Murot-„Tatort“ aus Wiesbaden: Familie und Genickschuss
Ein obdachloser Ex-Professor wird ermordet, nun braucht es eine Familienaufstellung. Der zehnte Murot-„Tatort“ macht vieles richtig und Spaß.
![Filmszene mit Lars Eidinger und anderen. Filmszene mit Lars Eidinger und anderen.](https://taz.de/picture/5233062/14/28851154-1.jpeg)
Achtung, jetzt kommt ein Warnhinweis: Lesen Sie jetzt bloß nicht dieses Text. Denn jedes Wort könnte eins zu viel sein und Ihnen, werte Leser:innen, den Krimi-Genuss vermiesen. Weil: Dieser „Tatort“ ist überraschend, witzig und klug, gut gemacht und macht irgendwie auch glücklich. Und nein, der Autor wurde nicht vonseiten des Senders bestochen.
Bleibt vorneweg schon mal die – nicht beantwortbare – Frage, wie die das beim Hessischen Rundfunk bloß machen, mit ihrem Kommissar Felix Murot auch noch beim nun schon zehnten Tukur-„Tatort“ derart zu überraschen. Wo doch schon die vorherigen neun Streifen immer aus dem Rahmen fielen und zu den besten Krimis in der deutschsprachigen TV-Landschaft gehören. Darum an dieser Stelle auch vorneweg: Martin Rauhaus hat sich das Ganze ausgedacht, Rainer Kaufmann führte Regie.
Also: Frankfurt am Main ist Schauplatz einer Mordserie, die Rätsel aufgibt. Drei Männer werden per Genickschuss getötet, scheinbar gibt es keine Verbindung zwischen den Opfern. Erst wird ein Täter aus dem rechten Milieu vermutet. Aber Murot (Ulrich Tukur) glaubt das nach dem dritten Mord nicht mehr. Denn unter den wenigen Besitztümern des erschossenen obdachlosen Mannes findet sich eine Ausgabe von „Das Prinzip Hoffnung“, Hauptwerk des Philosophen Ernst Bloch (1885–1977). Und Murot hat doch tatsächlich einst vier Semester Philosophie studiert bei dem Toten, der früher Philosophieprofessor war, seit einer Familientragödie aber auf der Straße lebte.
Wiesbaden-„Tatort“: Murot und das Prinzip Hoffnung, So., 20.15 Uhr, ARD und in der ARD-Mediathek
Der tote Ex-Professor war alles andere als mittellos. Es gibt eine ganze Menge zu erben. Und mit drei längst erwachsenen Kindern gleich drei Verdächtige. Und dann kommt ein Weiterer hinzu, ein Nachbarsjunge und Freund der Familie des Toten, samt seltsamer Mutter, die gern mal Stalin etc. zitiert. Damit nicht genug: Auch Murot ging im Heim seines Professors ein und aus. Die Mischpoke kennt sich also von früher. Das macht alles viel einfacher und komplizierter, vor allem aber macht das Spaß. Das merkt man auch dem hochkarätigen Cast mit Angela Winkler, Karoline Eichhorn, Christian Friedel und Lars Eidinger an.
Wie diese immer abstruser werdende Gemengelage intelligent wie spannend aufgelöst wird, ist eine Familienaufstellung vom Feinsten. Inszenierung ist alles! Es kommt halt auf die Perspektive an. Das wird nächstes Jahr sicher einen Grimme-Preis geben. Wehe, wenn nicht!
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