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Musiktipps der WocheIm besten Sinne eigen

Das Jazzfest Berlin startet mit einem bemerkenswerten Line-Up an tollen Orten.Via Livestreams sucht man auch den Austausch mit anderen Metropolen.

Mit einer Fusion aus Hard Bop und arabischer Musik auf dem Jazzfest zu Gast: حمد [Ahmed] Foto: Guy Bolongaro

M ary Ocher, eine der Königinnen des Berliner Underground gibt ihre Homecoming-Show. Es ist ihr erster Auftritt seit der Pandemie – in der sie allerdings alles andere als untätig war. Sie rief das Underground Institute (UI) ins Leben, das nicht nur Bookingagentur sein will, sondern Kulturplattform, veröffentlichte den autobiographischen Comic „MOOP!“ Und schrieb neue, bislang unveröffentlichte Stücke, die es am Freitag im SO36 zu erleben gibt. Die Veranstaltung ist 3G, man trägt also Maske abseits des Sitzplatzes (5. 11., 21 Uhr, Tickets 11,20 Euro).

Ähnlich gesittet wird es wohl bei dem wohlkuratierten Jazzfest Berlin über vier Tagen zugehen. Es beginnt am Donnerstag (4.11.) und bietet neben einem bemerkenswerten Line-Up – das ein breites Spektrum abdeckt und im guten Sinn eigen ist – ziemlich tolle Spielstätten.

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Im Silent Green ist das neben der Kuppelhalle die spacig-industrielle Betonhalle, die erst in den letzten Betriebsjahren des einstigen Krematoriums gebaut wurde. Dort tritt am Samstag die Combo أحمد [Ahmed] auf, eine Art hochkarätiger britisch-schwedisch-deutsche Tribute-Band.

Benannt hat sich das Quartett nach dem US-amerikanischen Bassisten, Oud-Spieler und Komponisten Ahmed Abdul-Malik. Bekannt wurde der nicht zuletzt als musikalische Partner von Thelonious Monk; später entwickelte er seine eigene Fusion aus Hard Bop und arabischer Musik. Als Ausgangspunkt ihrer drei Alben diente der Band jeweils ein einzelnes Riff von Abdul-Malik (Silent Green, 6. 11., 22 Uhr, 15 / erm. 12 Euro).

Auf der gleichen Veranstaltung ist zudem ein Livestream aus Johannesburg zu erleben. Nachdem das Jazzfest im vergangenen Jahr in seiner Online-Ausgabe den Austausch mit New York suchte, sind diesmal weitere Metropolen dran: neben Einblicken aus Südafrika geht die digitale Reise nach Sao Paolo und auch Kairo – dort sogar in die Vergangenheit.

Spannend etwa, was sich 1932 in der ägyptischen Hauptstadt zutrug. Dort wollte man bei einem Kongress die arabische und orientalische Musik nicht nur dokumentieren, sondern zugleich standardisieren – was einer Auslöschung ihrer mikrotonalen Vielfalt gleichkam.

Mounira El Mahdeya und andere Sängerinnen, die in den 1920er Jahren ihre goldenen Zeiten erlebt hatten, wurden zu dem Kongress gar nicht erst eingeladen. Die Multiinstrumentalistin Nancy Mounir begibt sich mit einer Videoarbeit am Sonntag zur besten Matinee-Zeit auf Spurensuche; darauf folgt eine Listening Session (Silent Green, 7. 11., 11 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung erforderlich).

Ebenfalls als eindrücklicher Konzertort dürfte sich Gedächtniskirche erweisen. Dort gibt es am Freitag die neueste Inkarnation von Nate Wooleys Improvisations-Projekt „Seven Storey Mountain“ zu erleben, bei dem sich langsam und soghaft ein Wall of Sound aufbaut – gespielt von einem eindrucksvollen Line-Up. Übrigens wird das gesamte Festival gestreamt; im Anschluss ist es über die Festivalseite und auch ARTE-Mediathek abrufbar (5.11., 20 Uhr, 15 / erm. 12 Euro).

Wer in Anbetracht des pandemischen Entwicklung Innenräumen unbehaglich findet, wird sich besonders über das Projekt freuen, das Stadtflussland von Freitag bis Sonntag (5.-7. 11, 16-21 Uhr, Eintritt frei) an drei Anlegestationen, unter anderem dem HKW, entlang der Berliner Spree realisiert.

Der Fluss verbindet die wuselige Metropole mit den entvölkerten Mondlandschaften der Lausitz – zwei Orte, die gegensätzlicher kaum sein können, sich allerdings bedingen. Warum also nicht das Gewässer für den überfälligen Dialog zwischen Stadt und Land nutzen?

Das versucht das Kollektiv Recherchepraxis, zu dem Songschreiberin und Theatermacherin Bernadette La Hengst und der Chor der Statistik gehört, mit jeweils halbstündigen Performances. Auch hier gilt 3G (weitere Infos unter www.draussenstadt.berlin).

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