NGO-Gesetz in Georgien: Gegen das „russische Gesetz“
Die regierende Partei Georgischer Traum hat ein Gesetz zur Registrierung von NGOs verabschiedet. Zu Gegenprotesten vor dem Parlament kommen Tausende.
Der Auslöser war das strittige Gesetz „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“, das am Dienstag von der regierenden Partei Georgischer Traum in erster Lesung angenommen wurde. Nach dem Gesetz muss sich jede Organisation oder Medieneinrichtung, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhält, als „ausländischer Agent“ registrieren lassen. Bei Weigerung droht eine Geldstrafe von bis zu 8.000 Euro.
Kritiker bezeichnen das Gesetz als „russisch“ aufgrund der Ähnlichkeiten mit dem 2012 in Russland unter Wladimir Putin verabschiedeten „Gesetz über ausländische Agenten“. In Georgien wird befürchtet, dass der neue Text, wie in Russland, darauf abzielt, den Druck auf Zivilgesellschaft und Medien zu erhöhen.
„Der Gesetzentwurf steht im Widerspruch zu Georgiens internationalen Vereinbarungen. Es ist ein direkter Versuch, kritische Stimmen zu marginalisieren“, sagte George Gogia, Leiter von Human Rights Watch Europa und Zentralasien. Nach Ansicht von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten wird das Gesetz den Bestrebungen Georgiens, Mitglied der Europäischen Union zu werden, ein Ende setzen.
80 Prozent der Bevölkerung wünscht sich einen EU-Beitritt
Die südkaukasische Republik hat kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges 2022 die EU-Mitgliedschaft beantragt; im Juni letzten Jahres bekam Tbilissi die EU-Beitrittsperspektive. Ende 2023 wird die Europäische Kommission erklären müssen, ob Georgien den Kandidatenstatus erhält. Verschiedenen Umfragen zufolge wünschen sich mehr als 80 Prozent der Bevölkerung einen EU-Beitritt. Auch der EU-Außenpolitikchef, Josep Borrell, bekräftigte die Befürchtungen der Gegner des Gesetzes: „Dieses Gesetz steht nicht im Einklang mit den europäischen Normen und Werten.“
Georgiens Premierminister, Irakli Garibaschwili, verteidigte diese Woche den Text: „Die Zukunft in diesem Land wird nie wieder ausländischen Agenten gehören: Sie gehört den Patrioten.“ Anders äußerte sich die georgische Präsidentin, Salome Surabischwili, die den Entwurf ablehnt und versprach, ihr Veto einzulegen. Allerdings verfügt die Regierungspartei über genügend Parlamentssitze, um dieses Veto zu umgehen.
Der Gesetzentwurf wurde von der antiwestlichen Abgeordnetengruppe Macht des Volkes initiiert, die die Regierungspartei unterstützt. Seine Verfasser behaupten, dass dieser Gesetzesentwurf eine Analogie zum amerikanischen FARA (Foreign Agents Registration Act) sei, der 1938 von den USA verabschiedet wurde, um die US-Politik vor dem Einfluss Nazideutschlands zu schützen. Noch ein Dokument gegen NGOs hat die russlandfreundliche Gruppierung vorbereitet. Am Donnerstag soll es im Parlament behandelt werden.
In Tbilissi wird es weiter demonstriert
Der Parteivorsitzende des Georgischen Traums, Irakli Kobachidse, möchte beide Gesetzesentwürfe vom Beratungsgremium des Europarats für Verfassungsrecht, der Venedig-Kommission, geprüft haben. Danach wird das georgische Parlament sie erneut beraten. „Eins von beiden werden wir auf jeden Fall verabschieden“, sagte Kobachidse. Für Mittwochabend ist eine weitere Demonstration vorm Parlament in Tbilissi geplant.
Die Partei Georgischer Traum wurde vom Milliardär Bidzina Iwanischwili 2012 gegründet und seit dem stellt den Prämierminister Georgiens. Iwanischwili hatte in den 1990er Jahren sein Vermögen in Russland gemacht und zog sich 2021 formell aus der Politik zurück. Seine Kritiker behaupten, er würde weiterhin alle Entscheidungen hinter den Kulissen überwachen.
Aus dem Russischen Gemma Terés Arilla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen