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Nach Anschlag in KaschmirIndien suspendiert Wasservertrag

Der Indus ist der wichtigste Fluss Pakistans. Nach einem Anschlag mit mindestens 26 Toten in Kaschmir will Indien sein Nachbarland empfindlich treffen.

Kaschmir: Menschen verbrennen eine pakistanische Flagge aus Protest gegen den tödlichen Anschlag auf Feriengäste Foto: Anupam Nath/AP/dpa

Neu-Delhi dpa | Nach dem verheerenden Terroranschlag im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs verschärfen sich wieder die Spannungen zwischen Indien und Pakistan. Als Reaktion auf den Angriff beschloss die Regierung in Indien unter anderem, einen wichtigen Vertrag mit dem Nachbarn über die Nutzung der Flüsse in der Himalaya-Region auf unbestimmte Zeit auszusetzen. In der Region kam es zu Protesten.

Der Staatssekretär im Außenministerium, Vikram Misri, sprach von „grenzüberschreitenden Verbindungen“ bei dem Anschlag. Er warf Pakistan vor, Terrorismus zu unterstützen. Zudem weist Indien pakistanische Diplomaten aus und schließt einen Grenzübergang. Am Donnerstag will Pakistans Sicherheitsausschuss über die Schritte beraten.

Der Indus-Wasservertrag werde so lange außer Kraft gesetzt, „bis Pakistan glaubhaft und unwiderruflich der Unterstützung des grenzüberschreitenden Terrorismus abschwört“, sagte Misri. Die Regierung in Islamabad hatte zuvor jede Beteiligung an dem Anschlag zurückgewiesen.

Vertrag regelt Wassernutzung

Das 1960 unter Vermittlung der Weltbank ausgehandelte Vertrag regelt die Wassernutzung des Indus und seiner Nebenflüsse. Der Indus ist der wichtigste Fluss Pakistans. Aus der chinesischen Region Tibet kommend fließt der Indus durch Ladakh, das bis 2019 noch offiziell zum indischen Teil Kaschmirs gehörte.

Bei dem Anschlag auf einer Bergwiese in einer beliebten Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam im Unionsterritorium Jammu und Kaschmir wurden am Dienstag 26 Menschen getötet, mindestens 17 weitere verletzt. Die meisten von ihnen waren indische Feriengäste. Die Regierung stuft den gezielten Angriff auf Touristen als Terrorakt ein. Indische Medien berichteten, eine islamistische Terrorgruppe mit möglichen Verbindungen zu Pakistan habe den Anschlag für sich reklamiert.

Kaschmir steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt eines Konflikts zwischen beiden Ländern, die jeweils einen Teil der Region kontrollieren. Beide beanspruchen das ganze Gebiet für sich. Die beiden Atommächte führten bereits zwei Kriege um die Herrschaft über das Himalaya-Tal.

In der Stadt Jammu kam es am Mittwoch zu antipakistanischen Protesten. Die Teilnehmer forderten, dass Terroristen mit Gewalt aus der Region vertrieben werden sollen, wie indische Medien berichteten.

Mehrere Maßnahmen

Unter den Maßnahmen, die am Abend (Ortszeit) auf einer Sondersitzung des Sicherheitskabinetts des indischen Premierminister Narendra Modi beschlossen wurden, wird die Suspendierung des Wasservertrags als ein Schritt gesehen, der das Nachbarland besonders empfindlich treffen könnte.

Zudem wurden die Militärberater in der pakistanischen Auslandsvertretung in Neu-Delhi zu unerwünschten Personen erklärt. Sie sollen das Land verlassen. Der Umfang der indischen Gesandtschaft in Islamabad soll zudem von 55 auf 30 Menschen reduziert werden. Ferner soll der wichtigste Grenzkontrollposten auf indischer Seite mit sofortiger Wirkung geschlossen werden. Pakistanische Staatsbürger dürfen nicht mehr ohne Visum nach Indien einreisen. Am Donnerstag will der Nationale Sicherheitsausschuss in Pakistan unter Vorsitz von Regierungschef Shebaz Sharif über die Maßnahmen Indiens beraten.

Zahlreiche Festnahmen nach Anschlag

Nach dem Anschlag gab es Medienberichten zufolge Hunderte Festnahmen im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs. Wie der Sender NDTV und andere indische Medien unter Berufung auf Informanten berichteten, wurden in der Region im Kontext des Anschlags bislang etwa 1.500 Personen festgenommen, um sie zu möglichen Verbindungen zu den Tätern zu befragen. Darunter hätten sich auch Personen befunden, die bereits früher wegen militanten Verhaltens aufgefallen seien, hieß es.

Indiens Verteidigungsminister Rajnath Singh drohte den Tätern und ihren vermeintlichen Hinterleuten mit einer raschen Reaktion. Es werde eine „laute und deutliche Antwort für die Verantwortlichen“ sein, sagte er.

Suche nach Angreifern in vollem Gang

Die Suche nach den Angreifern lief währenddessen auf Hochtouren. Nach Angaben der indischen Streitkräfte beteiligten sich die Armee und die Polizei an der Suchaktion. Die Sicherheitsmaßnahmen im gesamten Kaschmir-Tal seien verstärkt worden, berichtete die Zeitung „Greater Kashmir“. Die Polizei in Kaschmir veröffentlichte am Mittwoch zur Unterstützung der Fahndung Phantombilder von drei mutmaßlichen Angreifern.

Pakistan: Mit Anschlag nichts zu tun

Die Gruppe The Resistance Front (TRF) reklamierte die Tat laut „Greater Kashmir“ für sich. Demnach handelt es sich um eine Splittergruppe der verbotenen islamistischen Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), die unter anderem für eine Anschlagsserie in der indischen Wirtschaftsmetropole Mumbai im November 2008 verantwortlich gemacht wird.

Die Basis der Gruppe soll sich in Pakistan befinden. Aber auch dort ist sie verboten. Pakistans Verteidigungsminister Khwaja Asif hatte nach dem Anschlag im pakistanischen Fernsehen gesagt, die Regierung seines Landes habe mit der Tat nichts zu tun.

Mehrere Kriege um Himalaya-Region

Rebellengruppen kämpfen im indischen Teil Kaschmirs, der vorwiegend muslimisch geprägt ist, für eine Unabhängigkeit vom mehrheitlich hinduistischen Indien – oder für einen Zusammenschluss mit Pakistan. Die Region Kaschmir ist zwischen beiden Nachbarländern geteilt. Beide Atommächte führten bereits zwei Kriege um die Herrschaft über das Himalaya-Tal.

Der indische Teil wurde 2019 in die zwei Unionsterritorien Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufgeteilt und damit stärker unter die Kontrolle der Zentralregierung in Neu-Delhi gebracht. Pakistan hatte die Aufhebung der Teilautonomie als illegal bezeichnet.

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1 Kommentar

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  • Man kann einer Unabhängigkeit Kaschmirs oder einer Zugehörigkeit zu Pakistan genauso das Wort geben wie einer Zugehörigkeit zu Indien.



    Ein sich autoritär-ausgrenzend "hinduistisch" gebärdendes Indien verliert automatisch Attraktivität für Kaschmiris.



    Eins, das sogar die Wasserkarte einsetzt, verliert Vertrauen in der internationalen Gemeinschaft.



    Auch bei Indien sollte 'Power Play' zeitig eingehegt werden.