NSA und deutsche Geheimdienste: Verfassungsbruch als System
Laut „Spiegel“ soll es zwischen deutschen Geheimdiensten und der NSA Austausch von Daten gegeben haben. Offenbar auch für die Tötung von Verdächtigen.
BERLIN dpa/afp| Der US-Geheimdienst NSA hat laut Spiegel von Deutschland aus gesammelte Daten für Anti-Terror-Einsätze verwendet – offenbar auch für die Tötung von Verdächtigen. Das Nachrichtenmagazin bezieht sich auf ein Dokument aus dem Bestand des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden.
In dem Bericht der National Security Agency (NSA) vom Januar 2005 über die Auswertung von Informationen zu Nordafrika heißt es den Angaben zufolge, die von Deutschland aus erlangten Erkenntnisse seien „für die Festnahme oder Tötung von mehr als 40 Terroristen verantwortlich“.
Vom Standort in Griesheim bei Darmstadt aus würden laut NSA-Dokumenten inzwischen 26 Aufklärungsmissionen betrieben. Erfasst würden Kommunikationsdaten in Europa. Eine NSA-Sprecherin sagte dem Spiegel, es gebe einen „ausführlichen und engen Austausch“ mit den deutschen Sicherheitsbehörden, ohne Details zu nennen. In dem zitierten Schriftstück von 2005 sei auch die Entscheidung dokumentiert, den Standort Griesheim zur größten europäischen Dependance der NSA auszubauen.
Der Spiegel berichtet zudem über eine Ausnahmeklausel in einem Vertrag zwischen der NSA und dem Bundesnachrichtendienstdienst von 2002. Die Sonderregelung habe die Ausspähung von Bundesbürgern gegen das geltende Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis ermöglicht – für den Fall „terroristischer Aktivitäten“. Wenn sich dabei im Nachhinein herausstelle, dass die erfassten Daten von einem Deutschen stammten, könnten sie trotzdem verwendet werden. Voraussetzung sei die Zustimmung der deutschen Dienste.
NSA-Untersuchungsausschuss will schnell prüfen
Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Patrick Sensburg (CDU), will die Rolle der deutschen Geheimdienste in der Spähaffäre rasch prüfen. „Ich halte es für sinnvoll, keine Zeit zu verlieren und nach der Sommerpause als erstes die Rolle unserer Dienste zu beleuchten“, sagte Sensburg Spiegel Online. Informationen darüber seien erheblich schneller und einfacher zu bekommen als Dokumente aus dem Ausland.
Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, sieht in den Berichten eine „neue Qualität“. „Es spricht vieles dafür, dass es zwischen der NSA, den deutschen Behörden und anderen Geheimdiensten eine Art Ringtausch gibt“, sagte der Grünen-Fraktionsvize der Zeitung Die Welt. „Die Deutschen besorgen dann Massenüberwachungsdaten beispielsweise aus Afghanistan und erhalten wahrscheinlich im Gegenzug von den Amerikanern in Deutschland gesammelte Daten. Das wäre ein System des institutionalisierten Verfassungsbruchs.“
Nach Ansicht des Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele muss der Ausschuss nun auch der Frage nachgehen, ob die NSA von Deutschland aus gesammelten Daten für Anti-Terror-Einsätze verwendet wurden, und damit möglicherweise auch für die Tötung von Verdächtigen. Es müsse auch geklärt werden, ob dies mit Wissen der Bundesregierung geschehen sei, sagte das Mitglied des Untersuchungsausschusses der Hannoverschen Neuen Presse vom Montag. Diese müsse spätestens jetzt alarmiert sein und darauf hinwirken, dass diese Praxis sofort beendet werde.
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