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NSU-Prozess in MünchenZschäpe meldet sich krank

Noch ist kein Verhandlungstag ausgefallen – bis jetzt. Zschäpes Ärztin attestiert Kreislaufprobleme. Doch ihre Symptome könnten auch andere Gründe haben.

Wegen Übelkeit: Die Hauptangeklagte sorgt für eine Pause im Prozess. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | Der NSU-Prozesstag am Mittwoch ist wegen Krankheit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe komplett ausgefallen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl verwies zur Begründung auf ein Attest einer Ärztin der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in München. In deren Schreiben war von einem „Verdacht auf beginnenden Infekt mit unklarer Kreislaufreaktion“ die Rede.

Einige Testergebnisse stünden zwar noch aus – Zschäpe sei aber jedenfalls am Mittwoch verhandlungsunfähig. Ob Zschäpe am Donnerstag wieder verhandlungsfähig sein könnte, ließ die Ärztin in dem Brief offen. Götzl betonte deshalb, alle weiteren Termine – auch der am Folgetag – blieben zunächst weiter bestehen.

Damit wurde – ein Jahr und einen Tag nach dem Prozessbeginn in München – erstmals überhaupt ein Verhandlungstag wegen Erkrankung Zschäpes abgesetzt. Bereits am Dienstag war die Hauptverhandlung wegen Übelkeit der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin und eines später folgenden Befangenheitsantrags der Verteidigung gegen einen Gerichtsarzt nahezu komplett ausgefallen.

Als Grund für die Übelkeit hatte Zschäpe im Gespräch mit dem Arzt eine Nachricht angegeben, die sie am Dienstag vor Sitzungsbeginn erhalten habe. Genauere Angaben dazu machte sie allerdings nicht.

Die drei Briefe

Am Dienstagabend wurde dann bekannt, dass das Gericht möglicherweise drei Briefe Zschäpes an einen inhaftierten Gesinnungsgenossen in Nordrhein-Westfalen beschlagnahmen will – darunter ein neues, bisher unbekanntes Schreiben von Mitte April.

Hintergrund ist, dass das Münchner Oberlandesgericht eventuell ein Sprachgutachten erstellen lassen möchte, um die Co-Autorenschaft Zschäpes an einem Manifest des NSU zu klären. Dies geht nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus einem Schreiben des Senats mit Datum vom 2. April hervor.

Darin heißt es, im Hinblick auf entsprechende Beweisanträge werde erwogen, drei Briefe Zschäpes als Beweismittel zur Erstellung eines solchen forensisch-linguistischen Gutachtens zu beschlagnahmen. Unter Prozessbeteiligten wurde daraufhin am Mittwoch spekuliert, ob das Schreiben Auslöser für die Kreislaufprobleme Zschäpes sein könnte.

In einer Expertise im Auftrag des Magazins Stern waren Fachleute 2013 zu dem Schluss gekommen, dass Zschäpe „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Co-Autorin des NSU-Dokuments ist – was sie im Prozess weiter belasten würde. Das Papier zeugt von der rassistischen Ideologie des NSU.

Der rege Briefwechsel zwischen Zschäpe und Robin S. war 2013 bekanntgeworden. Die Briefe der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin hatten wegen ihres teilweise sehr intimen Inhalts Aufsehen erregt.

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5 Kommentare

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  • Artikel wie erster Kommentar zeigen, daß große Teile des Publikums und - leider! - auch maßgebliche Journalisten, die über den NSU-Komplex berichten, das Nachdenken verweigern.

    Massive Indizien sprechen gegen die saatliche Version des "NSU". Herrn Speit ficht das nicht an. Seine - und die vieler Kommentatoren - zur Schau gestellte Abscheu gegen Rechtsextreme empfinde ich bei einer linken Zeitung als wohlfeil. Es scheint aber so, daß große Teile der Linken hier den "Sicherheitsbehörden" auf den Leim gegangen sind - und im seltenen Einvernehmen mit diesen jede kritische Analyse fahren lassen. Das Gleiche geschieht in dem zum NSU-Komplex gehörenden Fall Edathy, wo Foristen (natürlich nicht nur bei der TAZ) in Tausenden von Kommentaren ihre (übrigens ebenso wohlfeile) Abscheu gegen Pädophile kundtaten.

    In beiden Fällen geht es um Aufklärung der dahinter liegenden Strukturen, um eine selbstherrlich agierende Exekutive sogenannter "Sicherheitsbehörden", welche die Demokratie unterminieren. Das ist der eigentliche Skandal!

    Jedem halbwegs gescheiten Journalisten - wozu ich Herrn Speit mindestens zähle - muß klar sein, daß die staatliche NSU-Version nicht stimmen kann. Warum bleiben Sie weiter so staatsfromm? Womit hat man Ihnen gedroht? Was hat man Ihnen versprochen? Und: Was ist eigentlich aus der TAz als ehemaligem Organ der Gegenöffentlichkeit geworden???

    • @Albrecht Pohlmann:

      Die staatliche Version des NSU glaubt hier niemand. Der NSU-Prozess kann sowieso nur als Farce begriffen werden, nachdem nicht nur nicht abschließend ausermittelt wurde, sondern auch Ermittlungsergebnisse unterschlagen und vernichtet wurden. Die These vom Selbstmord Böhnhards und Mundlos ist unter kriminaltechnischen Gesichtspunkten völlig unwahrscheinlich. Die Rolle von Frau Zschäpe wird sich ohne ihre Mitarbeit kaum klären lassen. Zu welchem Ergebnis das Gericht auch immer kommen wird, jeder drittklassige Provinzjurist wird das Urteil in der Luft zerfetzen können. Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Justizbetrieb ist auch davon auszugehen, dass Frau Zschäpe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keines natürlichen Todes sterben wird. Das war schon während der RAF-Prozesse gängiges Procedere, wenn auch mit anderen Vorzeichen.

      Wenn Sie die taz hier als "linke Zeitung" bezeichnen, haben Sie entweder nie darin gelesen, oder betreiben gezielt Etikettenschwindel. Denken und Empfinden gehört immer zusammen. Meine Abscheu gegen Rechtsextreme ist Bestandteil und Ergebnis meines Nachdenkens über Rechtsextreme. Verharmlosende Relativierungen rechtsextremen Gedankenmaterials findet man doch schon zuhauf und zuviel. Wo man darauf trifft, muss man es entlarven, auch wenn es manchen peinlich aufstößt.

      • @Rainer B.:

        @Rainer B. - Möglicherweise verstehe ich Sie nicht richtig. Ich bin TAZ-Abonnent seit 1990, kenne sie also ziemlich gut. Die meisten TAZ-Mitarbeiter würden sicher bestätigen, daß sie bei einer "linken Zeitung" arbeiten. Insofern verstehe ich nicht, weshalb Sie mir "Etikettenschwindel" vorwerfen - logisch wäre doch im gegebenen Kontext allenfalls, diesen der TAZ vorzuwerfen (was ich nicht tue)? Ihren Abscheu teile ich im Übrigen - finde nur, daß solche Bekenntnisse nichts zur Wahrheitsfindung beitragen. Ich finde nüchterne Analyse produktiver. - Und mit dem ersten Teil Ihres Beitrags bin ich auch ganz einverstanden ...

        • @Albrecht Pohlmann:

          Ich mache Ihnen gar keinen Vorwurf, teile aber Ihre Einschätzung hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung der taz und des Selbstverständnisses der meisten taz-Mitarbeiter nicht. Die SPD ging auch jahrzehntelang ungeprüft als linke Partei über'n Tisch. Heute muss man nach nüchterner Analyse doch feststellen, dass diese Partei im Ergebnis nur dem Abbau von Bürgerrechten und damit auch dem Rechtsextremismus gedient hat.

          Bekenntnisse tragen - wie Sie zutreffend bemerken - zwar nichts zur Wahrheitsfindung bei, sind aber wichtig für die eigene Verortung bzw. die Frage nach dem was wesentlich und dem, was sekundär ist. Auch die nüchternste Analyse kann nie bei Null beginnen, sondern braucht immer ihre Einsprungmarke. Davon hängt weit mehr ab, als die Ratio zugestehen will.

  • Sicher eine Falschmeldung. Ein deutsches Mädl kann doch gar nicht krank sein.