Nach Anschlag in Ankara: Türkische Luftangriffe im Nordirak und in Syrien
Die Regierung macht die kurdische PKK für den Terroranschlag auf den Rüstungskonzern Tusas verantwortlich. Sie reagiert mit Bombenangriffen auf mutmaßliche PKK-Stellungen in den Nachbarländern.
Vertreter der syrisch-kurdischen Selbstverteidigung berichten indes von zwölf getöteten Zivilisten und etlichen Verletzten. Die Angriffe aus der Luft sind eine erste Reaktion auf das Attentat auf den größten staatlichen Rüstungskonzern Tusas in der Nähe Ankaras am Mittwochnachmittag.
Dabei wurden sieben Menschen inklusive der beiden Attentäter getötet und 22 verletzt, drei darunter schwer. Nachdem es über Stunden hieß die Hintergründe des Attentats seien noch unklar, deutete Innenminister Ali Yerlikaya am Mittwochabend bei einer improvisierten Pressekonferenz am Ort das Anschlages an, dass die PKK wahrscheinlich für das Attentat verantwortlich sei. Angeblich, so hieß es bei einem Fernsehsender, sei einer der getöteten Angreifer, ein junger Mann als PKK- Anhänger aus dem Südosten des Landes identifiziert worden.
Das Attentat fand in einem politischen Umfeld statt, das Anlass zu etlichen Spekulationen gibt. Das Ziel Tusas ist der wichtigste staatliche Rüstungskonzern der Türkei. In dem am Stadtrand von Ankara gelegenen Betrieb werden Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge und Drohnen hergestellt.
Anschlag erfolgte parallel zum Treffen Erdogan-Putin
Während das erste in der Türkei gebaute Kampfflugzeug „Kaan“ noch in der Erprobungsphase ist, weshalb die Türkei ja zur Zeit noch 40 Eurofighter kaufen will, sind die Drohnen bereits seit längerem ein Verkaufsschlager und werden von der türkischen Armee selbst offenbar sehr erfolgreich im Kampf gegen die PKK eingesetzt.
Das Attentat erfolgte während Präsident Recep Tayyip Erdogan in Russland weilte, um dort an dem umstrittenen Gipfel der Brics- Staaten unter Leitung des russischen Präsidenten Wladimir Putin teilzunehmen. Just zum Zeitpunkt des Attentats konferierte Erdogan mit Putin über bilaterale Themen.
Sollte das Attentat ein politischer Fingerzeig, womöglich ausgeführt durch den israelischen Geheimdienst Mossad sein, wurde von einigen Mitgliedern der regierenden AKP spekuliert? Schon bald verdichtete sich aber der Verdacht auf die PKK.
Erst vor einem Jahr hatte es einen ähnlichen Kamikaze-Anschlag auf das Innenministerium in Ankara gegeben, zu dem sich später die PKK bekannte. Auch damals waren zwei Attentäter mit dem Auto möglichst nahe an den Eingang des Ministeriums herangefahren und hatten dann das Feuer eröffnet.
Auch am Mittwochnachmittag waren die beiden Attentäter, ein Mann und eine Frau, mit einem Auto vor dem Personaleingang von Tusas vorgefahren. Um vortäuschen zu können, ein Angestellter würde mit dem Taxi zur Arbeit gebracht, hatten die Attentäter einen Taxifahrer ermordet und waren dann mit dem Taxi vorgefahren.
Nicht nur die Art des Anschlages lenkt Verdacht auf die PKK
Sie konnten die Eingangsdrehkreuze wohl überwinden, schossen wild um sich, töteten vier Menschen und wurden dann selbst erschossen. Der tote Taxifahrer wurde später im Kofferraum gefunden.
Doch nicht nur die Art des Anschlags deutete, wie Yerlikaya sagte, auf die PKK hin, es gibt offenbar einen politischen Zusammenhang der noch überwiegend im Dunkeln liegt.
Am Dienstagnachmittag dieser Woche hatte der Vorsitzende der ultrarechten MHP, Devlet Bahceli bei einem spektakulären Auftritt im Parlament gesagt, man könne den seit 25 Jahren inhaftierten historischen Führer der PKK, Abdullah Öcalan, freilassen, wenn der im Parlament vor der kurdischen DEM Fraktion das Ende des Terrors und die Auflösung der PKK verkünden würde. Die Führung der DEM signalisierte Interesse.
Mit dem überraschenden Angebot Bahcelis war allerdings die Erwartung verbunden, dass die DEM als Gegenleistung einer von Präsident Erdogan gewünschten neuen Verfassung ihre Zustimmung geben würde.
Berichte über Geheimverhandlungen mit der PKK
Zunächst schien es unsinnig, dass die PKK nur einen Tag nach der Offerte Bahcelis mit einem Attentat auf den größten türkischen Rüstungskonzern antworten würde. Es sei denn, das Angebot war gar keine Überraschung.
Am späten Mittwochabend behauptete der Journalist Altan Sancar im TV-Kanal Sözcü-TV, er wisse, dass es seit Monaten geheime Verhandlungen mit dem inhaftierten Öcalan sowie der aktuellen PKK–Führung in Nordirak gäbe. Diese Aussage wird gestützt durch eine Mitteilung des Neffen Öcalans, der seinen Onkel vor zwei Tagen auf der Gefängnisinsel İmralı besuchen durfte. Öcalan habe ihm gesagt, „wenn die Bedingungen stimmen, habe er die Macht, den Prozess von der Gewalt weg auf den rechtlichen und politischen Boden zu bringen“.
Die aktuelle PKK-Führung sieht das aber wohl anders. Am Mittwochabend wurde auf einer PKK-nahen Website die Forderung nach der Niederlegung der Waffen zurückgewiesen. Alle Erfolge der Kurden seien nur durch den Einsatz von Waffen erzielt worden, man werde sie daher nicht niederlegen.
Dem widerspricht nun der ebenfalls inhaftierte prominente Kurdenführer Selahattin Demirtaş heftig. In sozialen Medien verbreitete er folgende Stellungnahme: „Diejenigen, die versuchen, das Streben nach einer Lösung unserer Probleme durch Dialog zu stoppen, sollten wissen, dass wir Öcalan mit aller Kraft unterstützen werden, wenn er die Initiative ergreift und den Weg für eine politische Lösung ebnen will. Wir werden niemals zulassen, dass die Stimmen derer, die Frieden wollen, dieses Mal unterdrückt werden, egal von wem.“
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