Berlin taz | Erdrutsch bei der Deutschen Bahn: Auf der Strecke von Aalen nach Stuttgart löste ein Starkregen im Juni 2024 auf 30 Metern Breite das Nachgeben des Hanges aus, ein ICE entgleiste. Zwar verlor der Zug seine Spur, zum Glück kippte er aber nicht um, die 185 Insassen an Bord blieben weitgehend unverletzt. November 2023: Auf der Strecke Norheim – Staudernheim löste sich in Rheinland-Pfalz die Befestigung. Auch damals gab es zum Glück keine verletzten Passagiere, die Gefahr konnte rechtzeitig erkannt werden.

Am vergangenen Sonntag hat auf der Bahnstrecke zwischen Riedlingen und Munderkingen in Baden-Württemberg ein Bahnunglück drei Menschen das Leben gekostet, mehr als 40 wurden verletzt. Mutmaßlicher Auslöser war ein Starkregen, die Polizei erklärte zur Unglücksursache: „Das Wasser löste einen Erdrutsch im Böschungsbereich zu den Gleisen hin aus, was wiederum wohl die Entgleisung verursachte.“

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) herrschte zum Zeitpunkt des Unglücks „extrem heftiger Starkregen“ in der Gegend, bis zu 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter seien innerhalb einer Stunde gefallen. Zum Vergleich: Beim Unglück im Ahrtal registrierte der DWD 150 Liter binnen 24 Stunden.

Zwar ist die Klärung der Unfallursache noch nicht abgeschlossen. Dass es zu solchen Unglücken kommen kann, ist aber längst bekannt. Ein Gutachten des Bundesverkehrsministeriums kam in Bezug auf Starkregen 2020 zu dem Schluss: Auf rund 1.900 Kilometer Bahntrassen besteht bereits heute durch Starkregen ein hohes Risiko von Hangrutschungen – etwa sechs Prozent des Gesamtnetzes.

Jeweils einen Kilometer links und rechts der Gleise hatten Experten Geländeeigenschaften kartiert und geologische Daten ausgewertet, etwa zu Hangneigung und Festigkeit von Gestein. Geht der Klimawandel so weiter, kommen laut dem Gutachten bis Mitte des Jahrhunderts fast 400 Kilometer hinzu. Ohne wirksamen Klimaschutz würden bis Ende des Jahrhunderts weitere 900 Kilometer folgen.

Die Wissenschaft warnt

Die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten vor solchen Folgen des Klimawandels. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK kommt zu dem Schluss: „Lokale Starkregenereignisse verbunden mit Sturzfluten sowie Dauerregen verbunden mit großflächigen Überschwemmungen werden intensiver bzw. häufiger.“

Im Gutachten des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2020 heißt es: „Zwar hängt die Hangstabilität maßgeblich von der Zusammensetzung bzw. Beschaffenheit des Untergrundes und der Hangneigung ab, jedoch können Klima und extreme Wetterereignisse einen zusätzlich negativen Einfluss haben.“

Die Deutsche Bahn ist zu 100 Prozent im Besitz der Bundesregierung, trotzdem verweigerten alle Bundesverkehrsminister der vergangenen Jahre Klimaschutz im Verkehrssektor. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) besuchte am Montag mit weiterer Politprominenz die Unglücksstelle. Er sprach von „erschütternden Bildern“, von der „Kraft der Verheerung, die hier gewütet hat“. Das Wort Klimawandel fiel allerdings nicht.

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3 Kommentare

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  • "Dass es zu solchen Unglücken kommen kann, ist aber längst bekannt."



    Ach so. Da konnte man natürlich nichts dagegen machen.



    "Auf rund 1.900 Kilometer Bahntrassen besteht bereits heute durch Starkregen ein hohes Risiko von Hangrutschungen..."



    Da sollten wir doch schnellstens und vordringlich etwas gegen den Klimawandel machen, damit das Risiko weggeht. Zur Erinnerung: Starkregen gab es auch schon, bevor die Bahnstrecke Nürnberg-Fürth eröffnet wurde.



    "Ohne wirksamen Klimaschutz würden bis Ende des Jahrhunderts weitere 900 Kilometer folgen."



    Also so ungefähr 12 Kilometer pro Jahr.



    BTW: Link zum Gutachten? Oder wenigstens der Titel, damit mensch danach suchen kann?

  • Wie lange wollen wir noch den Klimawandel ignorieren, wie lange werden die Menschen Parteien wie die CDU/CSU wählen, die die Grünen als die größte Gefahr für Deutschland sehen und nicht die AfD?



    Gerade erzählt die Wirtschaftsministerin Frau Reiche von angeblich zu ambitionierten Klimazielen, sie will Erdgas mit Mitteln aus dem Klimafonds subventionieren, und will 40 CO2 - Schleudern in Form von Gaskraftwerken ebenfalls vom Steuerzahler subventionieren lassen.



    Warum verlangt jetzt niemand von dieser Frau, dass sie sich vor den zerstörten und ihre Forderungen wiederholt, trotz der Toten bei diesem Unfall und bei den sich immer mehr häufenden Naturkatastrophen?



    Warum hat Europa nun Trumps Deal zugestimmt, für über 700 Mrd€ Öl und Gas in den USA zu kaufen?



    Gerade heute kam ein Bericht auf n-tv mit dem Titel "Munich Re zieht bittere Bilanz: Naturkatastrophen verursachen so hohe Kosten wie lange nicht"

  • "Das Wort Klimawandel fiel allerdings nicht." ... kein Wunder, denn warum soll jemand den Klimawandel erwähnen, wenn es diesen nach eigener Meinung garnicht geben kann?