NS-Architektur in Wien: Die Gauhalle an der Donau

Mit der Ausstellung „Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler“ werden erstmals lange vernachlässigte Forschungen zu den Planungen der NS-Zeit vorgestellt.

Hanns Dustmann – Neugestaltung des Heldenplatzes und des Rathausvorplatzes, Wien, 1942. Bild: Architekturzentrum Wien

Wien sei „die Perle des Reiches“ sprach Adolf Hitler am 9. April 1938 im Wiener Rathaus. Wenige Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in seiner Heimat – fortan Ostmark genannt – löste er damit eine Planungseuphorie aus. Bekanntlich gehörte Wien, wo der gescheiterte Kunstmaler entbehrungsreiche Monate im Männerwohnheim verbracht hatte, nie zu dessen Lieblingsstädten. Aber die ehemalige Metropole der Habsburgermonarchie war immerhin die zweitgrößte Stadt des Dritten Reiches und bot sich kraft ihrer geografischen Lage an, Drehscheibe im Südosten zu werden.

Dazu gehörte der größte Donauhafen, der Wien zum „Hamburg des Ostens“ machen sollte. Gleichzeitig gab es Pläne, auf dem Ruf der Kulturstadt aufzubauen und Wien durch Theater, Konzerthäuser, Filmstudios und Kinos zu einem Propagandawerkzeug für den Export und die Verbreitung „deutscher Kultur“ zu machen. Da war es nur folgerichtig, dass das jüdische Viertel im Zweiten Bezirk platt gemacht und von einer Aufmarschstraße samt Triumphbogen durchzogen werden sollte, an deren Ende ein gigantomanischer Kuppelbau an der Donau stehen sollte: die Gauhalle.

Anders als die „Führerstadt“ Linz war Wien nie Objekt umfassender Forschungen zur NS-Architektur. Außer sechs Flaktürmen sind kaum Baudenkmäler erhalten, die sich als Nazi-Bauten erkennen lassen. Pläne und Skizzen zur Umgestaltung der Stadt, verschwanden im Zuge der Entnazifizierung nach dem Krieg in Schubladen, „wurden gesäubert oder gleich vernichtet“, so die Architekturhistorikerin Ingrid Holzschuh, Kokuratorin der Ausstellung „Wien. Die Perle des Reiches“. Deswegen fanden Studierende der Nachkriegszeit kaum brauchbare Quellen über die Jahre 1938 bis 1945 vor, obwohl viele der Architekten, die sich den Nazis angedient oder deren Ideen von der Umgestaltung der Stadt eifrig mitgetragen hatten, in Amt und Würden blieben und weiter beschäftigt wurden.

Dem Architekten Klaus Steiner ist es zu verdanken, dass heute so umfangreiches Material erhalten ist. Steiner, der im Salzkammergut in einem Umfeld aufgewachsen ist, wo „es nur so von alten Nazis gewimmelt“ hat, begann schon während des Studiums 1961 mit seinen Recherchen zu einer Zeit über die er „nur Fragen, nie Antworten“ fand.

Bis 17. August, Architekturzentrum Wien, Katalog (Park Books, Zürich) 48 Euro

So erwarb er in einem Antiquariat einen Amtskalender und ein altes Telefonbuch, aus denen er die Namen der Gauleiter, der Bauleiter und anderer an der Stadtplanung beteiligten Behörden heraussuchte. Die versuchte er dann zu kontaktieren und zu befragen. Am leichtesten sei es mit den Witwen und Kindern belasteter Personen gewesen. Die hätten ihm vorhandenes Material bereitwillig und erleichtert übergeben.

Jagd nach einschlägigen Dokumenten

Bei überlebenden Beamten und Architekten stieß er hingegen auf Misstrauen: „Wenn jemand ein KZ geplant hatte, wollte er das nicht an die große Glocke hängen.“ Steiner, der ein umfassendes Werk über die NS-Architektur in Wien schreiben wollte, setzte sich bei seiner fast vier Jahrzehnte währenden Jagd nach einschlägigen Dokumenten sogar dem Vorwurf aus, ein Sammler von Nazi-Devotionalien zu sein. Den Plan der Veröffentlichung gab der 72-Jährige inzwischen auf.

2011 übergab er seine Sammlung von rund 4.000 Plänen, Fotos, Manuskripten und amtlichen Schriftstücken dem Architekturzentrum Wien. Am Ende des Katalogs finden sich Kurzbiografien von 47 Architekten, die die personellen Verflechtungen und Netzwerke sowie die Kontinuität der Planung belegen. Eine gewisse „Kontinuität der Planungen“ sei auch im heutigen Stadtbild Wiens zu entdecken, so Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums Wien. Viele der Pläne sind inzwischen umgesetzt worden. So werden jetzt die Kopfbahnhöfe durch einen Hauptbahnhof ersetzt, der Wien nicht mehr als Endpunkt, sondern als Durchgangsstation in einem Großraum positioniert.

Die U-Bahn, wie sie heute verwirklicht ist, wurde in den 1940er Jahren bereits geplant. Auch die in den 1980er Jahren ausgebaute Donauinsel war bereits für die Gauhauptstadt als Überschwemmungs- und Erholungsraum vorgesehen.

Nur wenige, die heute ihren Wagen in der Rathausgarage parken, dürften wissen, dass die Garage damals als Luftschutzbunker angelegt war. Die Gauhalle und die völkische Umgestaltung des Heldenplatzes sind uns Wienerinnen und Wienern aber zum Glück erspart geblieben.

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