NSU-Prozess wird fortgesetzt: Aussage von V-Mann-Führer gefordert

Nebenkläger haben Akten des Verfassungsschutzes Thüringen entdeckt, die als vernichtet galten. Sie sollen Aufklärung über die Rolle eines V-Mannes bringen.

Beate Zschäpe und ihre Verteidiger im Gerichtssaal

Wieder im Fokus: Beate Zschäpe (mit dem Rücken zur Kamera) und ihre Verteidiger. Foto: dpa

MÜNCHEN dpa | Im Münchner NSU-Prozess haben Nebenkläger die Zeugenvernehmung eines früheren Beamten des Thüringer Verfassungsschutzes beantragt. Er soll einen V-Mann geführt haben, der zum engsten Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) gehört haben soll.

In ihrer Begründung verwiesen die Nebenkläger am Dienstag auf Akten, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln liegen sollen. Es handele sich um „mindestens 69 Deckblattmeldungen mit Quellmeldungen“, sagte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann. Der Verfassungsschutz in Thüringen habe diese Unterlagen „rechtswidrig vernichtet“. Sie galten bisher als nicht mehr greifbar.

Die Verteidigung von Beate Zschäpe protestierte gegen Hoffmanns Antrag mit der Begründung, er bringe keine relevanten Erkenntnisse für die Urteilsfindung. Der Nebenkläger betreibe „Missbrauch des Beweisantragsrechts“. Bundesanwalt Herbert Diemer sprang dem Nebenkläger dagegen bei und wollte „einen Missbrauch nicht erkennen“. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe die Mittäterschaft an den zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden des NSU vor.

Bei dem mutmaßlichen V-Mann handelt es sich um den früheren Anführer der thüringischen „Blood & Honour“-Sektion. Nach Überzeugung der Nebenklage spendete er Einnahmen aus einem rechtsradikalen Konzert in Höhe von 1000 Mark an das abgetauchte Trio. Er habe außerdem engen Kontakt zur „Kameradschaft Jena“ gehalten, der Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angehörten. An Böhnhardt soll er einen Anwalt vermittelt haben.

Waffenexperte sagt aus

Als Zeuge hatte der Mann an einem früheren Verhandlungstermin bestritten, Zuträger des Verfassungsschutzes zu sein. Das Gericht schenkte dieser Aussage aber keinen Glauben, weil es vom thüringischen Innenministerium eine Aussagegenehmigung für ihn erhalten hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte angekündigt, den Verdacht einer Falschaussage gegen den Mann prüfen zu wollen.

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte ein Waffenexperte des Bundeskriminalamtes nahegelegt, das NSU-Trio könne über mehr Waffen verfügt haben als bisher bekannt. Das folge aus der Untersuchung von Munitionsresten. Sie seien teilweise von Waffen abgefeuert worden, die nicht zum Bestand der bisher festgestellten 20 NSU-Waffen gehören.

Unklarheit herrscht weiter über den Gesundheitszustand von Beate Zschäpe. Das Gericht sagte am Dienstag drei geplante Sitzungstermine im Juni ab und will entgegen der Planung vorerst weiter nur zweimal pro Woche verhandeln. Eine erneute Untersuchung verzögere sich wegen des Urlaubs des Gerichtsarztes.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

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■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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