Nach Angriff auf Priester in Frankreich: Trauer und Unverständnis
Nach der Ermordung eines Priesters trauern die Menschen in der Nähe des Tatorts. Einer der beiden Angreifer hatte versucht, nach Syrien auszureisen.
Zumindest einer der Attentäter, Adel Kermiche, war als Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ polizeibekannt und wurde mit einer Fußfessel überwacht, sagte Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins am Dienstag in Paris. Demnach versuchte der Angreifer zuvor zweimal, nach Syrien zu reisen. Einmal sei er in Deutschland gestoppt worden, beim zweiten Mal in der Türkei.
Kermiche lebte mit seiner Familie in Saint-Étienne-du-Rouvray, wo der 19-Jährige am Dienstagmorgen mit einem Komplizen zur Morgenmesse in die Kirche gestürmt sein und Priester Jacques Hamel, drei Nonnen und zwei Kirchgänger als Geiseln genommen haben soll.
Den über 80 Jahre alten Geistlichen hätten die beiden auf die Knie gezwungen und ihm dann die Kehle durchgeschnitten, teilten Behörden und Augenzeugin Schwester Danielle mit. Die Nonne sagte, die Angreifer hätten sich bei der Tat gefilmt und am Altar eine Predigt auf Arabisch gehalten. Dann habe sie fliehen können.
Fußfessel war deaktiviert
Staatsanwalt Molins sagte, die Attentäter hätten die anderen Geiseln als menschliche Schutzschilde genutzt, um ein Eindringen der Polizei zu verhindern. Ein 86 Jahre alter Kirchgänger sei verletzt worden.
Zum Zeitpunkt der Tat sei Kermiches Fußfessel wie an jedem Morgen deaktiviert gewesen, sagte Molins. Er und der andere Angreifer, dessen Identifizierung noch nicht abgeschlossen sei, hätten Sprengstoffattrappen dabei gehabt und seien mit „Allahu Akbar“-Rufen auf die Polizisten zugestürmt. Daraufhin seien sie erschossen worden.
Ein 16-Jähriger sei im Zuge der Ermittlungen festgenommen worden, teilte der Staatsanwalt mit. Bei ihm soll es sich um den jüngeren Bruder eines Mannes handeln, der 2015 ebenfalls nach Syrien oder den Irak wollte.
Der IS ließ über sein Sprachrohr Amak wissen, dass „zwei Soldaten des Islamischen Staats“ den Angriff in der Normandie ausgeführt hätten. Sie seien dem Aufruf gefolgt, Anschläge in Staaten zu verüben, die der US-geführten Anti-IS-Koalition angehörten.
Angriff auf Kirche in Paris vereitelt
Staatspräsident François Hollande sprach von einem abscheulichen Angriff, der zeige, dass sich Frankreich im Krieg mit dem IS befinde. „Dieser Krieg muss mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln geführt werden.“
Auch der Rest der Welt reagierte mit Abscheu und Entsetzen auf den Priestermord, der zudem wohl der erste bekannte IS-Angriff auf eine Kirche in einem westlichen Land gewesen ist. Im vergangenen Jahr war eine Kirche in Paris ins Visier genommen worden, der Angriff aber fehlgeschlagen. Papst Franziskus verurteilte die Ermordung Hamels aufs Schärfste.
Der Bürgermeister von Saint-Étienne-du-Rouvray, Hubert Wulfranc, rief die Anwohner mit Tränen in den Augen zum Zusammenhalt auf. Sie dürften nicht zulassen, dass die Attacke auf Hamel die verschiedenen Gesellschaftsgruppen gegeneinander aufwiegele, mahnte er.
Erst am 14. Juli hatte ein mutmaßlicher Extremist einen Lastwagen in eine feiernde Menge in Nizza gesteuert und dabei 84 Menschen getötet.
Frankreich wurde zudem im vergangenen Jahr von einer Serie anderer tödlicher Anschläge heimgesucht, zu denen sich teils der IS bekannte.
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