Münchner Sicherheitskonferenz: Ein gutes Bier? Pompeo fragen!
US-Außenminister Pompeo gibt sich als Experte bayerischer Trinkkultur zu erkennen. Chinesische Produkte mag er hingegen weniger. Und was will Macron?
Noch vor 15 Jahren habe man gedacht, „unsere Werte“ seien universell und würden die Welt für immer regieren, sagte Macron. Doch inzwischen sei eine „gewisse Schwächung des Westens“ eingetreten. Eine „Krise der europäischen Demokratien“ konstatierte der 42-Jährige. „Wir sind dabei, ein Kontinent zu werden, der nicht an seine Zukunft glaubt.“ Europa stehe „vor einer Stunde der Wahrheit“.
Das gilt auch für das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Die USA verfolgten inzwischen eine Politik, die „einen gewissen Rückzug und ein Überdenken ihrer Beziehung zu Europa“ beinhalte, so Macron. Als Konsequenz müsse sich die EU zu einer „strategisch-politischen Macht“ entwickeln- worunter er vor allem eine militärische Stärkung versteht. Es sei notwendig, sich selber zu schützen, „um Handlungsspielraum zu haben“. Das sei aber „kein Projekt gegen die Nato oder eine Alternative zur Nato“, versicherte er.
Notwendig sei ein „Europa der Verteidigung“, sagte Macron. Dazu gehöre auch ein eigener atomarer Schutz. „Wir brauchen einen strategischen Dialog mit allen Partnern an, die das wünschen, auch im atomaren Bereich“.
Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer reagierte skeptisch. „Die Frage ist, was die konkreten Angebote sind“, sagte sie. Denn fest stehe schließlich, dass Frankreich unter keinen Umständen seine Nuklearkräfte unter europäische Kommandostrukturen stellen wolle. Deswegen setze sie weiterhin auf den atomaren Schirm der USA.
Gleichwohl stimmte Kramp-Karrenbauer Macron zu, dass Europa mehr strategischen Dialog führen und konkret etwas für seine Sicherheit tun müsse. „Ich möchte, dass wir unseren eigenen Interessen folgen können und unseren eigenen Kurs halten, wenn der Wind um uns rauer wird“, sagte die Noch-CDU-Vorsitzende. Sie sehe „Europa und gerade mein Land in der Pflicht, mehr Handlungsfähigkeit und mehr Willen zum Handeln zu entwickeln“. Entsprechend sprach sie sich für höhere Militärausgaben aus.
Ungewohnte Töne der US-Regierung
Bereits vor Macron hatte die US-Regierung ihre große Bühne. Im Gegensatz zum Weltwirtschaftsforum Mitte Januar in Davos lässt US-Präsident Donald Trump auch in diesem Jahr die Sicherheitskonferenz in München links liegen. Im vergangenen Jahr hatte er seinen Vize Mike Pence geschickt, der einen bizarren, geradezu gespenstischen Auftritt hinlegte.
Nicht nur seine unfreiwillig komische Heldenverehrung Trumps irritierte damals das Auditorium. Vor allem wie ungeschminkt Pence die Weltführerschaft für die USA reklamierte und bedingungslose Unterordnung forderte, sorgte für Verstörung. Es war ein ultimativ formulierter Führungsanspruch, der die europäischen Staaten zu Befehlsempfängern degradierte.
In diesem Jahr ist Mike Pompeo der höchstrangige Repräsentant der Trump-Administration. Bei seinem Auftritt am Samstag schlug der US-Außenminister eine andere Tonlage an. Statt als Zuchtmeister aufzutreten, gab er sich jovial: „Wenn Sie ein gutes Bier suchen, kann ich Ihnen beim Finden helfen“, sagte er unter Anspielung auf seine früheren SiKo-Besuche, die er stets in angenehmer Erinnerung behalten habe.
Es war schon auffälig, welche Mühe sich der 56-jährige Ex-CIA-Direktor gab, einen besseren Eindruck als Pence zu hinterlassen. Statt unentwegt seinen Präsidenten zu loben – Pompeo erwähnte Trump erstaunlicherweise nicht ein einziges Mal –, betonte er den transatlantischen Zusammenhalt. „Ich bin glücklich, Ihnen mitzuteilen, dass der Tod des transatlatischen Bündnisses eine krasse Übertreibung ist“, sagte er. Er sei vielmehr überzeugt: „Der Westen wird gewinnen – und wir werden das zusammen tun.“ Dabei gehe es „nicht darum, dass Europa den USA folgt, wir wollen Partner sein“.
Entschieden wies Pompeo jene von den Organisator:innen der SiKo als „Westlessness“ bezeichnete Zustandsbeschreibung zurück, nach der in einer Welt, die immer weniger westlich geprägt werde, der Westen im Begriff sei, immer weniger westlich zu sein. „Es hat immer Leute gegeben, die alles schwarz gesehen haben“, sagte der US-Außenminister und beschwor die vermeintlich gemeinsamen Ideale Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. „Der freie Westen hat eine leuchtendere Zukunft als illiberale Alternativen“, so Pompeo. Da sei er „voller Zuversicht“.
Ohne ihn namentlich zu erwähnen, wies Pompeo auch den Vorwurf von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurück, der der US-Regierung in seiner Eröffnungsrede am Freitag vorgehalten hatte, „der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage“ zu erteilen. Das entspreche nicht der Realität. Die USA verweigerten sich keineswegs der Zusammenarbeit. Als Beleg verwies Pompeo auf eine Reihe außenpolitischer, vor allem jedoch militärischer Initiativen Washingtons. Internationale Organisationen wie die UN oder die WTO kamen in seiner Rede hingegen nicht vor.
Feindbild China
Keinen Zweifel ließ Pompeo daran, dass die USA weiter auf eine Politik der Stärke setzen: „Nennen Sie mir ein Beispiel aus der Geschichte, wo sich die Schwachen und Kleinmütigen durchgesetzt haben?“ Auffälig dabei, dass sowohl Pompeo als auch US-Verteidigungsminister Mark Esper, der nach ihm sprach, vor allem China als neues Feindbild ins Visier nahmen.
China verfolge „mit allen Mitteln und zu jedem Preis“ seine internationalen Ziele, sagte Esper. „Die chinesische Kommunistische Partei geht immer schneller und weiter in die falsche Richtung – mehr Unterdrückung im Inneren, rücksichtslosere Wirtschaftspraktiken, mehr Unbarmherzigkeit und, am meisten beunruhigend für mich, eine aggressivere militärische Haltung.“
Wie schon die demokratische Sprecherin des Repräsentenhauses Nancy Pelosi am Freitag forderten auch Pompeo und Esper die europäischen Verbündeten eindringlich auf, den chinesischen Technologiekonzern Huawei von den neuen 5G-Netzen auszuschließen. Firmen wie Huawei agierten als „Trojanische Pferde“ des chinesischen Nachrichtendienstes, so Pompeo.
Chinas Außenminister Wang Yi reagierte empört und sprach von „Schmierenkampagnen“ der USA. „Grundsätzlich kann ich sagen, dass alle Vorwürfe gegen China Lügen sind“, erwiderte Wang in seiner Rede am Samstagmittag. Nur wenn man die Kritik auf die USA selbst anwende, „dann werden die Lügen vielleicht zu Tatsachen“. Er hoffe, dass die Supermacht nicht das Vertrauen in der Welt und „ihren gesunden Menschenverstand“ verliere.
Zuversichtlich zeigte sich Wang denn auch nur in Bezug auf den Kampf gegen den Coronavirus. „Der Morgen naht und wir sehen das Licht“, formulierte der 66-jährige Karrierediplomat geradezu poesiealbumlyrisch. „Nach dem Sturm kommt immer ein Regenbogen.“
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